Peruanischer Bauer kämpft gegen RWE
24. November 2015"Wir, die wir am wenigsten für den Klimawandel verantwortlich sind, tragen den größten Schaden davon." Saúl Luciano Lliuya findet das alles andere als gerecht. Der Landwirt und Bergführer lebt rund 450 Kilometer von der peruanischen Hauptstadt Lima entfernt in der Stadt Huaraz. Hier kann er den Klimawandel hautnah verfolgen. Jedes Jahr steige er auf die Berge in der Umgebung mit Namen wie Alpamayo, Chopicalqui und Huascarán. Letzterer ist mit seinen fast 7000 Metern der höchste Berg Perus. "Ich sehe dort, wie die Schneemenge immer weiter zurückgeht", so Lliuya. Nicht nur das, auch der Gletscherfluss in der Nähe seines Dorfes schwelle immer weiter an.
Gemeinsam mit der Nichtregierungsorganisation Germanwatch hat Lliuya nun eine Klage gegen einen der mutmaßlichen Mitverursacher eingereicht: den deutschen Stromversorger RWE mit Sitz in Essen. Von dem Konzern fordert er, dass er sich an den Kosten für Schutzmaßnahmen gegen das schmelzende Gletschereis beteiligt.
Präzedenzfall
Insgesamt 17.000 Euro fordert der Peruaner vom Essener Unternehmen. Er ist mit seiner Klage nach Angaben der Umweltschützer der erste Betroffene, der in Europa gerichtlich gegen ein CO2-verursachendes Unternehmen vorgeht.
Die Forderungssumme berechnet sich laut Germanwatch aus dem Anteil, den RWE-Emissionen zum globalen Kohlendioxid-Ausstoß beitrügen. RWE hat bereits auf frühere Gerichtsurteile in den USA und Deutschland verwiesen. Auch dort habe es "keine rechtliche Grundlage" für derartige Ansprüche gegeben. So hätten bereits in den 90er Jahren Bundesgerichtshof und Bundesverfassungsgericht eine Haftung einzelner Anlagenbetreiber für allgemeine Luftverschmutzung abgewiesen. Damals ging es um Waldschäden in Europa. Für globale Folgen müsste diese Rechtsprechung erst recht gelten, so ein Sprecher von RWE.
Laut Lliuyas Anwältin Roda Verheyen hat ihr Mandant keine andere Wahl als eine Klage. Man könne entweder jetzt präventiv einschreiten, oder aber einfach auf die Katastrophe warten. Germanwatch-Experten gehen davon aus, dass das Volumen des Gletschersees oberhalb der Stadt Huaraz seit 2003 um mehr als das Vierfache gewachsen ist.
Durch das Abschmelzen der Gletscher steige zudem die Gefahr, dass große Eisblöcke ins Wasser stürzten und Flutwellen auslösten. Helfen könnten nun verstärkte Dämme und ein Entwässerungssystem, mit dem Wasser aus dem See gepumpt werden könne.
Die Zeit drängt
Auch wenn die Chancen auf Erfolg gering sind, geht es Lliuya vor allem darum, auf den Fall seiner Gemeinde aufmerksam zu machen. "Die Politik in Peru ist instabil und mischt sich in solche Angelegenheiten nicht ein." Tatsächlich hat seine Klage wenig Aussicht auf Erfolg, schließlich würde vielen internationalen Unternehmen eine Welle von Forderungen ins Haus stehen.
Dennoch, kurz vor dem Weltklimagipfel in Paris hoffen die Verantwortlichen auf Aufmerksamkeit. So spricht der Chef von Germanwatch, Klaus Milke, von einem "wichtigen Signal" für Paris im Dezember. Für Lliuya geht der Kampf um Aufmerksamkeit für seine Sache weit über diesen Termin hinaus. So geht seine Anwältin davon aus, dass es bis zum Prozessende noch bis zu fünf Jahre dauern könnte.