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Glaube

"Demut Christi": Theologen-Brief an Kardinal

3. Februar 2019

In einem Offenen Brief an den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz sprechen sich neun Theologen und Politiker für Reformen in der Katholischen Kirche aus. Unter anderem fordern sie die Aufhebung des Zölibats.

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Polen Kardinal Marx zu Besuch in Danzig
Bild: Imago/ZUMA Press/M. Fludra

Mehr Demut und zugleich mehr Toleranz. Das sind die Aufforderungen, die eine Reihe bedeutender Theologen in einem Offenen Brief an Reinhard Kardinal Marx, den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, erhoben haben. "Binden Sie sich selbst durch echte Gewaltenteilung - das passt besser zur Demut Christi und in den Rahmen der für alle geltenden Gesetze", heißt es in dem in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" veröffentlichten Schreiben. "Bauen Sie die Überhöhungen des Weiheamtes ab und öffnen Sie es für Frauen. Stellen Sie den Diözesanpriestern die Wahl ihrer Lebensform frei, damit der Zölibat wieder glaubwürdig auf das Himmelreich verweisen kann."

Unterzeichnet haben den Brief Ansgar Wucherpfennig, Rektor der Philosophisch-Theologischen Hochschule Sankt Georgen in Frankfurt; der Jesuitenpater Klaus Mertes, der 2010 als Rektor am Berliner Canisius-Kolleg Missbrauchsfälle öffentlich machte; der Frankfurter Stadtdekan Johannes Graf von und zu Eltz, Kritiker des früheren Limburger Bischofs Tebartz-van Elst; Gaby Hagemans, Direktorin der Caritas Frankfurt; Bettina Jarasch, Vorstandmitglied der Partei Bündnis 90/Die Grünen, Claudia Lücking-Michel Vizepräsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken; Dagmar Mensink, Sprecherin des Zentralrats der Katholiken für politische und ethische Grundfragen sowie der katholische Religionsphilosoph Jörg Splett.

"Missbrauch hat systemische Gründe"

Anlass des Briefes ist ein von Papst Franziskus für Ende Februar angesetztes Treffen der Vorsitzenden sämtlicher Bischofskonferenzen, um über Konsequenzen aus den Missbrauchsskandalen der vergangenen Jahre zu beraten.

Die Unterzeichner des Briefes bitten Kardinal Marx, dort den "wichtigsten Ertrag" einer im Herbst 2018 in Fulda vorgestellten Missbrauchsstudie zur Sprache zu bringen: "Missbrauch in unserer Kirche hat auch systemische Gründe. Die Versuchung des Klerikalismus folgt dem Klerus wie ein Schatten. Die Aussicht auf Macht in Männerbünden zieht Menschen aus Risikogruppen an. Sexuelle Tabus blockieren notwendige Klärungs- und Reifungsprozesse."

Deutsche Bischofskonferenz -  Mahnwache sexueller Missbrauch
Seit Jahren anhaltender Protest gegen Missbrauch: Mahnwache aus dem Jahr 2010 Bild: picture-alliance/dpa/R. Haid

Studie zum Missbrauch

Die Studie war im September 2018 vorgestellt worden. Ihr zufolge enthielten die Akten der 27 deutschen Bistümer bei 1670 Klerikern Hinweise auf Beschuldigungen des sexuellen Missbrauchs Minderjähriger - umgerechnet waren dies 4,4 Prozent aller Kleriker. Diese Personen missbrauchten 3677 Kinder, zwei Drittel von ihnen waren Jungen. Gut die Hälfte war beim ersten Missbrauch höchstens dreizehn Jahre alt. Zudem ermittelte die Studie, dass der Anteil von Klerikern mit homosexueller Orientierung signifikant hoch sei. Ein weiteres Ergebnis: Des Missbrauchs wurden erheblich mehr Diözesanpriester als Diakone beschuldigt.  Diakone unterliegen nicht der Verpflichtung zum Zölibat. Die Forscher vermuten zudem, dass die tatsächliche Zahl von Tätern und Betroffenen viel größer war, weil viele Fälle nie aktenkundig wurden.

Abschließend heißt es in der Studie, sexueller Missbrauch sei vor allem auch Missbrauch von Macht. Die Forscher verwiesen auf den "Klerikalismus" als ein "hierarchisch-autoritäres System, das auf Seiten des Priesters zu einer Haltung führen kann, nicht geweihte Personen in Interaktionen zu dominieren, weil er qua Amt und Weihe eine übergeordnete Position innehat". Sexueller Missbrauch sei ein extremer Auswuchs dieser Dominanz. Bei Kirchenverantwortlichen führe ein solches Amtsverständnis dazu, dass sie sexuellen Missbrauch als Bedrohung des klerikalen Systems sähen, Taten vertuschten und Täter deckten. In mehr als der Hälfte der untersuchten Fälle war kein kirchenrechtliches Verfahren eingeleitet worden.

Missbrauchopfer in Deutschland

"Freude am Glauben verkümmert"

Vor diesem Hintergrund appellieren die Unterzeichner an die deutschen Bischöfe, den Diözesanpriestern die Wahl ihrer Lebensform freizustellen - "damit der Zölibat wieder glaubwürdig auf das Himmelreich verweisen kann".

Mit Blick auf den Missbrauchsskandal in der Kirche hatte Marx erst vor Kurzem selbst appelliert, bei dieser Gelegenheit "Verantwortung zu übernehmen". Er sah die Kirche zudem an einem Wendepunkt angekommen.

Die Gruppe der Kritiker plädiert auch für einen "Neustart mit der Sexualmoral",  wozu auch eine "verständige und gerechte Bewertung von Homosexualität" gehöre.

Generell sprechen die Unterzeichner von einer bedrückten Stimmung in den Pfarrgemeinden: "Die Sonne der Gerechtigkeit kommt nicht mehr durch. Unter einem bleiernen Himmel verkümmert die Freude am Glauben."

Infografik Kindesmissbrauch in der katholischen Kirche weltweit DE
DW Kommentarbild | Autor Kersten Knipp
Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika