Ärger über Kompromiss der Kohlekommission
29. Januar 2019Als am Samstag der Abschlussbericht der Kohlekommission veröffentlicht und in ganz Deutschland von einem historischen Tag und Kraftakt gesprochen wird, organisiert David Dresen schon die erste Demonstration gegen die Empfehlungen. "Enttäuschung über den Bericht trifft es nicht so richtig", erklärt der Pressesprecher des bundesweiten Bündnisses "Alle Dörfer bleiben": "Ich bin eher wütend. Und zwar extrem wütend." Dresen lebt mit seiner Familie in Kuckum in der Nähe des Braunkohle-Tagebaus Hambach.
"Unsere Forderung, der klare und verbindliche Erhalt aller Dörfer, ist nicht explizit geregelt", kritisiert Dresen. Für den jungen Lehrer heißt das: weiterkämpfen. Am 23. März wollen die Dorfbewohner im sogenannten Rheinischen Revier, die von einer Abbaggerung betroffen sind, in einem Sternmarsch für den Erhalt der Dörfer auf die Straße gehen.
Anwohner David Dresen: "Bis zum Schluss gegen eine Umsiedlung wehren!"
Ausstieg aus der Kohle bis 2038, 40 Milliarden Euro für den Strukturwandel in den nächsten 20 Jahren für die betroffenen Regionen, Entschädigungen für die Kohlekraftwerke - in vielen Punkten sind die Empfehlungen der Kohlekommission sehr deutlich. Nicht so bei den Dörfern, denen eine Umsiedlung droht. Hier "sollen die Landesregierungen mit den Betroffenen in einen Dialog treten, um soziale und wirtschaftliche Härten zu vermeiden". Eine Aussage, die viel Interpretationsspielraum lässt. Dresen legt es so aus: "Wir werden uns bis zum Schluss gegen einen Umzug wehren!"
14.000 Quadratmeter groß ist der Bauernhof von Dresens Familie, auch die Großeltern leben dort. Der Vorschlag des Energiekonzerns RWE: Umsiedlung in ein Haus mit 2000 Quadratmetern Fläche im Nachbarort. "'Gebt uns genau das, was wir jetzt haben, haben wir gesagt. Aber dieses Angebot mit 12.000 Quadratmetern weniger ist ein großer Witz!" Mit Demonstrationen will das Bündnis "Alle Dörfer bleiben" weiter Druck auf die Politik machen, Vorbild sind die Kundgebungen für den Erhalt des Hambacher Forstes. "Der Vorschlag von RWE ist keine Verhandlungsbasis. Wir sind nicht die Bittsteller, sondern die Opfer. Das Mindeste, was uns zusteht, ist das, was wir jetzt schon haben", fordert David Dresen.
Energiekonzern RWE: "Signifikanter Stellenabbau droht!"
Die Bewohner der Dörfer, denen wegen der Nähe zum Braunkohle-Tagebau immer noch eine Umsiedlung droht, sind nicht die Einzigen, die mit den Empfehlungen der Kohlekommission alles andere als zufrieden sind. Auch der Energieriese RWE hatte sich industriefreundlichere Vorschläge erhofft und spricht von "gravierenden Folgen für das Braunkohle-Geschäft von RWE". Zwei Tage später legt der Konzern nach, RWE-Chef Rolf Martin Schmitz geht in die Offensive: "Wir rechnen mit einem signifikanten Stellenabbau bereits bis 2023, der weit über die bisherigen Planungen und das durch normale Fluktuation Mögliche hinausgeht."
Ansonsten hält sich RWE bedeckt. Zum Thema Hambacher Forst, dessen Erhalt die Kommission als "wünschenswert" bezeichnet, sagt Schmitz nur so viel: "Wir werden prüfen, was sinnvoll machbar ist unter Berücksichtigung der Erfordernisse der weiteren Nutzung des Tagebaus und der Rekultivierung". Was umständlich klingt, bedeutet ganz einfach: RWE will erst einmal hören, was die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen vorschlägt. Schmitz: "Ich gehe davon aus, dass man das Gespräch dazu mit uns suchen wird."
Umweltschützerin Antje Grothus: "Ein erster wichtiger Schritt für den Umweltschutz!"
Antje Grothus hat anstrengende Tage hinter sich. Die Umweltschützerin war Mitglied der Kohlekommission, ist in den letzten Wochen beinahe täglich zwischen dem Braunkohlerevier in Nordrhein-Westfalen und Berlin gependelt. Grothus kämpfte für die Interessen der Menschen in der Region, die so früh wie möglich aus der Kohle aussteigen wollen. Die Mühen haben sich am Ende für sie gelohnt. "Ich kann diesen Kompromiss mittragen, weil es ein erster wichtiger Schritt für den Umweltschutz ist."
Es sei ein historischer Tag gewesen, findet Grothus, "weil wir die Blockadehaltung der Bundes- und Landesregierung in Sachen Kohleausstieg endlich durchbrechen konnten!" Mit 27:1 Stimmen segnete das Gremium den 136 Seiten langen Abschlussbericht ab. Grothus musste hart mit sich ringen, denn es sei "kein großer Wurf, den es eigentlich gebraucht hätte, um die Klimaziele zu erreichen." Doch die Umweltschützerin stimmte am Ende dem Kompromiss zu - vor allem weil der Hambacher Forst erhalten werden soll.
Ein Erhalt des Waldstückes sei "wünschenswert", empfiehlt die Kohlekommission. Antje Grothus hat diese Formulierung sofort hinterfragt. "Es wurde mir versichert, dass es keinen Unterschied macht, wie formuliert wird, ob es heißt: 'Ist erforderlich' oder 'wünschenswert'. Es hat alles die gleiche Relevanz!"
Doch der Umweltschützerin ist auch klar, dass in dem Bericht nur Empfehlungen stehen. Ist das letzte Wort beim Hambacher Forst also noch nicht gesprochen, wird das Waldstück vielleicht doch noch abgeholzt? Grothus pocht darauf, dass Nordrhein-Westfalen und Deutschland es mit dem Kohleausstieg ernst meinen: "Wenn man einmal Hand an den Hambacher Forst legen würde, dann würde das eine Radikalisierung der ganzen bürgerlichen Menschen in der Bewegung bedeuten. Das kann kein politischer Vertreter wollen!"