Der Präsident will nicht gehen
11. Juli 2014Rafael Correa nennt sein politisches Programm "Staatsbürgerliche Revolution". Es ist seine Version des "Sozialismus des 21. Jahrhunderts", den sein politischer Freund und Mentor Hugo Chávez ausgerufen hatte. Bisher war Correa nicht so radikal wie Chávez. Doch nun streben er und seine Regierung eine Verfassungsänderung an, die stark an die Machtpolitik des verstorbenen Venezolaners erinnert.
Gleich 17 Artikel hat sich der zuständige Ausschuss des Regierungsbündnisses "Alianza País" (AP) aus diversen, vor allem linksgerichteten Parteien vorgeknöpft. Darunter finden sich weniger brisante Punkte wie die Senkung des Mindestalters für eine Präsidentschaftskandidatur von 35 auf 30 Jahre. Aber es sind auch sensible Vorschläge dabei, die den Einfluss des Militärs vergrößern und den von Medien und Bürgern verkleinern dürften.
Besonders kontroverse Diskussionen entbrennen derzeit aber über den Wunsch Correas, den Passus zu streichen, der die Amtszeit von Personen in politischen Ämtern auf zwei aufeinander folgende Legislaturperioden begrenzt. Das würde also nicht nur ihn selbst betreffen, sondern zum Beispiel auch Bürgermeister und Präfekten von Provinzen.
Partei will eigene Verfassung ändern
Dabei hatte Rafael Correa immer wieder betont, dass er 2017 nicht mehr zur Wahl stehen würde. Sein glaubwürdigstes Argument dabei: die Verfassung selbst. Denn die stammt aus der Feder der AP, jenes Parteienbündnisses, das Correa um sich geschart hatte und mit dessen Unterstützung er die Präsidentschaftswahlen 2006 gewann.
Im September 2008 wurde das Werk in einer Volksabstimmung angenommen. Correa ließ sich daraufhin erneut zum Präsidenten wählen. Da er der erste Amtsinhaber und unter der neuen Verfassung war, galt diese als seine erste Legislaturperiode. 2009 trat er das Amt an und wurde 2013 darin bestätigt. Damit wäre Ende 2016 Schluss, und Correa müsste sein Amt einem Nachfolger überlassen. Doch das will weder er, noch seine AP.
Eine Gefahr für die Demokratie
Das, sagt der Politologe Santiago Basabe von der Lateinamerikanischen Fakultät für Sozialwissenschaften in Quito, wäre - unabhängig von der Person Rafael Correa - eine Gefahr für die Demokratie des Landes: "Eine Demokratie lebt davon, dass die Politik aus verschiedenen Richtungen beeinflusst wird. Deshalb ist ein Machtwechsel von Zeit zu Zeit in einer Präsidialrepublik wie Ecuador unerlässlich."
Dabei betont er den Unterschied zu parlamentarischen Demokratien: In Deutschland oder Spanien etwa wird der Regierungschef von der Legislative, dem Parlament, eingesetzt und kann jederzeit abgesetzt werden; er ist aber nicht Staatsoberhaupt und hat nur in manchen Fällen den Oberbefehl über die Streitkräfte.
Der ecuadorianische Präsident ist - wie die Mehrheit seiner Amtskollegen auf dem amerikanischen Kontinent - Staatsoberhaupt, Regierungschef und Oberbefehlshaber in einem. Er wird vom Volk gewählt und kann erst zum Ende einer Legislaturperiode abgewählt werden. "Eine solche Akkumulation von Macht führt - besonders über einen langen Zeitraum - zu ungleichen Chancen bei den Wahlen, weil der Präsident ja die Ressourcen des Staates für sich nutzen kann", ergänzt Basabe.
Machtmensch Correa
Dass er dazu bereit ist, zeigt Correa nun mit seinem Vorstoß, die Verfassung zu ändern. Seine Chancen sind sehr gut. Das Verfassungsgericht muss bis zum 28. August entscheiden, ob die Entscheidung beim Parlament liegt oder ob es einer Volksabstimmung bedarf. Basabe glaubt, dass sich das Gericht im Sinne des Präsidenten für eine Parlamentsabstimmung entscheiden wird. Dort wäre ihm die Zwei-Drittel-Mehrheit gewiss, denn sein Bündnis "Alianza País" belegt 100 von 137 Parlamentssitzen.
Und die AP braucht Correa mindestens so dringend wie Correa sie. Denn die AP ist eigentlich ein eher loser Zusammenschluss unterschiedlicher Parteien vornehmlich linker Prägung. Und sie beginnt zu bröckeln. Zwei Partner haben die Allianz bereits verlassen: die antikapitalistische Indigenen-Partei "Pachakutik" und die marxistisch-leninistische MPD. "Der Zusammenhalt hängt stark von der Persönlichkeit Rafael Correa ab", sagt der Ecuadorianer Basabe.
Wenn die AP also ihr politisches Projekt fortsetzten will, meint Jonas Wolff vom Leibniz-Institut Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung, braucht sie Correa und muss dessen Wiederwahl ermöglichen: "Mit ihm als Präsidentschaftskandidaten sind die Chancen der Alianza País deutlich größer, über 2017 hinaus an der Macht zu bleiben."
Verfassungsänderung sehr wahrscheinlich
Doch selbst wenn das Verfassungsgericht einen Volksentscheid fordert, um die konstitutionellen Änderungen zu verabschieden, könnte der Coup gelingen. Denn der Präsident ist extrem beliebt. Seit 2006 hat er drei Präsidentschaftswahlen gewonnen - die beiden letzten unter der neuen Verfassung im ersten Wahlgang. 2013 gewann er mehr als 57 Prozent der abgegebenen Stimmen. Das mexikanische Umfrageinstitut Mitofsky kam im April 2014 auf 75 Prozent Zustimmung für Correa in der ecuadorianischen Bevölkerung.
"Diese Regierung hat immer sehr klare Ansagen gemacht und in zentralen Punkten ihre Wahlversprechen umgesetzt", erklärt Jonas Wolff Correas Popularität. Correa ist Ökonom, mit seinen Studienabschlüssen aus Belgien und den USA gilt er als gebildet, eloquent und erfolgreich: "In den Augen vieler Ecuadorianer steht ihr Land heute wesentlich besser da als unter den Vorgängern", so Wolff.
Auch Basabe räumt ihm gute Chancen ein: "Viele Ecuadorianer mögen Correa und sie haben die langfristigen Konsequenzen nicht so genau im Blick." Die Verfassungsänderung dürfte also kommen. Und inzwischen schließt Correa eine erneute Kandidatur auch offiziell nicht mehr aus.