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Klage gegen Euro-Schirm

5. Juli 2011

Rund 50 Beschwerden gegen den Euro-Rettungsschirm hat das Bundesverfassungsgericht in den letzten zwölf Monaten bekommen. Ein Kläger ist Siegfried Hildebrandt aus Düsseldorf. Was treibt den Ex-Banker dazu?

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Rentner Siegfried Hildebrandt aus Düsseldorf (Foto: DW/Alexandra Scherle)
Bild: Alexandra Scherle

"Ich stehe zur europäischen Solidarität", sagt Siegfried Hildebrandt. "Aber wenn einzelne Länder die Folgen ihrer unseriösen Finanzpolitik auf andere EU-Mitgliedsstaaten abwälzen können, dann ist das aus meiner Sicht unsolidarisch." Und genau das passiere durch den Euro-Rettungsschirm, der vor einem Jahr in Kraft getreten ist, beklagt der ehemalige Banker.

"Durch den Europäischen Stabilisierungsmechanismus wurde der Europäische Vertrag gebrochen - und das lassen wir uns als Bürger nicht bieten", erklärt der 71-Jährige ruhig und sachlich. Der Vertrag von Maastricht (1992) sieht vor, dass kein EU-Staat für die Schulden eines anderen haften soll.

Also wagte er sich an eine schwierige Sache: eine Klage beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Zusammen mit seinem Mitstreiter Michael Wilde schrieb er eine Verfassungsbeschwerde. Die beiden Rentner hatten zwar Kontakt mit prominenten Euro-Gegnern, wie den Gruppen um den Ökonomen Wilhelm Hankel oder den Berliner Rechtsprofessor Markus Kerber. Doch sie wollten sich keinem dieser Bündnisse anschließen: "Denn der normale Bürger kann diese Klagen in bestem Juristendeutsch kaum verstehen. Wir haben unsere Beschwerde selber verfasst, damit sie auch für andere Bürger lesbar ist."

Der Steuerzahler ist nicht schuld

Eine EU-Fahne weht über der Akropolis in Athen (Foto: dpa)
Krise in GriechenlandBild: picture alliance / dpa

Außerdem ist Siegfried Hildebrandt kein Euro-Gegner. Er weist darauf hin, dass die EU und auch der Euro Deutschland wichtige Vorteile gebracht haben: Zum Beispiel sind die Exporte in die Euro-Zone rasant gestiegen. Und an platte Stammtisch-Mythen über angeblich faule Südländer hat er noch nie geglaubt. Schuld an der Krise sei weder der deutsche, noch der griechische oder portugiesische Steuerzahler: "Die unverantwortliche Schuldenpolitik der einzelnen EU-Länder und die Investoren haben die Schuldenkrise überhaupt möglich gemacht", meint Hildebrandt. "Die Investoren haben freiwillig Staatsanleihen gekauft. Jetzt müssen sie die Verantwortung für ihre Entscheidungen übernehmen - und zum Beispiel im Fall Griechenlands einen Schuldenverzicht akzeptieren."

Die Geschäftspraxis der heutigen Finanzwelt ist für ihn nicht nachvollziehbar: "Wenn ich mich zu meiner Zeit als Banker bei der Sparkasse auf das Urteil einer Rating-Agentur verlassen hätte, ohne das Risiko selber zu überprüfen, wäre ich hochkantig rausgeflogen!"

Besonders die Schuldenpolitik der deutschen Regierung macht ihm zu schaffen. Weil die deutsche Staatsverschuldung rasant gestiegen ist, hat der ehemalige Banker vor zwei Jahren die parteiunabhängige Initiative "Interessengemeinschaft Zukunftsfähigkeit" gegründet. Er hält Vorträge über die Gefahren der Staatsverschuldung, schreibt Briefe an Bundeskanzlerin Angela Merkel und ist als Mahner auch im Internet unterwegs: Auf einer eigenen Website, aber auch in sozialen Netzwerken wie Facebook und Xing.

"Sparsamkeit gehört zum Überleben"

Rentner Siegfried Hildebrandt am Computer (Foto: DW/Alexandra Scherle)
Recherche im NetzBild: Alexandra Scherle

Er wünscht sich, dass die Politiker verantwortungsvoller mit dem Haushalt umgehen. Sparsamkeit ist für Siegfried Hildebrandt eine wichtige Tugend, für eine Gesellschaft und für das Individuum: "Sie gehört einfach zum Überleben". Doch nicht jeder müsse so sparsam sein wie er, fügt der Rentner schmunzelnd hinzu. Als ehemaliger Banker lebt er mit seiner Frau in einer sehr geschmackvollen, aber nicht besonders großen Wohnung in einem Mehrfamilienhaus. Was ihn am meisten fasziniert, hat nichts mit finanziellen Werten zu tun. Der wichtigste Gegenstand in seinem Wohnzimmer ist für ihn ein Gemälde mit schwarzen Schilfblättern, die sich im Wind wiegen: ein Geschenk von einem Straßenmaler aus Shanghai.

Und auf seinen Dienstreisen in Osteuropa oder Asien konnte er seiner großen Leidenschaft nachgehen, die kein Geld kostet und jedem offen steht: "Ich bin sehr glücklich, dass ich das sogar in meinem Alter immer noch machen kann - auch heute jogge ich fast jeden Tag 15 Kilometer."

Disziplin für Blues-Musiker

Poster im Büro des Klägers (Foto: DW/Alexandra Scherle)
Poster im Büro des KlägersBild: Alexandra Scherle

Zusammen mit seiner Frau hat der energische Rentner auch eine Musikagentur gegründet und internationale Blues-Bands auf deutsche Bühnen gebracht: "Das war unglaublich spannend! Zwei Welten sind aufeinandergeprallt: Ich habe von den Künstlern gelernt, etwas lockerer zu sein. Aber auch ich konnte ihnen zeigen, wie wichtig ein wenig Disziplin sein kann."

Mehr Disziplin wünscht sich Siegfried Hildebrandt auch von der deutschen und europäischen Haushaltspolitik. Und auch im Kampf gegen den Euro-Rettungsschirm gibt sich der Langstreckenläufer nicht geschlagen. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht seine Beschwerde nicht angenommen - ohne jegliche Begründung. Doch Siegfried Hildebrandt denkt darüber nach, eine neue Beschwerde einzureichen. Diesmal gegen den dauerhaften Europäischen Stabilisierungsmechanismus, über den der Bundestag im Herbst abstimmen wird.

Autorin: Alexandra Scherle
Redaktion: Bernd Riegert