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Politik

Die Angst der Syrer vor ihren Diplomaten

Kersten Knipp | Jefferson Chase | Imane Mellouk
18. Dezember 2018

Subsidiär geschützte Flüchtlinge müssen Ausweispapiere in ihrer jeweiligen Botschaft beantragen. Das gilt auch für Syrer. Doch viele fürchten den Gang dorthin. Die Regelung nutzt vor allem der syrischen Regierung.

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Syrischer Pass
Bild: picture-alliance/dpa/M. Balk

Dima A.* ist ratlos. Die syrische Botschaft will die junge Frau nicht betreten. Seit drei Jahren lebt die Syrerin in Deutschland, wo sie subsidiären Schutz genießt. Nun ist ihr Reisepass abgelaufen. Den neuen muss sie mit ihrem subsidiären Status in der syrischen Botschaft beantragen.

Davor habe sie Angst, sagt Dima im Gespräch mit der DW. "Denn erstens bin ich Kurdin, und zweitens habe ich direkt nach Beginn der Revolution als Aktivistin an Demonstrationen und Sitzstreiks teilgenommen." Wiederholt sei sie festgenommen worden, so die junge Frau. Auch sei sie vom Regime immer wieder verfolgt worden.

Aus diesem Grund will sie sich nicht in die Botschaft begeben. "Ich habe mich mit der Botschaft zwar in Verbindung gesetzt, allerdings nicht persönlich. Stattdessen habe ich jemand anderes gebeten, das für mich zu tun." Sie habe gefragt, ob es möglich wäre, den Reisepass per Post oder auf eine andere Art verlängern zu lassen. "Das hat man abgelehnt. Man sagte mir, dass meine persönliche Anwesenheit für diesen Vorgang unabdingbar sei."

Die Einschätzung des Bundesinnenministeriums

Wie Dima geht es derzeit vielen der rund 400.000 mit subsidiärem Status in Deutschland lebenden syrischen Flüchtlinge. Sie müssen fürchten, in ihrer Heimat bei einer Rückkehr festgenommen zu werden, auch wenn sie wie Dima lediglich friedlich gegen die Regierung Assad protestiert haben. Ausgenommen von dieser Regelung sind diejenigen Flüchtlinge, die einen Schutzstatus nach der Genfer Flüchtlingskonvention erhalten haben.

Syrien l Alltag in Damaskus l Banner mit Präsident Al-Assad in Douma
Allgegenwärtig: Syiens Präsident Baschar al-Assad, Bild: Reuters/M. Djurica

Die Syrer fallen unter die generelle Auffassung des Bundesinnenministeriums (BMI), der zufolge subsidiär geschützten Flüchtlingen zugemutet werden kann, nötige Ausweispapiere bei der jeweiligen Botschaft ihres Landes zu beantragen oder verlängern zu lassen. Daran hatten sich bis auf Berlin alle Bundesländer gehalten. Der Berliner Senat hielt die Vorgehensweise generell für unzumutbar, schloss sich nun aber der allgemeinen Vorgehensweise an.

An der Rechtsauffassung des BMI hingegen habe sich in den vergangenen Jahren nichts geändert, erklärt das Ministerium auf Anfrage der DW. "Nachdem eine Ungleichbehandlung von syrischen Staatsangehörigen mit subsidiärem Schutzstatus zwischen den Ländern bundesweit aufgefallen war, hatte das BMI die Länder im Frühjahr dieses Jahres gebeten, sich einer einheitlichen und rechtskonformen Verfahrensweise anzunehmen. Die Prüfung der Zumutbarkeit der Passbeschaffung muss demnach immer im Einzelfall erfolgen und darf in dieser Fallkonstellation nicht generell ausgeschlossen sein. Der Prüfungsmaßstab der Passbeschaffung für syrische Staatsangehörige mit subsidiärem Schutzstatus wurde somit nicht verschärft und entspricht inzwischen auch bundesweit der geltenden Rechtslage."

Zuvor hatte das Auswärtige Amt in einem Lagebericht zu Syrien gewarnt, zurückkehrende Flüchtlinge müssten mit Haft oder willkürlicher Folter rechen. Sie würden "innerhalb der besonders regimenahen Sicherheitsbehörden [...] als Feiglinge und Fahnenflüchtige" gelten. Schlimmstenfalls gelten sie "als Anhänger von Terroristen" und seien immer wieder "einer Gefahr für Leib und Leben" ausgesetzt.

Syrien Luftangriffe in Aleppo
Schrecken de Krieges: Szene aus Aleppo im November 2017Bild: picture-alliance/abaca/E. Karaca

Kritik an derzeitiger Regelung

Kritiker halten diese Regelung für unzumutbar. Die syrische Botschaft in Berlin arbeite eng mit dem syrischen Geheimdienst zusammen, sagt Jens-Martin Rode von "4syrebellion", einer Berliner Gruppe syrischer und nicht-syrischer Aktivisten, die sich für Menschenrechte in Syrien einsetzen. Das habe Konsequenzen: "Bei jedem Vorgang in der Botschaft findet eine Sicherheitsüberprüfung in Damaskus statt."

Problematisch sei zudem, dass der syrische Staat für die Ausstellung eines zwei Jahre gültigen Passes offiziell mehr als 245 Euro verlange. "Diese Kosten fließen natürlich in bar direkt an den syrischen Staat. Wenn man von rund 400.000 Syrern mit subsidiären Schutzstatus ausgeht und den Betrag hochrechnet, dann kommen im Laufe der Jahre dreistellige Millionensummen zusammen." Hinzu komme ein weiteres Problem: Viele syrische Flüchtlinge hätten in Deutschland zwar Arbeit gefunden, ein Teil sei aber immer noch auf Transferleistungen durch Hartz IV angewiesen. "Das heißt: Solange die derzeitige Situation in Syrien weiter besteht, werden letztlich deutsche Steuergelder direkt in die Botschaft von Assad getragen - und damit in einen Staat, der aufgrund seiner vielen Verbrechen gegen die Menschlichkeit auf internationalen Sanktionslisten steht."

The War on My Phone (1)

"4syrebellion" und andere den syrischen Aufstand unterstützenden Gruppen haben in einem Offenen Brief an den Berliner Innensenator Andreas Geisel auf einen weiteren Punkt aufmerksam gemacht: "Alle persönlichen Angaben werden in Datenbanken über Oppositionelle, ihre Angehörigen und ihr Eigentum in Syrien gespeichert. Viele Geflüchtete haben gute Gründe, dem Assad Regime nicht mitzuteilen, wo sie sich aufhalten - auch aus Sorge um in Syrien verbliebene Angehörige. Mit der Aufforderung, den Reisepass zu erneuern, werden ihre persönlichen Daten zwangsläufig aufgedeckt."

Fatima D.* lebt seit vier Jahren mit subsidiärem Schutz in Deutschland. Sie hat ihren Pass bereits zweimal in der Botschaft verlängern lassen. Angst vor einem Botschaftsbesuch habe sie nicht, erklärt Fatima. "Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) hat mich aufgefordert, das zu tun. Und so lange ich in Deutschland bin, gehe ich davon aus, dass man mir nicht den Kopf abschneiden wird."

Die flüchtlingspolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, Luise Amtsberg, kritisierte die Regelung hingegen scharf. "Es kann nicht sein, dass deutsche Behörden die Sicherheit eines Schutzsuchenden unnötig gefährden und zusätzlich die Finanzierung eines Terrorregimes in Kauf nehmen."

*Name von der Redaktion geändert.

DW Kommentarbild | Autor Kersten Knipp
Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika