Die Taliban werden immer mächtiger
1. Februar 2017Im Kampf gegen die radikalislamischen Taliban hat die afghanische Armee nach US-Angaben im vergangenen Jahr deutlich höhere Verluste hinnehmen müssen. Zwischen Januar und Mitte November 2016 seien 6785 Soldaten und Polizisten getötet sowie 11.777 weitere verletzt worden, erklärt die US-Behörde für den Wiederaufbau in Afghanistan (Sigar) in einem neuen Bericht. Das bedeute einen Anstieg um 35 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. 2015 waren im gesamten Jahr rund 5000 Sicherheitskräfte getötet worden.
15 Prozent mehr Bezirke unter Kontrolle der Taliban
Insgesamt umfassen die afghanischen Sicherheitskräfte derzeit fast 316.000 Mann. Sie übernahmen am 1. Januar 2015 die Verantwortung für die Sicherheit in Afghanistan, als die Kampfmission der NATO gegen die Taliban endete. Die Mitgliedstaaten der Allianz, allen voran die USA, haben viele Milliarden von Dollar investiert, um die afghanischen Soldaten und Polizisten auszubilden und zu trainieren - in der Hoffnung, dass sie den Taliban standhalten. Stattdessen verschlechterte sich die Sicherheitslage seitdem jedoch stetig.
Auch ihren Herrschaftsbereich konnten die radikalislamischen Kämpfer weiter vergrößern. Laut dem Sigar-Bericht hatte die afghanische Regierung Mitte November nur noch gut die Hälfte der 407 Bezirke des Landes in ihrer Gewalt oder unter ihrem Einfluss. Das seien rund sechs Prozent weniger als noch Ende August und mehr als ein Zehntel weniger als im November 2015. Heruntergebrochen auf Distrikte beschreibt Sigar 233 Bezirke als in der Hand oder unter dem Einfluss der Regierung, 41 Bezirke als in der Hand der Taliban und 133 Bezirke als umkämpft. In den umkämpften Gebieten lebten rund 9,2 Millionen Menschen. Das wäre fast ein Drittel aller Afghanen.
Auch die Zivilbevölkerung immer pessimistischer
Auch in der afghanischen Zivilbevölkerung bleiben die Opferzahlen hoch, wie es in dem Sigar-Bericht unter Berufung auf die Vereinten Nationen weiter heißt. Demnach wurden in den ersten neun Monaten 2016 fast 8400 Menschen getötet, das bedeutet ein nur geringes Absinken im Vergleich zu 2015. Angesichts dieser schwierigen Lage hat einer Umfrage zufolge nur noch ein knappes Drittel der Afghanen das Gefühl, dass ihr Land sich in die richtige Richtung entwickelt. 2015 waren es noch knapp 37 Prozent, wie es in dem Sigar-Bericht heißt.
Der frühere US-Präsident Barack Obama hatte eigentlich alle amerikanischen Soldaten aus Afghanistan abziehen wollen. Angesichts der prekären Sicherheitslage sah er sich bei seinem Abschied aus dem Weißen Haus jedoch gezwungen, 8400 Soldaten im Einsatz in Afghanistan zu lassen. Sein Nachfolger Donald Trump hat sich bislang wenig zum Engagement der USA in Afghanistan geäußert, seine Pläne für das Land am Hindukusch sind bislang unbekannt.
sti/myk (afp, dpa)