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Kinderrechte

20. November 2007

Trotz UN-Kinderrechtskonvention sind noch immer mehrere Millionen Kinder weltweit schutzlos gegen Ausbeutung und Gewalt: Jedes Jahr werden rund 1,2 Millionen Kinder Opfer von Menschenhandel, fast 220 Millionen arbeiten.

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Hasina Akter (20, Bangladesch, r.) mit der UNICEF-Juniorbotschafterin Katharina Thiefes (Foto: dpa)
Hasina Akter (r.) wurde mit 17 Jahren Opfer eines SäureanschlagsBild: picture-alliance/ dpa

In vielen Ländern der Welt werden die Rechte von Kindern mit Füßen getreten. Auch mitten in Europa sind Armut, Gewalt, Misshandlung und Prostitution für Kinder bittere Realität. Jungen und Mädchen werden verkauft, ausgebeutet, leben auf der Straße, sind in Not und ohne Chancen. Mit der UN-Kinderrechtskonvention, die am 20. November vor 18 Jahren verabschiedet wurde - also "erwachsen" geworden ist - habe sich zwar einiges zum Besseren gewendet, bilanzieren Organisationen wie UNICEF und der Deutsche Kinderschutzbund. "Wir haben aber auch in Europa noch unglaublich viel zu tun", sagt Paula Honkanen-Schoberth vom Kinderschutzbund.

Kämpfer der Union Kongolesischer Patrioten (UPC) beim Schusstraining, Foto: dpa
Weltweit gibt es mehr als 300.000 KindersoldatenBild: picture-alliance/ dpa

Missstände gebe es quasi vor der eigenen Haustür, betont auch der Kinderrechtsexperte von UNICEF Deutschland, Sebastian Sedlmayr. "Die Kinderrechtskonvention gibt weltweit einen Orientierungsrahmen und ist ein schlagkräftiges Lobby-Instrument, aber das Dokument muss an vielen Stellen noch mit Leben gefüllt werden." Alle europäischen Länder haben die Konvention von 1989 ratifiziert. Vernachlässigung und Gewalt gehören dennoch zum Alltag für viele Heranwachsende, auch in Deutschland: Jedes Jahr werden hierzulande laut UN-Kinderhilfswerk 150.000 Kinder von ihren Eltern misshandelt, jede Woche sterben zwei an den Folgen von Gewalt oder Vernachlässigung.

Kein Phänomen armer Gesellschaften

"Eine UN-Studie hat gezeigt, dass dieses Phänomen nicht nur auf arme Länder oder arme Familien begrenzt ist, sondern sich quer durch alle Länder und alle Gesellschaften zieht", erklärt Sedlmayr. Zu den schlimmsten Gewalt-Formen gehöre der Kinderhandel, der in Europa blühe. Jungen und Mädchen würden wie Waren verschachert, viele landeten in der Prostitution oder würden zu Porno-Videos gezwungen. Auch Deutschland ist ein lukrativer Markt für internationale Kinderhändler und Kinderpornografie.

Sozialwissenschaftlerin Cathrin Schauer und ihr Buch über Kinderprostitution in Tschechien, Foto: dpa
Weltweit werden bis zu 4 Millionen Kinder zur Prostitution gezwungenBild: AP

Vor allem in armen europäischen Ländern wie Moldawien gingen die Menschenhändler auf Kinder-Fang. "Schlepper ziehen durch die Dörfer und sprechen die Mädchen an oder es werden Anzeigen mit guten Job-Versprechungen geschaltet und die Opfer geraten dann an brutale Zuhälter", schildert Helga Kuhn von UNICEF. "Die Mädchen landen vor allem im Rotlichtmilieu, es hat auch schlimme Todesfälle gegeben." Gelinge eine Rückkehr, so seien die Mädchen schwer traumatisiert und völlig perspektivlos. In gravierendem Ausmaß würden Kinder an der deutsch-tschechischen Grenze sexuell ausgebeutet. "Trotz der jahrelangen Warnungen hat sich nichts grundlegend verbessert."

Randgruppen sind benachteiligt

Benachteiligt sind auch Kinder der Roma-Minderheit. "Im Südosten Europas werden Roma ghettoisiert und aus der Gesellschaft ausgeschlossen, die Kinder gehen seltener zur Schule und haben kaum Zugang zu Bildung oder medizinischer Versorgung", sagt Sedlmayr. Eine UN-Studie in Ländern wie Albanien, Bosnien oder auch den EU-Staaten Rumänien und Bulgarien habe eine "erschreckende Benachteiligung von Roma-Kindern" zutage gefördert. Viele leben in Baracken, in Bosnien besuchen 80 Prozent der Roma-Kinder keine Schule. Besonders prekär sei die Lage im Kosovo, wo Roma-Siedlungen gleich neben Mülldeponien liegen, und die Kinder dort nach Verwertbarem suchen.

Als Straßenkinder für einen Tag musizieren Schüler in der Leipziger Fußgängerzone, Foto: dpa
Wie lebt es sich als Straßenkind?Bild: picture-alliance/ dpa

Das Leid von vergessenen Kindern in Behindertenheimen Bulgariens will die renommierte Kinderbuchautorin Annette Langen ("Felix") sichtbar machen. Manche Kinder würden unter desolaten Umständen groß, lebten in baufälligen Heimen, die kein Arzt mehr betrete und bräuchten dringend Hilfe, sagt Langen, die seit dem Besuch eines Waisenheims Ende 2005 auf die Not der Kleinsten aufmerksam macht. "Bulgarien scheint hier fast ein weißer Fleck auf der humanitären Landkarte zu sein", meint die Autorin, die bei Köln lebt.

Kinderarmut als wachsendes Problem

UNICEF legt den Finger auch als Anwalt der Flüchtlingskinder Europas in die Wunde: "Selbst in Deutschland werden geduldete Flüchtlingskinder wesentlich schlechter behandelt als einheimische Kinder", kritisiert Sedlmayr. "In den drei Bundesländern Hessen, Saarland und Baden-Württemberg unterliegen Flüchtlingskinder nicht einmal der Schulpflicht."

Als ein drängendes Problem in Europa sehen Kinderschutzbund und UNICEF zudem die wachsende Kinderarmut, die vor allem in Deutschland, Großbritannien und in osteuropäischen Ländern Besorgnis erregend sei, sagt Sedlmayr. "Die Arm-Reich-Schere darf sich nicht weiter öffnen, so dass ganze Gruppen von Kindern völlig abgehängt werden." Rund 2,6 Millionen Jungen und Mädchen leben bundesweit auf Sozialhilfeniveau, ein Drittel der 15 Millionen Kinder sei sozial benachteiligt, meint Honkanen-Schoberth vom Kinderschutzbund. "Das ist wirklich beschämend für ein so wohlhabendes Industrieland." Die UNICEF-Vorsitzende Heide Simonis fordert: "Es ist Zeit für einen Klimawandel für Kinder." (ina)