Staatsfonds für Atommüll
16. Mai 2014So nicht, liebe Energiewirtschaft: Das war - kurz zusammengefasst - am Montag die Reaktion auf eine Idee von drei der vier deutschen Atomkonzernen, die am Wochenende die Runde machte.
"Es gilt das Verursacherprinzip", hieß es aus dem Umweltministerium. "Die Kanzlerin hat über den Plan noch nicht mit den Betrieben gesprochen und schon gar keine Beschlüsse gefasst", wiegelte die Bundesregierung ab. Und in den Parteien hieß es sinngemäß: Jahrzehntelang haben die Konzerne gut von der Kernenergie gelebt, jetzt, wo die Anlagen nach und nach abgeschaltet und milliardenschwer entsorgt werden müssen, soll der Staat die Verantwortung übernehmen.
Aber mittlerweile gibt es auch Stimmen, die anregen, ernsthaft über den Vorschlag nachzudenken.
Bad Bank für Atommüll
Der Plan geht ungefähr so: Deutschland gründet einen Fonds, eine Art Bad Bank für die Atomaltlasten. Darin zahlen die Konzerne die bisher angesammelten Rückstellungen von 36 Milliarden Euro ein. Ab dann ist der Staat verantwortlich für den Rückbau und die Entsorgung des strahlenden Erbes.
"Ich kann mir das nicht vorstellen", sagte dazu CSU-Chef Horst Seehofer. Sein Parteifreund Peter Ramsauer klingt anders. Der frühere Verkehrsminister ist jetzt Vorsitzender des Wirtschaftsausschusses des Bundestages. "Das ist ein strategischer Vorschlag, über den man nicht nur reden kann, sondern muss", sagte er "Spiegel Online". "Das Aus für die Kernkraft wurde politisch verordnet. In einer höchst verminten Gefechtslage müssen sich alle Seiten ihrer Risiken bewusst sein."
Was Ramsauer damit meint? Die Konzerne klagen immer noch gegen die Regierung wegen der Abschaltung der Anlagen nach der Atomkatastrophe von Fukushima 2011. Acht Reaktoren wurden danach schnell stillgelegt, die neun verbliebenen sollen bis 2022 Schritt für Schritt folgen.
Experten rechnen damit, dass die Konzerne durchaus zweistellige Milliardenbeträge erstreiten könnten. Diese Klagen wollen die Energieversorger offenbar zurückziehen, wenn der Staat der Fonds-Idee zustimmt. Und: Eigentlich weiß niemand, ob die 36 Milliarden Euro wirklich da sind, wenn man sie braucht. Denn die haben die Konzerne nicht auf speziellen Konten liegen, sondern investiert - etwa in Kohlekraftwerken. Was passiert, wenn einer der Konzerne Insolvenz anmeldet? Dann wäre auch die Rückstellung weg. Im Fonds wären diese Gelder gesichert.
Aus diesem Grund plädieren viele Umweltverbände schon seit Jahren für eine staatliche Lösung - in den die Konzerne allerdings weiter voll für die Entsorgung zuständig bleiben.
Umweltexperten offen für Staatsfonds
Felix Matthes vom renommierten Öko-Institut, bekannt als Kritiker der Kernenergie, befürwortet einen Staatsfonds für die atomaren Altlasten: "Ich kann die Empörung zunächst auch verstehen", sagte er der "Berliner Zeitung". "Aber wir leben nicht in dieser Idealwelt. Wir sehen hier ein systemisches Problem der Kernenergie: Ein großer Teil der Kosten fällt an, wenn die Anlagen, die die enormen Profite generiert haben, nichts mehr wert sind. Das führt zu Risiken, mit denen man umgehen muss. Es geht nun darum, auch die wirtschaftlichen Risiken für die Gesellschaft zu begrenzen."
Matthes glaubt auch, dass 36 Milliarden Euro ein solider Grundstock für den Fonds wären. "Aus unserer Sicht spricht nichts dafür, dass die Rückstellungen zu knapp bemessen sind."
Und auch die Atomexpertin der grünen Bundestagsfraktion, Sylvia Kotting-Uhl, kann der angeblichen Idee der drei Konzerne zumindest in einer Hinsicht etwas Gutes abgewinnen: Damit würden die Konzerne selbst beweisen, "dass in punkto Insolvenzsicherung der Rückstellungen Handlungsbedarf besteht", sagte sie "Klimaretter.info".
Vielleicht sprechen Politik und Wirtschaft ja demnächst doch über einen solchen Fonds. Dazu müssten sich die drei Konzerne aber erst einmal offiziell erklären: Sie haben die Berichte vom Wochenende bislang weder bestätigt noch dementiert.