Es geht ums Ganze
23. Oktober 2011Der Euro-Marathon geht weiter. Nach Gesprächen der Staats- und Regierungschefs aller 27 EU-Mitgliedsländer an diesem Sonntag (23.10.2011) bleibt am Nachmittag die 17-köpfigen Euro-Gruppe übrig. Der Druck ist ungeheuer hoch, die Euro-Krise endgültig einzudämmen. Gelingt dies nicht, drohen ein Auseinanderbrechen der Währungsunion und eine umfassende Bankenkrise. Und das könnte eine weltweite Rezession auslösen. Langsam scheinen sich die Teilnehmer mit ihren unterschiedlichen Positionen einander anzunähern.
Italien im Rampenlicht
In der 27er Runde geht es zunächst um die Lage der europäischen Banken. Inzwischen ist klar, dass Griechenland hoffnungslos überschuldet ist. Die Gläubiger werden wohl auf mindestens die Hälfte ihrer Forderungen verzichten müssen. Formal soll dies freiwillig geschehen, doch ist hier wohl noch viel Überzeugungsarbeit nötig, denn von Freiwilligkeit kann eigentlich keine Rede sein.
Forderungsverzicht bedeutet Verluste für die Banken - vor allem dann, wenn auch andere, größere Länder gefährdet sein sollten. Mit Kapitalspritzen von mehr als 100 Milliarden Euro sollen die Banken bis Mitte kommenden Jahres vor Turbulenzen geschützt werden.
Besonderes Augenmerk richtet sich hier auf Italien mit seinem gigantischen Schuldenberg von 120 Prozent des Bruttoinlandprodukts. Italiens Regierungschef Silvio Berlusconi hat sowohl am Samstagabend als auch am Sonntagmorgen kurz vor dem Gipfel mit EU-Vertretern über die Haushaltsprobleme seines Landes gesprochen. Von ihm wird ein klares Engagement für Konsolidierung erwartet, das die EU bisher vermisst hat.
Zauberwort Hebelung
Während die Rekapitalisierung der Banken eine Sache aller EU-Staaten ist, geht es beim Rettungsfonds EFSF dann nur um die 17 Euro-Länder. Der Fonds wird spätestens dann zu klein sein, wenn große Länder wie Spanien oder Italien ins Trudeln geraten. Die Deutschen wollen den Fonds, der jetzt effektiv 440 Milliarden Euro zur Verfügung hat, auf keinen Fall noch weiter aufstocken.
Als Lösung hat man sich den sogenannten Hebel ausgedacht. Frankreich hat sich von der Idee verabschiedet, dass der Fonds eine Banklizenz und damit praktisch unbegrenzten Zugang zu Zentralbankgeld bekommt. Deutsche und andere befürchten eine Staatsfinanzierung über die Notenpresse und damit Geldentwertung.
Die Optionen
Übrig bleiben offenbar zwei Optionen. Bei der einen könnte der Fonds als eine Art Versicherung für Anleihen angeschlagener Euro-Staaten fungieren. Er würde einen Teil des Ausfallrisikos abdecken. Das Volumen des Fonds könnte so vervielfacht werden.
Bei der anderen würde ein separater Fonds geschaffen, bei dem möglicherweise auch der IWF eine Rolle spielen könnte. Denkbar ist auch eine Kombination aus beiden Modellen. Kritiker befürchten, dass das Risiko für die Steuerzahler erhöht würde. Die Bundesregierung bestreitet das.
Merkel für Vertragsänderung
Bundeskanzlerin Angela Merkel bekräftigte am Sonntagmorgen die Ansicht, die EU brauche Vertragsänderungen, um die Euro-Krise dauerhaft in den Griff zu bekommen. Die Finanz-, Haushalts- und Wirtschaftspolitik will sie stärker koordiniert sehen.
Vor allem glaubt sie, dass man auf Gemeinschaftsebene Durchgriffsrechte gegen Schuldensünder braucht. Merkel warnte aber erneut vor zu hohen Erwartungen an den Tag. Erst am Mittwoch würden endgültige Entscheidungen fallen. Ein zweiter Gipfel war notwendig geworden - zum einen wegen deutsch-französischer Meinungsverschiedenheiten zum Rettungsfonds EFSF, aber auch, weil der Kanzlerin noch ein umfassendes Mandat des Haushaltsausschusses des Bundestages fehlt. Eurogruppen-Präsident Jean-Claude Juncker hat bereits eine "desaströse Außendarstellung" der EU und, laut Vorabbericht eines Interview des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel", das "langsame Organisationstempo in Berlin" kritisiert.
Autor: Christoph Hasselbach, Brüssel
Redaktion: Marko Langer