Die Skepsis der Bauern
8. Dezember 2002Kaum war der Kommunismus gefallen, schon richtete Polen seinen Blick in Richtung der Europäischen Union. 1991 unternahmen Polen, Ungarn und Tschechien die ersten diplomatischen Schritte gen Brüssel. 1994 gab es die erste offizielle Deklaration dieser Länder, in der sie eindeutig ihren Wunsch nach einer künftigen Mitgliedschaft in der Europäischen Gemeinschaft formulierten. Im Dezember 1997, auf dem Gipfel in Luxemburg, beschloss die EU schließlich diesen Ländern eine Perspektive für den Beitritt zu geben. Heute zweifelt niemand mehr daran, dass Polen auf dem Gipfel in Kopenhagen auch wirklich das historische Ja zum Beitritt bekommt. Dennoch sei noch manches offen, gesteht der polnische Hauptunterhändler Jan Truszczynski.
Schwieriges Kapitel Landwirtschaft
Unklar bleiben im Fall Polens immer noch die Agrar- und Finanzfragen. Aufgrund der Größe des Landes und der Vielzahl von kleinen Bauernbetrieben gehörte die Landwirtschaft von Anfang an zu den schwierigsten Kapitel der Verhandlungen mit der Europäischen Union. Wenn man den polnischen Bauern Subventionen in der Höhe zusagen würde, wie sie heute deutsche oder französische Bauern erhalten, würde es den EU-Haushalt sprengen. Eine Vorenthaltung der Unterstützung widerspreche allerdings dem gemeinschaftlichen Gleichheitsprinzip. Erst vor wenigen Wochen wurde in Bezug auf Agrarfragen seitens der EU ein einheitliches Angebot ausgearbeitet.
Dieses sieht stufenweise eine Steigerung der Direktzahlungen für die Bauern in den Kandidatenländern vor. Im ersten Jahr erhalten sie 25 Prozent des europäischen Niveaus; in den Folgejahren werden die Zahlungen stufenweise erhöht. Erst ab 2007 sollen die Landwirte in den neuen Mitgliedsstaaten das dann geltende europäische Niveau erreichen. Über dieses Angebot sind die Polen jedoch verärgert. Die Bauern sehen sich benachteiligt. Es müsse verhindert werden, dass die polnische Landwirtschaft direkt unter den ausgehandelten Bedingungen zu leiden habe, sagt Jan Truszczynski.
Verlockendes Angebot
Mit Zufriedenheit wurde Ende November deshalb auch das Angebot der dänischen EU-Präsidentschaft angenommen, für die Kandidaten eine weitere Milliarde Euro bereitzustellen. 90 Prozent des Geldes sind zur Verstärkung der neuen EU-Außengrenzen in Osteuropa und 10 Prozent für die Landwirtschaft vorgesehen. Mit diesem Vorschlag könnte die Agrarhilfe für Polen statt 25 etwa 40 Prozent der EU-Gelder für die Landwirte erreichen.
Außer der Landwirtschaft bleiben noch Finanzfragen zu klären. Einigen Berechnungen zufolge könnte Polen aufgrund des komplizierten Zahlungstransfers in der EU schon in den ersten zwei, drei Jahren nach dem Beitritt zu den Nettozahlern gehören. Das heißt, das neue Mitglied würde jährlich mehr in die EU-Kasse einzahlen, als es von der EU bekommen würde. Warschau will das nicht akzeptieren. In diesem Punkt scheint sich jedoch eine Lösung abzuzeichnen.
Referendum im Juni 2003
Diese hat Polen auch nötig. Denn die EU-Skeptiker machen nach wie vor mobil. Zwar sprechen sich bei aktuellen Meinungsumfragen bis zu 60 Prozent der Befragten für den Beitritt aus und auch die katholische Kirche befürwortet offziell die EU-Mitgliedschaft. Es bleibt aber ein fester Kern von Europa-Gegnern von rund 20 bis 25 Prozent. Während sich die Stadtbevölkerung deutlich für den Beitritt ausspricht, dominieren in ländlichen Regionen meist die EU-Skeptiker. Im Juni 2003 steht das entscheidende Referendum in Polen an. Nach Meinung von Jan Truszczynski muss bis dahin Überzeugungsarbeit geleistet werden. Es gehe darum. den Menschen klar zu machen, dass der EU-Beitritt wirklich der Anfang einer besseren Zukunft für alle sei.