1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Der Fotograf Robert Frank ist gestorben

Torsten Landsberg
10. September 2019

Mit "The Americans" hielt Dokumentarfotograf Robert Frank dem amerikanischen Traum den realen Alltag entgegen. Sein rauer Stil machte ihn zu einem Pionier des 20. Jahrhunderts. Nun ist er mit 94 Jahren gestorben.

https://p.dw.com/p/3PLj9
Fotograf Robert Frank gestorben
Bild: picture-alliance/dpa/L. Lehmann

Robert Frank gilt als Wegweiser der realen Dokumentarfotografie. Waren Bilder vorher durch Schärfe gekennzeichnet, mit durchkomponierten Motiven einer heroischen Nation, war Franks Darstellungsweise der krasse Gegenentwurf: körnig, ohne Filter, roh und nah. Er entlarvte den Mythos vom amerikanischen Traum, indem er ihm die amerikanische Realität entgegenstellte. Sein Aufstieg verlief rasant.

Robert Frank kam 1924 als jüngerer von zwei Söhnen in Zürich zur Welt. Als sein deutscher Vater Hermann wegen seiner jüdischen Herkunft in den 1930er Jahren durch das Reichsbürgergesetz staatenlos geworden war, beantragte er für sich und seine Söhne die Schweizer Staatsbürgerschaft.

The Americans von Robert Frank | Parade – Hoboken, New Jersey, 1955
"Parade - Hoboken, New Jersey" (1955)Bild: Robert Frank from The Americans, courtesy Pace/MacGill

Nach der Schulzeit absolvierte Robert Frank Anfang der 1940er Jahre eine Ausbildung bei einem Fotografen und Grafiker, anschließend arbeitete er als Assistent für verschiedene Fotografen in Zürich, Genf und Bern. 1947 reiste Frank nach New York und wurde Fotograf bei der Modezeitschrift "Harper's Bazaar". Seine Heimat empfand der damals 23-Jährige als zu engstirnig.

Die Idee vom Moment - ohne Anfang und Ende

Damals war Robert Frank ein Bewunderer des französischen Fotografen Henri Cartier-Bresson, der 1947 die heute weltberühmte Agentur "Magnum" mitbegründete und dessen Arbeiten noch heute als Standard des Fotojournalismus gelten. Später lehnte Frank diese Normen als oberflächlich und unbedeutend ab. Sie würden Geschichten mit einem Anfang und einem Ende erzählen. Genau das widersprach aber seiner Idee vom Moment, vom Augenblick, den eine Aufnahme festhalten soll.

Bild der Ausstellung: Ausstellung "Robert Frank. Unseen
"New York City, um 1950" (Fotografie aus der Ausstellung "Robert Frank. Unseen" im C/O Berlin, 13.09.-30.11.2019)Bild: "Robert Frank. Unseen" c/o Berlin/ Fotostiftung Schweiz, Winterthur

"Du musst schnell sein und unauffällig", sagte er 2015 anlässlich einer Ausstellung im San Francisco Museum of Modern Art. "Manchmal weiß man, wenn man ein gutes Bild gemacht hat, manchmal sieht man es erst später."

Klassiker: "The Americans"

Bis Mitte der 1950er Jahre reiste Frank im Auftrag renommierter Magazine wie "Life" und "Vogue" durch die Welt. Als er 1955 für eine geplante Bildreportage ein Stipendium der Guggenheim-Stiftung erhielt, packte er seine Leica ein und machte sich auf eine zweijährige Rundreise durch die USA. "Das war wunderbar, denn so lernst du etwas über das Land", sagte Frank später. Es entstanden fast 30.000 Aufnahmen, von denen es gut 80 in den 1959 veröffentlichten Fotoband "The Americans" schafften, der zum Klassiker der Dokumentarfotografie wurde.

Robert Frank - The Americans
Pionierarbeit: Der 1959 erschienene Fotoband "The Americans" brach mit dem amerikanischen Traum

Die Schwarz-Weiß-Fotografien brachen Amerikas verklärtes Selbstbild auf und zeigten wütende Männer - alte weiße ebenso wie junge schwarze. Robert Frank fing Bitterkeit ein und das Leben im Abseits, zufällige Begegnungen und scheinbar beiläufige Miniaturen.

Enthüllung der heilen Welt

Das Vorwort schrieb der Schriftsteller Jack Kerouac, der mit "On the Road" und "Big Sur" zu einem der wichtigsten Vertreter der "Beat Generation" wurde, einer Strömung der US-Literatur in den 1950er Jahren. 

The Americans von Robert Frank | Wales, Ben James, 1953
"Wales, Ben James" (1953) Bild: Robert Frank, courtesy Pace/MacGill

Seine Enthüllung der heilen Welt als Inszenierung brachte Robert Frank auch Ablehnung ein. Einige Magazine beklagten die "bedeutungslose Unschärfe" seiner Arbeiten, die zu bitter seien. Anderen öffnete Frank mit "The Americans" die Augen, gesellschaftlich wie künstlerisch. Der Band war die Pionierarbeit für spontan festgehaltene, natürliche Momente in der Fotografie.

Rund 30 Dokumentarfilme 

Kurz nach seinem Durchbruch begann Frank, Dokumentarfilme zu drehen. Rund 30 Arbeiten hat er fertiggestellt, alle entstanden ohne Budget. Regisseuren wie Richard Linklater und Jim Jarmusch galt Frank deshalb als Vorreiter des unabhängigen amerikanischen Kinos. Das Magazin "New Yorker" schrieb über den Filmemacher, er sei ebenso bereit, alles auszuprobieren, wie zu scheitern.

The Americans von Robert Frank | Charleston, South Carolina, 1955
"Charleston, South Carolina" (1955)Bild: Robert Frank from The Americans, courtesy Pace/MacGill

1972 begleitete Frank - auf deren Wunsch hin - die Rolling Stones auf ihrer Tour zum Album "Exile on Main Street". Daraus entstand der Dokumentarfilm "Cocksucker Blues", der so gar nichts von dem Glamour ausstrahlte, den das Rockstar-Leben versprach.

Entblößtes Versprechen

Frank zeigte Langeweile, Dekadenz und Begleiter, die sich auf Hotelbetten einen Schuss setzten. Erneut fing er die Vorstellung eines Traums mit der bloßen Realität ein. Die Band wollte den Film nicht veröffentlichen, Frank dagegen schon, was in dem kuriosen Gerichtsbeschluss mündete, dass "Cocksucker Blues" nur in Anwesenheit seines Regisseurs gezeigt werden durfte.

The Americans von Robert Frank | View from hotel window – Butte, Montana, 1956
"View from hotel window - Butte, Montana" (1956) Bild: Robert Frank from The Americans, courtesy Pace/MacGill

Die Umsetzung dieses Urteils muss nun wohl neu bewertet werden, denn wie die "New York Times" unter Berufung auf dessen New Yorker Galerie meldete, starb Robert Frank am 9. September 2019 in der kanadischen Ortschaft Inverness. Er wurde 94 Jahre alt.

Vom 13. September bis zum 30. November 2019 zeigt das C/O Berlin die Ausstellung "Robert Frank. Unseen". Die Werkschau "stellt die erzählerische Kraft einer Bildsprache vor, die Frank entwickelte, lange bevor sie ihm internationale Anerkennung einbrachte", heißt es in der Ankündigung.