Kongos neue Regierung: Hoffnung auf Wandel
27. August 2019"Die Regierung ist endlich da. Der Präsident hat das Dekret unterzeichnet und wir werden bald mit der Arbeit beginnen", sagte Premierminister Sylvestre Ilunga am Montagmorgen den wartenden Reportern in der kongolesischen Hauptstadt Kinshasa, bevor ein Sprecher die Liste der Mitglieder der neuen Regierung vortragen durfte.
Monatelang hatten die Koalitionäre hinter den Kulissen um diese Liste gerungen, die Bekanntgabe wurde immer wieder verschoben. Nun ist klar: 66 statt der anvisierten 65 Posten sind es geworden, 42 davon gehen an die Kongolesische Einheitsfront (FCC) des ehemaligen Präsidenten Joseph Kabila. Bei der umstrittenen Parlamentswahl Ende vergangenen Jahres hatte seine Partei die Mehrheit der Sitze errungen. Die restlichen 24 Regierungsmitglieder gehören zum 'Bündnis Kurs für den Wandel' (CACH) des neuen Präsidenten Félix Tshisekedi.
Vorsichtiger Optimismus in der Bevölkerung
In der Hauptstadt Kinshasa wurde die Nachricht vorwiegend mit Befriedigung aufgenommen. Vorsichtiger Optimismus überwog auf den Straßen. "Unserer neuen Regierung gehören 13 Frauen und vor allem viele neuen Gesichter an. Wir wünschen den neuen Ministern alles Gute", sagt eine Frau aus Kinshasa gegenüber DW-Kisuaheli. Eine andere Frau fügt hinzu: "Wir begrüßen die neue Regierung, denn die meisten alten Gesichter sind weg. Viele der neuen Minister sind unverbraucht. Wir werden sie genau beobachten und darauf achten, dass sie sich für das Wohl des kongolesischen Volks einsetzen."
Mit der großen Anzahl an Neulingen in der Regierung lösen Präsident Tshisekedi und sein Premier Ilunga eines ihrer Versprechen ein: Die alte Riege der üblichen Kabila-Gefolgsleute sollte diesmal unberücksichtigt bleiben, neue Minister mit neuen Ideen für frischen Wind in der kongolesischen Politik sorgen. Dennoch bemängeln Vertreter der Zivilgesellschaft, dass es auch im neuen Kabinett alte Kader des Kabila-Regimes gibt. Darunter etwa Azarias Ruberwa, der künftig das Dezentralisierungsministerium führen soll, und Thomas Luhaka, designierter Minister für Hochschulbildung.
Im Interview mit der DW findet Jean Claude Katende, Vorsitzender der "Afrikanischen Vereinigung für Menschenrechte" (ASADHO) deshalb kritische Worte für Regierungschef Ilunga: Politiker wie Ruberwa und Luhaka entsprächen nicht den Auswahlkriterien, die vom Premierminister selbst aufgestellt worden seien: "Wir von der kongolesischen Zivilgesellschaft fordern die Regierung auf, ihre Aufgaben verfassungsgemäß wahrzunehmen und sich für die Interessen des kongolesischen Volkes einzusetzen."
Positives Signal für Deutschland und Europa
Benno Müchler, Vertreter der Konrad-Adenauer-Stiftung in Kinshasa, bewertet die Regierungsbildung in der Demokratischen Republik Kongo als "positives Signal". Die neue Regierung zeige, dass der Kongo ein neues Kapitel in den Beziehungen zu Deutschland und zu Europa aufschlagen wolle, so Müchler im Gespräch mit der DW. Bemerkenswert sei etwa, dass in der neuen Regierung keine der 14 hochrangigen Personen sei, die auf der Sanktionsliste der EU stehen.
Die EU hatte 2017 Sanktionen gegen einige kongolesische Politiker verhängt, die an der Behinderung des Wahlprozesses und der damit verbundenen Menschenrechtsverletzungen beteiligt waren. Eine Intensivierung der Beziehungen zu Deutschland und Europa dürfte nun umso leichter fallen, prognostiziert Müchler: "Bundesentwicklungsminister Müller hat bei seinem letzten Besuch in Kinshasa angekündigt, dass sobald die neue Regierung stehe, er unmittelbar den deutsch-kongolesischen Dialog erneuern wolle." Dieser Dialog war 2017 ausgesetzt worden, nachdem Präsident Kabila seine Amtszeit unrechtmäßig überschritten hatte.
Frauenanteil geringer als erwartet
Ein weiteres Merkmal der neuen Regierung ist der weiterhin geringe Frauenanteil. Lediglich 17 Prozent der Regierungsposten gehen an Frauen. Zivilgesellschaftliche Organisationen hatten zuvor einen Frauenanteil von mindestens 30 Prozent gefordert. Zwar räumte Premierminister Ilunga ein, dass dieser Prozentsatz immer noch zu gering sei, dafür seien einige wichtige Posten an Frauen gefallen. Eine von fünf stellvertretenden Ministerpräsidenten sei eine Frau, außerdem würden das Planungs- und das Außenministerium von Frauen besetzt, betonte Ilunga.
Die designierte Außenministerin heißt Marie Ntumba Nzenza. Es heißt, sie sei in der Vergangenheit in der kongolesischen Diaspora in Frankreich sehr aktiv gewesen. Doch mehr konnten auch gut informierte Kreise bislang kaum in Erfahrung bringen. "Uns ist diese Frau weitgehend unbekannt", sagt Menschenrechtsaktivist Jean Claude Katende. "Wir hoffen, dass wir bald die Lebensläufe aller Minister bekommen, um festzustellen, ob sie sich wirklich für die Ämter eignen."
Kabilas Macht hinter den Kulissen
Negativ bewertet Menschenrechtsaktivist Jean Claude Katende auch die Tatsache, dass Kabilas FCC sich offenbar das Verteidigungsministerium und das Ministerium für Justiz gesichert hat. Beide Posten gelten als entscheidend – auch weil so eine Strafverfolgung des umstrittenen Ex-Präsidenten kaum möglich sei, so Katende.
Tagespolitisch werde Joseph Kabila weiterhin eine große Rolle spielen, betont auch Benno Müchler von der Konrad-Adenauer-Stiftung. "Er ist einerseits der Vorsitzende des Parteienbündnisses FCC, das die absolute Mehrheit im Parlament hat. Andererseits ist er aufgrund seines alten Präsidentenamts auch Senator auf Lebenszeit. 2023 kann er dann verfassungsgemäß noch mal neu antreten als Präsident."
Immer wieder veranstalte Kabila politische Treffen auf seinem Anwesen außerhalb Kinshasas. Das seien Signale, dass er weiterhin die Fäden in der Hand behalten wolle. Ob sich Präsident Tshisekedi gegen Kabila und sein Lager wird durchsetzen können, bleibe daher abzuwarten, so Müchler.
Mitarbeit: Saleh Mwanamilongo, Kinshasa