Elfriede Jelinek bearbeitet Donald Trump
28. März 2017Miss Piggy hat nie jemandem wehgetan. Aber da steht sie nun, mit ihren blonden Haaren, ihrem großen Rüssel und mit großen, blutenden Augen auf einer Leinwand in einem Theater in Manhattan. Sie ist die Symbolfigur von Elfriede Jelineks aktueller Theaterarbeit "Auf dem Königsweg: Der Bürger-King".
In Jelineks Stück wird die resolute Schweinedame aus der Muppet Show zu einer tragischen Figur. Die transformierte Puppe ist eines von vielen Puzzleteilen, mit denen die Literaturnobelpreisträgerin US-Präsident Donald Trumps Wahlsieg kommentiert.
An diesem Montag gab es die Weltpremiere von "Auf dem Königsweg" zu sehen, als Ein-Personen-Lesung in einem kleinen Universitätstheater in Midtown Manhattan. Im Oktober soll es am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg mit voller Besetzung uraufgeführt werden.
Protest einer Intellektuellen
Nicht nur durch die radikale Umwandlung einer beliebten Figur der US-amerikanischen Popkultur unterscheidet sich Jelineks Ansatz sehr von dem ihrer amerikanischen Künstlerkollegen. Bislang beschränkt sich der künstlerische Protest gegen Trump in den USA auf Graffiti, Performances und andere Kunstaktionen. Letzten Sommer sorgte zum Beispiel die Statue eines nackten Trump auf dem Union Square international für Aufsehen.
Jelinek hingegen geht gewohnt intellektuell und bissig vor. Die namenlose, ganz in Schwarz gehüllte Erzählerin, gespielt von Masha Dakić, gibt gleich zu Beginn des Stücks zu, dass sie krank sei und von nichts eine Ahnung habe. Sie fragt sich, ob sie "ein Vogelhaus oder eine neue Garage" bestellt habe. "Das Leben ist unerklärlich", sinniert sie. "Sie haben gewählt und wissen nicht, wen sie gewählt haben, obwohl sie selbst gewählt haben."
Dakić sinniert, schimpft und bettelt aus verschiedensten Perspektiven. Dabei wird sie zum Chor der griechischen Tragödie – nur eben in einer schizophrenen Ein-Personen-Version.
Multiperspektivischer Ansatz
Trump-Wähler, Trump-Gegener, aber auch Einwanderer und Flüchtlinge kommen durch Dakić zu Wort. Am Ende eines Monologs zum Thema der von Trump geplanten Mauer zu Mexiko sagt sie: "Wir sind Amerikaner und sind es nicht mehr."
Dank der vielen Perspektiven gelingt es Elfriede Jelinek, innerhalb eines Stücks so verschiedene Themen wie das Alte Testament, deutsche Geistesgeschichte, Freuds Psychoanalyse, die US-Immobilienblase oder das Bankensterben zu berühren. Und in einem Seitenhieb suggeriert sie Trumps Impotenz.
Der König ist schuld
"Der König ist schuld am Untergang der Stadt", sagt Dakić in einer der ruhigeren Passagen. "Der König ist schuld, und jetzt wissen wir's. Also sind wir jetzt verantwortlich." Dieses Urteil erinnert an die Situation der Hitler-Unterstützer in Österreich und Deutschland während des Dritten Reichs. Nach der Vorführung stellen sich Schauspielerin Dakić, Regisseur Stefan Džeparoski und Jelineks langjährige Englisch-Übersetzerin Gitta Honegger den Fragen der etwa 70 Zuschauer. Hier, mitten im liberalen Manhattan, möchte natürlich niemand als Trump-Unterstützer gelten.
Honegger, die während der gesamten Entstehung von "Auf dem Königsweg" mit Jelinek in Kontakt stand, geht gleich auf den Hitler-Vergleich ein: "Als Nachkriegskind, das die Weimarer Republik und Hitler nur aus Geschichtsbüchern kennt, will ich keine krassen Vergleiche machen", so Honegger. "Aber sie (Elfriede Jelinek, Anm. d. Red.) und ich haben schon darüber gesprochen, dass Intellektuelle es nicht für möglich hielten, dass jemand mit so einem Gehirn, so einem Verhalten und einer solchen inneren Leere Präsident werden kann".
Modernistische Muppet-Figur
Dann war da ja noch die eingangs erwähnte Miss Piggy, die durch ihre blutenden Augen auf das Publikum hinabstarrte und immer wieder von Dakićs namenloser Protagonistin angesprochen oder heraufbeschworen wurde. "Ihre Frisur ist so seltsam wie die von Trump," bemerkt Zuschauerin Marleen Barr. "Setzt Jelinek Miss Piggy mit Trump gleich? (…) Trump hasst ja nichts mehr, als wenn über ihn gelacht wird. Heißt es nun also 'Schwein-time' für Trump?"
"Sie haben Elfriede verstanden", sagt Honegger lächelnd. "Sie spricht immer wieder davon, wie sie Großes klein machen will – um es zu beschneiden. Sie erhebt Trump zum Ödipus und macht ihn am Ende damit umso kleiner." Jelinek sei sich darüber sehr bewusst, dass Miss Piggy die Perspektive einer Künstlerin repräsentiere.
Vor Trumps Haustür
Es ist ein Statement für sich, die Weltpremiere ihres Stücks in Trumps Heimatstadt stattfinden zu lassen. Jelinek ist bekannt dafür, dass sie jeden Aspekt einer Aufführung im Auge behält. Sie hat sich die Premiere laut Organisatoren im Livestream angesehen. Im Jahr 2000 verbot sie die Aufführungen ihrer Stücke, nachdem die Freiheitliche Partei ins österreichische Parlament gewählt worden war.
"Ich denke, ein Künstler muss manchmal den Finger dahin tun, wo es am meisten weh tut und ihn dann ganz tief in die Wunde hineindrücken, bis sie ausgeblutet ist", so Regisseur Džeparoski in einem Interview. "Dabei wird zwar etwas gutes Blut herauskommen, aber auch das fiese Zeug. Und dann wird der Körper gereinigt sein. Eine Katharsis: Das ist es, was wir brauchen."
Bei einer Pressekonferenz im April sollen weitere Details zur Hamburger Uraufführung genannt werden.
Anmerkung der Redaktion: Der Verlag hat die in New York gelesenen Passagen nicht in deutscher Originalfassung zur Verfügung gestellt. Die von DW zurück ins Deutsche übersetzten Zitate können daher von Jelineks Originaltext abweichen.