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"Ich glaube, dass sie nicht frei ist"

Rebecca Ritters
3. Dezember 2021

Unter denen, die sich Sorgen um die chinesische Tennisspielerin Peng Shuai machen, ist auch ihre frühere Doppelpartnerin Andrea Sestini Hlavackova. Im DW-Interview lobt sie den Weltverband WTA und kritisiert das IOC.

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Australian Open Tennis l Andrea Hlavackova und  Peng Shuai
Peng Shuai (l.) und Doppelpartnerin Andrea Hlavackova bei den Australian Open 2017Bild: Dita Alangkara/AP/picture alliance

Die ATP, der Tennisweltverband der Männer hat sich nicht dem Turnier-Boykott der Frauen-Organisation WTA gegen China angeschlossen, um im weiter ungeklärten Fall Peng Shuai Druck auszuüben. Der Verband sei "generell der Meinung, dass wir mit einer globalen Präsenz die besten Chancen haben, etwas zu bewirken", sagte ATP-Chef Andrea Gaudenzi. 

Die 35 Jahre alte Tennisspielerin Peng Shuai hatte am 2. November auf der chinesischen Social-Media-Plattform Weibo den früheren Vizepremier Zhang Gaoli beschuldigt, sexuell übergriffig geworden zu sein. Nachdem sie vor zehn Jahren vorübergehend eine Affäre gehabt hätten, habe Zhang sie 2018 in seiner Wohnung gegen ihren Willen zum Sex zwingen wollen, schrieb Peng. Ihr Post war kurz darauf gelöscht worden, sie selbst war für zwei Wochen verschwunden.

In einem DW-Fernsehinterview äußerte sich die tschechische Ex-Tennispielerin Andrea Sestini Hlavackova, eine frühere Doppelpartnerin von Peng Shuai: 

DW: Wie besorgt sind Sie um Peng Shuai?

Andrea Sestini Hlavackova: Da die ganze Welt nach ihr sucht und versucht, sie zu erreichen, gehöre ich natürlich zu den Tennisspielerinen, die Fragen stellen: Warum ist sie nicht in der Lage, selbst frei zu sprechen? Warum kann sie keine Anrufe von WTA-Chef Steven Simon entgegennehmen? Warum gibt es so viele Fragezeichen? Ja, ich mache mir Sorgen um sie. Ich glaube fest daran, dass es ihr körperlich gut geht, aber sie lebt in China. Ich glaube einfach, dass sie nicht frei ist.

Australian Open Tennis l Andrea Hlavackova und Peng Shuai
Andrea Sestina Hlavackova (l.) macht sich Sorgen um Peng Shuai (r.)Bild: Kin Cheung/AP/picture alliance

Hatten Sie Kontakt zu ihr?

Nein. Ehrlich gesagt habe ich seit 2017, als wir das letzte Mal zusammen gespielt haben, nicht mehr mit ihr gesprochen. Ich bin mir nicht einmal sicher, ob meine Kontaktnummer noch aktuell ist.

Finden Sie es richtig, dass die WTA wegen des unklaren Schicksals von Peng Shuai alle Wettbewerbe in China ausgesetzt hat?

Das ist ihr gutes Recht. Die WTA hat schließlich die Lizenzen und vermietet sie an die Turniere. Ich bin stolz auf meinen Tennisverband. Die Leute dort üben wirklich Druck aus, es ist nicht leicht, das zu tun. Umso erstaunlicher finde ich, dass sie die Rechte der Frauen tatsächlich über den Kommerz stellen.

Sollte der Männer-Verband ATP das Gleiche tun?

Ich bin mir nicht sicher, ob das Sinn macht. Da könnte man auch jeden anderen Sportverband auffordern, sich dem Schritt der WTA anzuschließen. Aber es würde schon reichen, wenn die ATP ihre Stimme erheben würde.

Das Internationale Olympische Komitee (IOC) wird dafür kritisiert, per Videoschalte Kontakt zu Peng aufgenommen zu haben und sich dabei in bedenkliche Nähe zur chinesischen Regierung begeben zu haben. Ist das IOC seinen eigenen Prinzipien untreu geworden?

Andrea Sestini Hlavackova on the IOC and her former doubles partner Peng Shuai

Aus meiner Sicht ja. Das IOC hat gegenüber China [als Gastgeber der Olympischen Winterspiele im Februar 2022 – Anm. d. Red.] ein großes Druckmittel und ist in einer viel stärkeren Position als die WTA. Deshalb fand ich es ziemlich schockierend, dass sie nicht eine härtere Gangart eingeschlagen und mehr Informationen und Beweise verlangt haben. Stattdessen wurden es zwei Telefonate geführt, die komplett inszeniert sein könnten und zu denen Peng unter Umständen gezwungen wurde. Ich finde es wirklich verrückt, dass das Internationale Olympische Komitee das Ganze unter den Teppich kehrt und so tut, als ob alles in Ordnung wäre und es ihr gut gehe, obwohl sie genau wissen, dass es nicht so ist.

Alles begann damit, dass Peng einen hochrangigen Funktionär der Kommunistischen Partei Chinas eines sexuellen Übergriffs beschuldigte. Wie schwer muss es ihr gefallen sein, sich dazu öffentlich zu äußern?

Ich war wirklich überrascht. Wir waren mit ihr bei Turnieren zusammen und haben nichts davon geahnt. Der Augenblick, in dem sie sich entschied, damit an die Öffentlichkeit zu gehen, hat mich überrascht. Schließlich hielt sie sich in China auf. Sie muss sich sicher gefühlt haben, sonst hätte sie sich nicht über das soziale Netzwerk Weibo geäußert. Aber jetzt ist sie ganz offensichtlich nicht mehr in der Lage, frei darüber zu sprechen und die Situation ein wenig mehr zu erklären.

Die 35 Jahre alte Andrea Sestini Hlavackova ist eine ehemalige tschechische Tennisspielerin, die im Doppel und Mixed zur Weltspitze gehörte. Mit ihrer Landsfrau Lucie Hradecka triumphierte sie bei den French Open 2011 und den US Open 2013 und gewann bei den Olympischen Spielen 2012 in London die Silbermedaille. An der Seite von Peng Shuai feierte sie zwischen 2014 und 2017 drei Doppelsiege bei WTA-Turnieren, bei den Australian Open erreichten sie das Finale. 2017 heiratete sie den früheren italienischen Tennisprofi Fabrizioi Sestini. 2019 kam ihre Tochter zur Welt.

Das TV-Interview führte Rebecca Ritters. Es wurde aus dem Englischen adaptiert.