Champion mit Ambitionen
4. Juli 2012Die Ressourcen sind schier unendlich: Wasser, Sonne und Land zum Anbau von Biomasse. Allein die Wasserkraft deckt derzeit mehr als 80 Prozent des brasilianischen Strombedarfs. Dabei ist es noch nicht einmal die größte Quelle nachhaltiger Energie: "Zucker ist die Nummer eins unter den erneuerbaren Energiequellen in Brasilien", sagt Géraldine Kutas, Vorsitzende für Internationale Beziehungen des Branchenverbands der Zuckerrohrindustrie Unica. "16 Prozent der brasilianischen Gesamtenergie stammen aus Zuckerrohr." Der mit Abstand größte Teil davon entfällt auf Ethanol als Kraftstoff. Beim Strom dagegen erzielt die süße Alternative bisher erst ein Prozent.
Dabei könnte es schon viel mehr sein: "Die derzeit installierten Biomasse-Kraftwerke könnten mit der heutigen Anbaumenge bereits 15 Prozent des Strombedarfs decken", so Kutas. Und das, obwohl der Zucker gerade einmal 1,4 Prozent der brasilianischen Agrarfläche einnehme.
Strukturelle Probleme
Der Grund für das ungenutzte Potenzial liege teilweise bei der Politik, denn Benzin werde gegenüber dem Ethanol steuerlich begünstigt. Ein weiteres Problem sei die Finanzierung von Zuckerrohr als Energiequelle seit der Finanzkrise 2008, erklärt Kutas auf den 30. Deutsch-Brasilianischen Wirtschaftstagen, die der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) und die brasilianische Confederação Nacional da Indústria (CNI) jetzt in Frankfurt ausgerichtet haben.
Johann Kress, Geschäftsführer von Envalue Solar, deutet eine weitere Ursache der Finanzierungsschwierigkeiten an: "Brasilien muss erkennen, dass ein Projekt pünktlich fertig werden muss, damit der Kunde zahlt, denn sonst ist er vorher bankrott."
Gleichzeitig sieht Kress ein großes Potenzial für deutsch-brasilianische Kooperationen: "Wir Deutschen legen beim Projektmanagement sehr viel Enthusiasmus und Genauigkeit an den Tag."
Logistische Herausforderungen
Dass der Bedarf an dezentralen Versorgungslösungen in Brasilien um ein Vielfaches größer ist als in Deutschland, leuchtet ein: Das Land ist rund 24-mal größer als die Bundesrepublik. Und auch wenn etwa 90 Prozent der Bevölkerung relativ geballt nahe dem Atlantik leben: Die Küste ist 8000 Kilometer lang, und es bleiben immer noch 20 Millionen Menschen, die sich auf ein Gebiet verteilen, dessen Grüße das der Europäischen Union übertrifft.
Für die ganz entlegenen Gebiete scheint sich vor allem eine Lösung anzubieten, in der Deutschland zu den Technologieführern gehört. Rodolfo Fraenkel, Finanzvorstand der Nationalen Organisation der Petroindustrie, erklärt: "In abgelegenen Gebieten ist es absolut sinnvoll, in Solarenergie zu investieren, wie die brasilianische Regierung es auch schon getan hat."
Das dürfte dem ehemaligen Siemens-Ingenieur Kress gefallen. Dennoch mahnt er an, auch das Gesamtprojekt des Ausbaus erneuerbarer Energien in Brasilien mit Bedacht zu planen: Es sollte nicht grundsätzlich eine Energieform präferiert werden: "Brasilien ist so gigantisch groß, dass man regional ganz genau hinsehen muss, welche Energiequelle wo sinnvoll ist."