Der Geheimdienstcoup des Jahrhunderts
12. Februar 20201970 unterzeichneten Vertreter von BND und CIA in München einen streng geheimen Vertrag, der sie zu Partnern in einer Operation machte, die die CIA später als den "Geheimdienstcoup des Jahrhunderts" bezeichnen sollte. Der BND nannte die Operation "Rubikon", beim CIA lautete der Deckname "Minerva". Die ganze Geschichte dieser dreisten Aktion enthüllten das Zweite Deutsche Fernsehen ( ZDF), die "Washington Post" und das Schweizer Fernsehen im Februar 2020.
Gegenstand der deutsch-amerikanischen Geheimdienstpartnerschaft war die Schweizer Firma Crypto AG, einer der weltweiten Marktführer für Verschlüsselungstechnologie. Aufgebaut hatte sie Boris Hagelein, der sich seit den 1930er Jahren mit der Kunst der Verschlüsselung beschäftigte. Staaten überall auf der Welt kauften in der beschaulichen Alpenstadt Zug ihre Chiffriermaschinen und statteten damit ihre Botschaften, Behörden und Regierungseinrichtungen aus. Bis zu 200 Mitarbeiter produzierten und verkauften die Maschinen in mehr als 120 Länder. Sie alle sollten betrogen werden.
Wie im Film: Bargeldübergabe in der Tiefgarage
Nicht einmal die Mitarbeiter wussten, dass ihre Firma zwei Geheimdiensten gehörte. Über BND-Kontakte zu Siemens und einer Anwaltskanzlei in Lichtenstein wurden die wahren Besitzer der Crypto AG getarnt. Den Profit teilten sich BND und CIA, allein im Jahr 1975 waren das 51 Millionen Schweizer Franken. BND-Mitarbeiter sollen der CIA ihren Anteil bei streng geheimen Treffen in Tiefgaragen in bar übergeben haben.
Zu den Kunden der Crypto AG gehörten unter anderem der Iran, Saudi-Arabien sowie südamerikanische und afrikanische Staaten. Nur die Sowjetunion und China kauften nie bei der Crypto AG. Ab 1970 feilten BND- und CIA-Experten im Geheimen an den Verschlüsselungsmechanismen der von der Crypto AG produzierten Chiffriermaschinen mit. Und sorgten so dafür, dass ihre operativen Kollegen später die verschlüsselte Kommunikation knacken konnten.
Zum Beispiel 1989, als die USA in Panama einmarschierten, wussten sie dank der Operation "Minerva", dass sich der gesuchte Diktator Manuel Noriega in der vatikanischen Botschaft in Panama Stadt aufhielt. Denn auch der Vatikan vertraute auf die Maschinen der Crypto AG. Als US-Präsident Ronald Reagan 1986 nur einen Tag nach der Explosion einer Bombe im Westberliner Club "La Belle" mit drei Todesopfern und mehr als 200 Verletzten öffentlich verkündete, die USA habe unwiderlegbare Beweise dafür, dass das libysche Regime unter Muammar al-Gaddafi dahintersteckte, verdankte er seine Information der abgehörten Kommunikation aus der libyschen Botschaft in Ostberlin. Auch deshalb sprach der ehemalige Geheimdienstkoordinator im Bundeskanzleramt Bernd Schmidbauer davon, "Rubikon" habe dazu beigetragen, die Welt sicherer zu machen.
Über Folter und Staatsstreiche stets im Bilde
Doch wie so oft in der Geheimdienstwelt war dies nur eine Seite der Medaille. Denn BND und CIA hörten auch mit, als südamerikanische Diktaturen folterten und mordeten, als Staatsstreiche geplant und Massaker begangen wurden. Ob diese Information je an die Bundesregierung und das Weiße Haus gelangten, ist unklar. 1981, als Großbritannien im Falklandkrieg gegen Argentinien kämpfte, leiteten BND und CIA den Briten die abgehörte Kommunikation der Argentinier weiter. Auch EU- und NATO-Staaten wie Italien, Spanien oder Irland wurden in der Operation "Rubikon" abgehört.
Diese Spionage unter Freunden prangerte der BND bei seinen amerikanischen Partnern immer wieder an. Doch erst 1993 beendete der BND auf Druck der Bundesregierung die Operation "Rubikon". Ein Jahr zuvor war Hans Bühler, der im Iran für die Crypto AG Chiffriermaschinen verkauft hatte, in islamischen Republik wegen Spionage verhaftet worden. Bühler wusste von nichts, doch die misstrauischen Iraner hielten ihn fast ein Jahr unter widrigen Umständen gefangen. Zuviel für Deutschland, der BND verkaufte seine 50 Prozent der Crypto AG an die CIA. Diese löste die Firma erst 2018 auf. Da war die Firma schon lange kein Marktführer mehr und die US-Geheimdienste bereits im Geschäft mit digitalen Kommunikationsanbietern.