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Der Henker und seine Geliebte

André Moeller2. Oktober 2002

"Monster's Ball" hat Marc Forster seinen neuen Film genannt. So nennen auch die Wärter im Süden der USA die letzte Nacht vor der Hinrichtung eines Todeskandidaten, in der dem Todgeweihten nichts verwehrt werden soll.

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Die Film-Story: Leticia Musgrove verliebt sich in den Henker ihres Mannes

Der Afro-Amerikaner Lawrence Musgrove (gespielt von Sean Combs alias Pi Diddy) ist im US-Bundesstaat Georgia zum Tode verurteilt. Von seiner Familie hat er sich bereits verabschiedet. Seine letzte Nacht verwendet er darauf, Bleistiftskizzen anzufertigen. Er porträtiert unter anderem seine Henker: Hank Grotowski (Billy Bob Thornton) und dessen Sohn Sonny (Heath Leager). Die beiden sind Wärter im Todestrakt und überwachen Seite an Seite die Todgeweihten und deren Hinrichtung. Sie sind es auch, die Musgrove am nächsten Tag zur Hinrichtung führen.

Eine Hinrichtung, die detailliert beschrieben wird: Musgrove wird von seinen Henkern auf dem elektrischen Stuhl festgeschnallt. Die Arme werden mit Ledergurten an den Stuhllehnen festgebunden. Eine Metallkappe auf dem Kopf und eine Elektrode an der Wade sorgen dafür, dass der Strom durch den Körper geleitet wird. Damit sie ihre Wirkung nicht verfehlen, hat man ihm zuvor die Haare am Kopf und an den Beinen rasiert. Damit alles "sauber" abläuft, muss sich der Delinquent Windeln anlegen.

"Push the Button!"

Monster's Ball: Hinrichtung
Tag der Hinrichtung

Ein Tuch vor dem Gesicht soll den Anblick für die Zeugen erträglicher machen. Die letzten Worte des Todeskandidaten lauten: "Push the button!" Der Vollstrecker legt den Hebel um. Durch den Stromstoß von mehreren tausend Volt bäumt sich der Körper auf und vibriert heftig. Von den Elektroden an Kopf und Bein sprühen Funken. Unter dem Tuch, das den Kopf bedeckt, steigen Qualmwolken hervor. Ein gequältes Röcheln zeigt, dass der Todeskandidat noch lebt. Der Henker legt den Hebel noch einmal um und jagt einen weiteren Stromstoß durch den Leib des Todgeweihten. Erst nach mehreren Minuten hängt der Körper von Lawrence Musgrove leblos im elektrischen Stuhl.

Quälend lange zeigt Regisseur Marc Forster in "Monster’s Ball", wie der Delinquent bei seiner Hinrichtung leidet. Grotowskis Sohn Sonny wird dieses Erlebnis in den Selbstmord treiben. Aber "Monster's Ball" ist kein einfacher Film gegen die Todesstrafe. Er ist auch ein Film über Rassismus, Einsamkeit, Selbstmord, Armut und Sexualität. Der Hingerichtete hinterlässt nicht nur seine Frau Leticia, sondern auch den übergewichtigen Sohn Tyrell. Alles, was sonst noch bleibt, ist ein riesiger Schuldenberg; das bescheidene Haus der beiden steht kurz vor der Pfändung. Zu all dem verliert Leticia auch noch ihren Job.

Finger in der Wunde

Monster's Ball: Halle und Billy
Beziehung mit Zukunft?

Als wäre das alles nicht genug, verliert Leticia bei einem Verkehrsunfall auch noch ihren Sohn. In dieser Situation, die scheinbar nicht mehr auswegloser werden kann, begegnet sie Hank Grotowski, dem rassistischen Henker ihres Mannes. Leticia weiß nichts von ihrer schicksalhaften Verknüpfung mit diesem Mann, und er weiß es ebenso wenig. Trotzdem mündet die Begegnung der beiden in eine leidenschaftlichen Liebesbeziehung. Ob diese Beziehung eine Zukunft hat, bleibt bis zum Schluss des Films die spannende Frage.

"Monster’s Ball" ist ein über weite Strecken beklemmender Film, der die Zuschauer nicht zur Ruhe kommen lässt. Der Grund: Während Regisseur Foster eine scheinbar einfache Geschichte erzählt, legt er seine Finger in fast alle Wunden der amerikanischen Gesellschaft. Ob Todesstrafe, Rassismus, Familienkrise, Liebe oder Sexualität: In der Erzählung dominieren eine ganze Reihe gesellschaftlicher Problemthemen.

Rassismus ist gesellschaftliche Realität

Halle Berry bei der Oskarverleihung in Los Angeles
Oscar für Halle BerryBild: AP

Insbesondere der Umgang des Drehbuchs mit dem Thema "Fremdenfeindlichkeit" hat auch die Hauptdarstellerin Halle Berry von dem Filmprojekt überzeugt. "In der US-Gesellschaft sind Veränderungen zwar deutlich zu erkennen. Ich begegne aber immer noch offener Fremdenfeindlichkeit", beschreibt Berry die gesellschaftliche Realität in ihrem Land. Sie selbst sei in ihrem Leben schon häufiger als "Nigger" bezeichnet worden. Auch habe sie sich wegen ihrer Hautfarbe eine Karriere als Schauspielerin lange Zeit nicht vorstellen können. Umso glücklicher war sie, als sie im März 2002 mit dem Oscar als "Beste Schauspielerin" ausgezeichnet wurde. Bezeichnend, dass sie nicht nur die erste, sondern auch die einzige Afroamerikanerin in der 73-jährigen Oscar-Geschichte ist, die diesen Titel erhielt.

Der neue Film von Marc Forster startet in Deutschland am 5. September 2002.