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Doha-Runde stockt weiter.

Karl Zawadzky22. November 2007

Schlechte Nachrichten für Entwicklungsländer: Der Chef der Welthandelsorganisation, Pascal Lamy, rechnet für dieses Jahr nicht mehr mit einem Durchbruch bei der Doha-Runde. Der Abbau der Zölle verzögert sich weiter.

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Obst liegt auf einem Marktstand mit einem Preisschild versehen (Quelle: dpa)
Der Agrarmarkt in der EU wird stark subventioniertBild: picture-alliance/ dpa
Pascal Lamy, Chef der WTO (Quelle: AP, 20.11.2007)
Pascal Lamy will im Januar Einigungspapier präsentierenBild: AP

Eine Einigung sei aber nach wie vor möglich und sollte möglichst Anfang kommenden Jahres erreicht werden, erklärte Pascal Lamy am Mittwoch (21.11.2007) in Genf.

Sechs Jahre lang ist auf Ministerkonferenzen u. a. in Cancun und Hongkong sowie am Sitz der Welthandelsorganisation (WTO) in Genf über Zollsenkungen sowie über die Verringerung nichttarifärer Handelshemmnisse gerungen worden. Lange hatte sich die Hoffnung gehalten, in diesem Dezember könnte auf einer weiteren Ministerkonferenz das erfolgreiche Ende der in der katarischen Hauptstadt Doha gestarteten Liberalisierungsrunde gefeiert werden. Doch von einer Einigung sind die verschiedenen Gruppen in der WTO weit entfernt.

"Totgesagte leben länger"

Während die Entwicklungs- und Schwellenländer leichteren Zugang zu den Agrarmärkten der Industriestaaten verlangen, wollen diese den Abbau von Handelshemmnissen für ihre Industriegüter und Dienstleistungen. Da die Doha-Runde in der Krise steckt, ist zu der turnusmäßig alle zwei Jahre stattfindenden Ministerkonferenz für den kommenden Monat erst gar nicht eingeladen worden.

Seit Monaten bewegt sich nichts mehr: die Doha-Runde liegt auf Eis. Doch es bestätigt sich der alte Spruch "Totgesagte leben länger".

WTO will offenbar Scheitern verhindern

Nicht grenzenloser Pessimismus hat sich in der WTO-Zentrale am Genfer See ausgebreitet, sondern der Optimismus hat die Oberhand gewonnen. Langsam aber sicher scheint sich die Einsicht durchzusetzen, dass die Doha-Runde nicht scheitern darf, weil der Verlust für alle Beteiligten zu groß wäre bzw. bei einem erfolgreichen Abschluss sowohl den Entwicklungs- und Schwellenländern als auch den Industriestaaten eine gewaltige Liberalisierungsprämie sicher ist.

Die Weltbank hat den weltweiten Wohlstandsgewinn beim Abbau aller Handelsbarrieren auf mehr als 200 Milliarden Dollar pro Jahr beziffert. Das in der Doha-Runde anvisierte Ziel würde 100 Milliarden Dollar an zusätzlichem weltweiten Wohlstand bringen. Gerungen wird über die Verteilung dieses Geldes.

Entwicklungsrunde Doha: Alte Interessenkonflikte

2001 beim Start der Doha-Runde ist den Ländern der Dritten Welt eine "Entwicklungsrunde" versprochen worden. Das heißt: Die Entwicklungs- und Schwellenländer sollten einen überproportional großen Vorteil aus der weiteren Handelsliberalisierung ziehen. Genau das fordern diese Länder nun ein. Sie verlangen einen erleichterten Zugang zu den Märkten in Europa und in Nordamerika; im Gegenzug erhoffen sich die Industriestaaten Vorteile aus dem Abbau von Handelshürden für Industriegüter und Dienstleistungen.

Zwei Entwicklungen komplizieren die Verhandlungen. Einmal ist die Zahl der WTO-Mitgliedsländer auf mittlerweile 151 gestiegen, zum anderen treten sich nicht mehr lediglich zwei Gruppen – Industriestaaten und Entwicklungsländer – gegenüber, sondern auf beiden Seiten gibt es höchst unterschiedliche Interessen.

Bei den Industriestaaten streiten Europäer und Amerikaner vor allem über den Abbau der Agrarsubventionen. Das heißt: Die USA verlangen für ihre Agrarrohstoffe einen erleichterten Zugang zum europäischen Markt. Aber auch die Dritte Welt ist mittlerweile sehr breit ausdifferenziert. Während es den westafrikanischen Baumwollexporteuren um den Abbau der handelsverzerrenden Subventionen an amerikanische Baumwollfarmer geht, wollen Argentinien und Uruguay für ihre Rindfleischexporte erleichterten Zugang auf den europäischen Markt. Brasilien hat vor allem die Ausweitung seiner Soja-Exporte nach Europa und den USA im Sinn. Indien fordert Erleichterung für Textil- und Lederexporte. China hält sich im Rahmen der WTO zumeist bedeckt, verfolgt aber sehr zielgerichtet seine Exportinteressen.

Gemüseverkäufer in Indien (Archibild: AP)
Entwicklungsländer forden unghinderten Export ihrer AgrarprodukteBild: AP

Die EU stellt Bedingungen

EU-Handelskommissar Peter Mandelson, der die Interessen der EU-Mitgliedsstaaten wahrnimmt, hat einen Abbau der EU-Agrarzölle um 50 Prozent angeboten und dazu eine Verringerung der Produktionssubventionen um 70 Prozent, verlangt aber von den großen Schwellenländern eine proportionale Senkung der Handelsschranken für Industriegüter. Dazu sind die Länder der Dritten Welt nicht bereit. Für ihre Weigerung haben sie die Unterstützung von Nichtregierungsorganisationen. Zum Beispiel Oxfam verweist auf das Regelwerk der WTO. Das verlangt von den Entwicklungs- und Schwellenländern weniger weitreichende Zugeständnisse als von den Industriestaaten. Der Grund: Die ärmeren Länder sollen auch durch die Handelspolitik bei ihrer wirtschaftlichen Entwicklung unterstützt werden.

Dafür haben die Industriestaaten jetzt zusammen mit der Weltbank ein Hilfspaket präsentiert. Die verbilligten Exportkredite der Weltbank an kleine und mittlere Unternehmen aus Entwicklungsländern sind von bislang 1,3 Milliarden Dollar auf zwei Milliarden Dollar pro Jahr erhöht worden. Mit solcher "Hilfe für den Handel" soll den Staaten der Dritten Welt die Zustimmung zu einem Abschluß der Doha-Runde erleichtert werden.

Einigungspapier Januar 2008?

Beim Treffen der Handelsminister aus Industrie- und Entwicklungsländern Ende Januar am Rande des Weltwirtschaftsforums in Davos will WTO-Chef Lamy ein Einigungspapier präsentieren. Führt das tatsächlich zum Konsens in den bislang umstrittenen Fragen, könnte in der Tat noch im Frühjahr, das heißt vor den amerikanischen Präsidentschaftswahlen, die Doha-Runde zu einem erfolgreichen Abschluß gebracht werden.