De Maizière: Es war ein Anschlag
20. Dezember 2016"Wir haben in der Zwischenzeit keine Zweifel mehr, dass es sich bei dem schrecklichen Ereignis am Montagabend um einen Anschlag gehandelt hat", sagte Bundesinnenminister Thomas de Maizière am Dienstag in Berlin. Der Sattelschlepper sei bewusst in die Menschenmenge an einem Weihnachtsmarkt gesteuert worden.
Noch am Montagabend wurde ein Mann festgenommen, der verdächtigt wurde, der Fahrer des Lasters gewesen zu sein. Ein Bürger, der den Weihnachtsmarkt besuchte, glaubte gesehen zu haben, wie ein junger Mann aus dem Laster gestiegen sei und hatte diesen Verdächtigen auf eigene Gefahr verfolgt. Laufend informierte er die Polizei per Mobiltelefon. An der Siegessäule in Berlin griff die Polizei schließlich zu. Doch die Ermittler haben nach Angaben des Berliner Polizeipräsidenten Klaus Kandt keine wirklich belastbaren Beweise gegen den zunächst Verhafteten gefunden. Die Ermittlungen nach einem oder mehreren Tätern dauern daher weiter an. Inzwischen soll sich der sogenannte Islamische Staat (IS) in einem "Bekennerschreiben" zu dem Attentat bekannt haben. Auch diese Meldung ist noch nicht verifiziert, auch wenn diese Meldung von der "Nachrichtenagentur" des IS verbreitet wurde.
Schon am Dienstagnachmittag sagte der Generalbundesanwalt Peter Frank vor der Presse in Berlin, er gehe beim Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt von einem terroristischen Hintergrund aus.
Merkel: "Grausame Tat"
"Wir müssen nach jetzigen Stand von einem terroristischen Anschlag ausgehen", sagte auch Kanzlerin Angela Merkel in Berlin. "Das ist ein sehr schwerer Tag für Deutschland. Merkel sagte in einem Statement, sie denke in diesen Stunden zu allererst an die Toten und Verletzten. Ein ganzes Land sei in Trauer vereint. "Ich denke auch an die Rettungskräfte, Polizisten, Feuerwehrleute, Ärzte und Sanitäter." Sie danke ihnen "von Herzen für ihren schweren Einsatz".
Sie habe großes Vertrauen in die Ermittler, die daran arbeiten, diese Tat aufzuklären, sagte die Kanzlerin. Es sei eine "grausame und unbegreifliche Tat" gewesen, die sie erschüttert habe. Die Tat werde bestraft werden, "so hart es unsere Gesetze verlangen".
Merkel hob aber hervor: "Wir wollen nicht damit leben, dass uns die Angst vor dem Bösen lähmt." Auf Weihnachtsmärkte werde man nicht verzichten. Am Nachmittag besuchte sie zusammen mit de Maizière und Außenminister Frank-Walter-Steinmeier den Tatort am Breitscheidplatz.
In Berlin wurden die Betreiber der Weihnachtsmärkte von den Behörden aufgefordert, die Märkte am heutigen Dienstag aus Rücksicht auf die Opfer und ihre Angehörigen geschlossen zu halten. Der Weihnachtsmarkt an der Berliner Gedächtniskirche, wo am Montagabend ein Lkw in die Menge fuhr, bleibt nach Angaben des zuständigen Bezirksbürgermeisters auch in den nächsten Tagen geschlossen.
Polens Regierungschefin Beata Szydlo nannte den Anschlag eine Tragödie. "Mit großem Schmerz und Trauer haben wir zur Kenntnis genommen, dass das erste Opfer der abscheulichen Gewalttat ein polnischer Staatsbürger war", sagte sie zum Tod eines polnischen Lkw-Fahrers, mit dessen Wagen der mutmaßliche Täter die Bluttat begangen hatte. Es wurde vermutet, dass der Lkw zuvor gestohlen worden war.
Gauck: "Schlimmer Abend"
Bundespräsident Joachim Gauck hatte sich zuvor ebenfalls betroffen geäußert. "Das ist ein schlimmer Abend für Berlin und unser Land, der mich wie zahllose Menschen sehr bestürzt.". Ähnlich äußerten sich Frankreichs Präsident François Hollande, Italiens Ministerpräsident Paolo Gentiloni und EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker.
Russlands Präsident Wladimir Putin bezeichnete den mutmaßlichen Terroranschlag mit einem Lkw auf einem Berliner Weihnachtsmarkt als Verbrechen. Die Tat gegen friedliche Bürger sei grausam und zynisch, schrieb Putin in einem Telegramm an Bundespräsident Joachim Gauck und Bundeskanzlerin Angela Merkel.
Laster raste in Menschenmenge
Der Lastwagen wurde nach Angaben der Polizei am Montagabend gegen 20 Uhr vorsätzlich in die Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarktam Breitscheidplatz gesteuert.
Toter Mann auf dem Beifahrersitz
Auf dem Beifahrersitz des LKW wurde ein toter Mann entdeckt. Bei ihm handelt es sich um einen polnischen Staatsbürger, aber nicht um den Fahrer. Der Lastwagen gehört einer polnischen Spedition und hatte Stahlteile geladen. Der Fahrer war nach Angaben der Spedition seit etwa 16 Uhr nicht mehr zu erreichen gewesen. Wann genau das Fahrzeug gestohlen wurde, ist noch unklar. Inzwischen wurde es zur weiteren Spurensicherung vom Tatort abgeschleppt.
Die Bundesregierung ordnet für den heutigen Dienstag eine bundesweite Trauerbeflaggung an. "Dies geschieht als Zeichen der Anteilnahme nach der Gewalttat auf einem Weihnachtsmarkt in Berlin am gestrigen Abend", teilte das Innenministerium mit.
Sicherheit auf Weihnachtsmärkten erhöhen
Die Innenminister von Bund und Ländern haben sich gegen eine Absage ähnlicher Veranstaltungen in Deutschland ausgesprochen. Dies teilte das Bundesinnenministerium nach einer Telefonkonferenz der Ressortchefs mit. Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Oliver Malchow, sagte dazu im Bayerischen Rundfunk, bei 2500 Weihnachtsmärkten könne es keine hundertprozentige Sicherheit geben.
Die beiden christlichen Kirchen in Deutschland reagierten entsetzt. "Die Nachrichten aus Berlin haben mich tief erschüttert", sagte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx. "Mein Mitgefühl gilt den Angehörigen der Toten und Verletzten." Auch der Vorsitzende des Rats der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, sprach von einer fürchterlichen und sinnlosen Gewalttat. "So viele unschuldige Menschen sind ihr zum Opfer gefallen."
Der Bürgermeister von Nizza verglich den mutmaßlichen Terroranschlag auf einen Berliner Weihnachtsmarkt mit der Todesfahrt eines LKW-Fahrers in Südfrankreich. "Gleiche Vorgehensweise. Gleiche blinde Gewalt. Gleicher Hass auf glückliche Menschen", schrieb Philippe Pradal auf Twitter. Ein Tunesier hatte am französischen Nationalfeiertag, dem 14. Juli, einen Lastwagen in eine Menschenmenge auf der Strandpromenade von Nizza gelenkt und 84 Menschen getötet.
mm/kle (dpa, afp, rtr, dw-tv)