Ein Pass für jede Heimat
11. Juli 20083300 Jugendliche bekommen in diesen Tagen Post von den Behörden – nicht weil sie irgendetwas angestellt hätten. In dem Brief geht es um nicht weniger als die Frage: Welchen Pass hätten's denn gern.
Für Kinder, die in Deutschland zur Welt gekommen sind, aber ausländische Eltern haben, gilt - wenn die Eltern seit mindestens acht Jahren hier leben und eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung haben: Zunächst dürfen sie beide Pässe behalten, doch zwischen 18 und 23 müssen sie entscheiden: deutsch oder zum Beispiel türkisch. Da das Modell für alle Jahrgänge ab 1990 gilt, trudeln jetzt die ersten Briefe bei den Betroffenen ein.
Her mit dem Doppelpass
Die SPD, die das Gesetz auf Drängen der CDU 2000 eingeführt hat, hält die Regelung mittlerweile für Unsinn, wie Innenexperte Dieter Wiefelspütz sagt: "Da ist jemand 18 Jahre lang deutscher Staatsbürger und jetzt wird er gezwungen darüber nachzudenken, ob er denn deutscher bleiben will oder nicht. Das halte ich für völlig gaga und unmenschlich."
Außerdem sei die aktuelle Regelung ein bürokratisches Monster. Schließlich müssten die Betroffenen erst einmal gefunden und zu einer Entscheidung gezwungen werden. Seine Partei will – und zwar schon seit Jahren - die Doppelte Staatsbürgerschaft durchsetzen – denn das aktuelle Modell zeige ja: es entstehen gar keine Probleme, wenn jemand zwei Pässe besitzt.
Union: Loyalität gibt es nur ungeteilt
Das sieht eine Mehrheit beim Koalitionspartner, der Union anders. Sie befürchtet, dass sich durch die Doppelte Staatsbürgerschaft Loyalitätskonflikte ergeben können.
Man freue sich über jeden, der die deutsche Staatsbürgerschaft wolle und die entsprechenden Voraussetzungen erfülle, so Wolfgang Bosbach, Innenpolitiker der CDU. "Aber dann bitte auch eine ungeteilte Zuwendung zur deutschen Staatsbürgerschaft, denn es kann weder doppelte, noch geteilte Loyalitäten geben." Bosbach will daher wieder zur alten Staatsbürgerschafts-Regelung zurück. Danach hatte nur der ein Recht auf einen deutschen Pass, der seine alte Staatsbürgerschaft niederlegt.
Streit in den Familien
Migrantenverbände sehen dagegen Loyalitätsprobleme ganz anderer Art: wenn Jugendliche sich jetzt für einen Pass entscheiden müssen – und sie aus praktischen Gründen etwa den deutschen wählen - dann wird das von der türkischen Familie häufig als Affront empfunden. Das trage nur unnötigen Streit in die Familien. Für Serdar Yazar vom Bundesverband türkischer Studierendenvereine ist es vor allem aber ein wichtiges Symbol, beide Pässe zu haben: "Im Herzen sind wir Türken und Deutsche und deshalb sollte unsere Gefühlswelt in den Gesetzen soweit es geht reflektiert werden. Und es ist wirklich kein bürokratischer Aufwand diese Gesetzeslage zu verändern."
Yazar setzt sich seit Jahren für den Doppelpass auf Dauer ein. Zumal es ihn für viele Ausländer schon längst gibt: Bürger aus anderen EU-Ländern, Schweizer und auch Spätaussiedler dürfen beide Pässe behalten. Ziehe man alle diese Ausnahmen ab, klagen die türkischen Verbände, blieben nur noch ihre Landsleute übrig. Warum sollten also ausgerechnet Deutsch-Türken mit zwei Pässen Problem bereiten?
Stimmungsumschwung bei der CDU?
Doch Serdar Yazar hofft, dass sich nun etwas tut, im Streit um den Doppelpass. "Nicht einmal die CDU stellt sich als Einheit gegen unsere Forderungen. Auch da gibt es einige Akteure, die bereit sind über dieses Thema zu diskutieren."
Nach der Bundestagswahl 2009 könnte, so glaubt er, die doppelte Staatsbürgerschaft kommen. Dann würde der 27 jährige Student aus Berlin auch wieder Pass Nummer zwei beantragen – und zwar den türkischen.