Die Kohlekommission hat geliefert - was nun?
31. Januar 2019Eine knappe Woche ist der Abschlussbericht der Kohlekommission für den Ausstieg Deutschlands aus der Kohleverstromung alt. An diesem Donnerstagabend ist der 336 Seiten umfassende Bericht nun offiziell der Bundeskanzlerin übergeben worden. Angela Merkel und ihre Regierung müssen entscheiden, was sie mit den Empfehlungen und Hinweisen der Kommission machen und ob und wie sie den Fahrplan für den Kohleausstieg in Gesetze fassen.
Nach dem Ende des Steinkohlebergbaus ist auch der Braunkohletagebau ein Auslaufmodell. Noch gibt es ihn in Nordrhein-Westfalen und in den ostdeutschen Bundesländern Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt. Derzeit wird knapp ein Viertel des Stroms in Deutschland aus Braunkohle gewonnen. Rechnet man die Steinkohlemeiler dazu, ist es sogar mehr als ein Drittel. Doch dabei entsteht vergleichsweise viel klimaschädliches CO2. Mit Blick auf die Klimabilanz sei das nicht mehr tragbar, so die Bundesregierung.
Der Ausstieg soll schnell anlaufen
Ab 2022 sollen die ersten Braunkohle- und Steinkohlekraftwerke mit einer Leistung von 12,5 Gigawatt vom Netz gehen. Nach Möglichkeit bis 2035, spätestens aber 2038 soll das letzte Kohlekraftwerk abgeschaltet werden. Fast 21.000 Menschen arbeiten noch im Bergbau und in den Kraftwerken. Dazu kommen Zehntausende, deren Arbeitsplätze mittelbar an der Braunkohle hängen. Vor allem in Ostdeutschland.
Was in der alten Bundesrepublik die Steinkohle war, das war in der DDR die Braunkohle. Allein in der Lausitz waren 80.000 Menschen im Tagebau beschäftigt. Heute sind es noch 8.000. Sie wollen nicht auch noch ihre Arbeitsplätze verlieren, zumal die Lausitz heute das ist, was man strukturschwach nennt.
Ein Zeitplan soll her
Nennenswerte Wirtschaftskraft hat die Region nicht. "Die Menschen erwarten Planungssicherheit, die Menschen erwarten, dass sie ernst- und wahrgenommen werden und dass sie nicht einen zweiten Strukturbruch erleiden, wie sie ihn vor 25 Jahren erlebt haben", warnte Oliver Wittke, parlamentarischer Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium im Bundestag. Dort wurden die Ergebnisse der Kohlekommission am Donnerstag debattiert.
Auch bei einer Betriebsversammlung des Energieriesen LEAG waren die Empfehlungen der Kommission ein Thema. "Jetzt ist die Zeit, schnell in die Gänge zu kommen, um die vereinbarten Dinge zu verwirklichen", sagte Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) in Cottbus. Man brauche einen klaren Zeitplan von der Bundesregierung, forderte auch der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer auf der Betriebsversammlung.
40 Milliarden für den wirtschaftlichen Neustart
Die "vereinbarten Dinge", damit sind in erster Linie Finanzhilfen gemeint. 40 Milliarden Euro, verteilt über 20 Jahre, plus 150 Millionen Euro Soforthilfen veranschlagt die Kommission, damit sich die betroffenen Bergbauregionen wirtschaftlich neu aufstellen können. Kanzlerin Merkel versprach, bis Mai einen Fahrplan vorzulegen, wie der Strukturwandel in der Region ablaufen soll. Dazu habe sich die Bundesregierung verpflichtet, sagte sie bei der Übergabe des Berichts der Kohlekommission. Es geht um Investitionen in die Infrastruktur, Investitionsanreize für Unternehmen und die Ansiedlung von Bundesbehörden.
Die Ministerpräsidenten der vier Kohle-Bundesländer werden das gerne gehört haben. Sie verlangen ein Gesetz, um die Planungen zu beschleunigen. Darüber sprachen sie mit Merkel bei einem Abendessen. "Der Vorschlag muss so umgesetzt werden wie vorgelegt", forderte der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Reiner Haseloff vor dem Treffen: "Ein Aufschnüren an einem Punkt würde den mühsam erreichten Kompromiss insgesamt wieder gefährden."
Für den Bund wird es teuer, so viel ist klar. Zu teuer, sagen die Kritiker aus Wirtschaft und Politik. Einwände kommen sogar aus den eigenen Reihen der Regierungsparteien. Der Wirtschaftsflügel der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag warnt vor einer "teuer erkauften, klimapolitischen Symbolpolitik" und liegt damit auf einer Linie mit der Oppositionspartei FDP.
Planwirtschaft statt Marktwirtschaft
Die Freien Demokraten sprechen von einem "planwirtschaftlichen Irrweg", der den Steuerzahler bis zu 80 Milliarden Euro kosten werde. "Der Weg soll nicht mehr die indirekte Steuerung über Markt und Preis sein, sondern der direkte Eingriff in die wirtschaftliche Freiheit", kritisierte FDP-Chef Christian Lindner am Donnerstag im Bundestag.
Die von der Kohlekommission gefundene Lösung sei zu teuer und für das Klima unwirksam. Statt sich einseitig auf den Energieträger Kohle zu konzentrieren, brauche man beim Klimaschutz international abgestimmte Lösungen. Die FDP-Fraktion setzt daher auf einen verstärkten europäischen Emissionshandel. "Wir müssen dem CO2 einen Preis geben und es dort einsparen, wo es günstig ist", sagt Lindner.
Wer soll für den Ausstieg zahlen?
Auch die Wirtschaft warnt vor zu hohen Kosten und hat dabei in erster Linie sich selbst im Blick. Ein steigender Strompreis würde viele Unternehmen überfordern, gibt der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK), Eric Schweitzer, zu bedenken. "Es geht um ein gesamtgesellschaftliches Ziel. Deshalb muss die Gesellschaft auch die Kosten bezahlen, und das im Wesentlichen über Steuern", fordert Schweitzer in einem Zeitungsinterview.
Diese Rechnung kann Bundesfinanzminister Olaf Scholz aber nur bedingt nachvollziehen. Zusätzliches Geld will er jedenfalls nicht bereitstellen. Die veranschlagten 40 Milliarden Euro sollten aus den laufenden Etats der Bundesministerien geleistet werden. "In den Haushalten haben wir hohe Investitionsmittel vorgesehen, die sich beispielsweise in den Etats des Verkehrs-, des Wirtschafts-, des Wissenschafts- oder des Bauministeriums befinden", sagte Scholz dem Handelsblatt.
Eine Aussage, die bei Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Haseloff nicht gut ankommt. Das Geld sei dringend nötig, so Haseloff: "Woher der Bund das Geld für die von ihm geforderte Politik nimmt, ist zweitrangig." Angela Merkel versuchte am Abend, die Wogen zu glätten. Der Kohleausstieg sei "eine riesige Aufgabe". Die Bundesregierung werde die damit verbundenen Kosten sehr sorgfältig prüfen. Es gebe eine "gesamtgesellschaftliche Verantwortung". Dieser wolle die Regierung nachkommen.