Deutschlands Vorzeigeathletin
10. Februar 2014Olympiasieger zu werden, ist für die meisten Sportler das Größte überhaupt. Doch was passiert eigentlich, wenn man es dann ist? Dann bricht etwas über denjenigen oder in diesem Fall diejenige herein, was man durchaus einen Orkan nennen kann. Auch im Fall von Maria Höfl-Riesch. Journalisten, Kamerateams, Offizielle, Fans, Autogrammjäger, Funktionäre und Freunde stürzten der frischgebackenen Superkombinations-Olympiasiegerin entgegen, jeder wollte etwas von ihr. Dabei war Höfl-Riesch, für die solche Situationen nicht wirklich neu sind, emotional noch gar nicht richtig in der Lage, all die Fragen und Glückwünsche anzunehmen. "Ich kann es noch gar nicht glauben. Es ist so überwältigend", stammelte Höfl-Riesch ins Mikro des ZDF und kämpfte dabei sichtar mit den Tränen.
Goldenes Karriereende?
Kein Wunder, denn hatte sie gerade eine echte Zitterpartie hinter sich. Als Fünftletzte startete sie nach einer für sie nicht optimal gelaufenen Abfahrt in den Slalomparcours. Als sie nach exakt 50.90 Sekunden ihren Körper über den Zielstrich warf, hatte sie geschafft, was sie wollte. "Es war mein ganz großes Ziel, dass, wenn ich unten bin, grün leuchtet (Grünes Licht bedeutet Bestzeit, Anm. d. Red.). Dann wusste ich, die Chancen auf eine Medaille sind sehr groß, weil die nach mir mit Ausnahme von Tina Maze im Slalom eher schwächer sind. Es kam so, und ich war erleichtert", freute sich Höfl-Riesch im ZDF-Interview. "Aber Gold zu gewinnen, ist so toll, und danke an alle, die mich unterstützt haben. Das ist wie im Märchen."
Märchenhaft liest sich auch ihre Erfolgsbilanz: Dreifache Olympiasiegerin, zweifache Weltmeisterin, 27 fache Weltcupsiegerin - und deutsche Fahnenträgerin in Sotschi. Der deutsche Sport hatte sich schon vor den Spielen vor ihr verneigt, nun werden die Lobeshymnen noch etwas lauter. DSV-Alpindirektor Wolfgang Maier jubelte, dass Höfl-Rieschs Sieg "extrem viel Druck von ihr und der ganzen Mannschaft" nehme, und auch DOSB-Präsident Alfons Hörmann fiel "ein Stein vom Herzen". Manches Lob klingt aber auch nach einem verfrühten Abgesang auf ihre Karriere - schließlich deutet vieles darauf hin, dass sie ihre Laufbahn schon im Frühjahr beenden wird, wenngleich sie betont, dass das letzte Wort noch nicht gesprochen ist. "Ich hoffe, unabhängig von Erfolgen oder Misserfolgen, dass ich dann spüren werde, ob es weitergehen soll oder nicht", sagte sie vor den Spielen in Sotschi.
Eine Bilderbuchkarriere
Begonnen hat alles vor 26 Jahren: Mit gerade mal drei Jahren steht Maria Höfl-Riesch zum ersten Mal auf Skiern. Zwei Jahre später wird sie Mitglied im SC Partenkirchen. Seitdem gehören die zwei Bretter fest zu ihrem Leben. Als sie bei den Schülermeisterschaften Zweite wird, schaut auch der DSV genauer auf das schnelle Mädchen und nimmt die 14-Jährige in seinen C/D-Kader auf. Sie arbeitet hart, gewinnt diverse Titel bei den Junioren-Weltmeisterschaften und darf bald auch im Weltcup antreten. Bis heute hat sie dort beeindruckende 26 Siege errungen, 79 Mal stand sie auf dem Podest - so oft wie keine andere deutsche Läuferin. Zwei Mal wird sie Weltmeisterin, 2009 und 2013.
Ihre größten Erfolge aber feiert sie vor vier Jahren in Vancouver: Zwei Mal Olympia-Gold in der Super-Kombination und im Slalom. Auch in der Abfahrt, im Super-G und im Riesenslalom schneidet sie gut ab - und ist am Ende die erste Starterin bei Olympischen Winterspielen, die es in allen fünf alpinen Wettkämpfen unter die Top zehn schafft. Später wird sie dafür als Sportlerin des Jahres 2010 ausgezeichnet. Maria Höfl-Riesch ist mit 26 Jahren auf dem Höhepunkt ihrer Karriere.
Fast vergessene Tiefen
Eine lange Liste von Erfolgen, die fast schon vergessen macht, dass sie auch Tiefen durchlitten hat - ein besonders tiefes Loch Ende 2005. Im Dezember stürzt sie beim Riesenslalom von Aspen und verletzt sich schwer am linken Knie: Kreuzbandriss, Meniskusschaden, Knorpelverletzung, Knochenstauchung. Die Saison ist für sie vorbei und damit auch der Traum von der ersten Teilnahme an Olympischen Spielen, 2006 in Turin. "Damals wusste ich nicht, ob ich meinen Beruf je wieder ausüben kann," sagt sie heute. Doch sie kann. Wie besessen trainiert sie in der Reha, und schafft schon im nächsten Winter ein beeindruckendes Comeback: Platz eins im ersten Weltcup-Rennen. "Ich habe einfach an mich geglaubt, an das, was ich kann, und wie eine Wahnsinnige geschuftet. Ich wusste, dass das die einzige Chance ist, wieder den Anschluss an die Weltspitze zu finden."
Mit dem "Schinderheini" ganz nach oben
Längst ist sie dort wieder angekommen, kann gleich nach den Medaillen in Vancouver auch den Gesamt-Weltcup gewinnen. Und trotzdem ist sie in letzter Zeit mit ihren Leistungen nicht zufrieden. Gegen die alles überragende Slowenin Tina Maze hatte auch Maria Höfl-Riesch in der vergangenen Saison kaum eine Chance.
In der Vorbereitung auf den nächsten Winter sucht sie deshalb nach neuen Trainingsansätzen - und findet Heinrich Bergmüller, unter den Skirennläufern besser bekannt als der "Schinderheini". Maria Höfl-Riesch lernt schnell, warum: "Es war das härteste und brutalste Training, das ich je gemacht habe." Wochenlang setzt Bergmüller sie auf ein Fitness-Bike, später kommen Kraft- und Stabilisierungsübungen hinzu, oft fünf bis acht Stunden am Tag. Ein maßgeschneidertes Programm nur für Maria Höfl-Riesch, abgesegnet vom DSV. Und die Schinderei im Fitnessraum zahlt sich aus: Ihre Laktatwerte sind gut, Höfl-Riesch hat zu Saisonbeginn vier Kilogramm an Muskelmasse zugenommen und sagt: "Körperlich fühle ich mich so fit wie nie."
Abschiedsstimmung und Zukunftspläne
Trotzdem verspürt sie gleichzeitig eine große Müdigkeit. Immer schwerer fällt es ihr im Sommer, ihre Skier aus dem Keller zu holen, der Sonne in Deutschland den Rücken zu kehren und auf den schneebedeckten Gletschern der USA oder Neuseelands zu trainieren. Endgültig entschieden, sagt sie, habe sie sich noch nicht. "Aber wenn es in Sotschi extrem gut läuft, dann wäre das schon ein guter Zeitpunkt zum Aufhören." Gesagt, getan?
Und sie hat auch schon Pläne für die Zeit danach: "Ich hätte Lust, etwas mit Mode und Kosmetik zu machen", verrät sie der DW noch vor den Olympischen Spielen. Sie denke da an eine eigene Haar- und Körperpflegeserie. Im Februar schon soll eine "Maria"-Schmuckserie in die Läden kommen. Gehen ihre Pläne auf, würde sich nach dem Karriereende wohl doch nicht alles in ihrem Leben ändern: Zumindest auf die Kameras und das Blitzlichtgewitter müsste Maria Höfl-Riesch dann nicht verzichten.