Corona, Krieg und Klimawandel: Wie sich das Reisen ändert
6. Januar 2023Noch ist die Ungewissheit in der Reisebranche groß, was das Jahr 2023 wohl bringen mag. "Aufgrund der Gesamtgemengelage zum aktuellen Zeitpunkt ist es noch schwierig, eine verlässliche Prognose abzugeben", heißt es etwa beim Deutschen Reiseverband (DRV). "Der Krieg in der Ukraine und die damit einhergehende Inflation inklusive der steigenden Energiepreise trüben den Ausblick."
Dazu kommt, dass seit einiger Zeit verschiedene neue Faktoren beim Buchungs- und Reiseverhalten eine Rolle spielen. So hat etwa Corona einige grundlegende Veränderungen mit sich gebracht: "Seit Beginn der Pandemie gibt es einen Trend zur sehr kurzfristigen Reisebuchung", heißt es beim DRV. Schließlich machten die ständig wechselnden Reisebeschränkungen und -bestimmungen längerfristige Planungen lange Zeit unmöglich.
Rahmenbedingungen prägen das Reiseverhalten
Die Faktoren, die Einfluss auf das Reiseverhalten haben, erforscht Professor Ulrich Reinhardt, wissenschaftlicher Leiter der Stiftung für Zukunftsfragen. "Natürlich wird das Reiseverhalten auch immer durch Rahmenbedingungen geprägt, seien es aktuelle, wie die Inflation, Corona und der Krieg in der Ukraine, oder grundsätzliche, wie die Digitalisierung, die Globalisierung oder der Klimawandel." Welche Auswirkung diese Faktoren haben, untersucht die Stiftung in ihrer jährlichen Tourismusanalyse.
"Die Urlaubszeit ist und bleibt für die Mehrheit der Deutschen die schönste Zeit des Jahres", sagt Reinhardt. "Sie steht für Erholung, Entspannung und die Chance, den stressigen Alltag für eine Zeit hinter sich zu lassen." Das Reiseverhalten der Deutschen werde sich in seinem Kern auch weiterhin an dieser Grundidee orientieren, ist er überzeugt.
Die Renaissance des Camping-Urlaubs
Im Zuge der Corona-Pandemie und aufgrund der geltenden Reisebeschränkungen erlebte beispielsweise der Campingurlaub in Deutschland eine "Renaissance", wie Reinhardt sagt, da viele diesen mit Sicherheit, Freiheit und Individualität gleichsetzen. "Aber wir werden deshalb jetzt nicht alle zu Campern." Camping bleibe ein Nischenprodukt genau wie Radfahren, Wandern, Surf- oder Busurlaub. "Auch in Zukunft möchte die große, große Mehrheit im Urlaub am Strand oder Pool liegen, gut essen und sich vom Alltag erholen."
Corona habe aber vor allem ein Thema erneut auf der Prioritätenliste nach oben befördert: "Das Thema Sicherheit ist die neue Grundvoraussetzung auf Reisen, nicht nur in Bezug auf Anschläge und Kriminalität, sondern eben auch bezogen auf die eigene Gesundheit", sagt Reinhardt. "Wir haben durch die Pandemie unsere Freizeitaktivitäten, unser Reiseverhalten und unsere Interaktionen mit anderen stark einschränken müssen – daran haben wir uns zwar teilweise gewöhnt, jedoch bleiben Gemeinschaft und Geselligkeit, Kommunikation und Kontakte mit und zu anderen grundsätzliche menschliche Bedürfnisse, die wir auch und gerade im Urlaub erfüllen wollen."
Ein weiteres Thema prägt zwar immer mehr die öffentliche Debatte, hat aber noch keine Entsprechung in einem deutlich veränderten Reiseverhalten: der Klimawandel. Wolfgang Strasdas etwa, Forschungsleiter des Zentrums für Nachhaltigen Tourismus an der Hochschule Eberswalde, sagt: "Es gibt schon lange ein großes Bewusstsein für Nachhaltigkeit und dieses Problembewusstsein steigt weiter an. Allerdings spiegelt sich das nicht im Reiseverhalten wider." Bei der Buchung komme Nachhaltigkeit als Kriterium meist erst an sechster oder siebter Stelle.
Diskrepanz beim Thema Nachhaltigkeit
Das deckt sich mit den Angaben des Deutschen Reiseverbandes (DRV). "Aktuell ist noch eine gewisse Diskrepanz zwischen dem geäußerten Wunsch nach nachhaltigem Reisen und der tatsächlichen Buchungsentscheidung des Kunden vorhanden", heißt es dort. Es gebe zwar Umfragen, die belegten, dass es etwa 68 Prozent der Menschen wichtig sei, nachhaltig zu reisen, lediglich vier Prozent aber setzten dies dann auch tatsächlich um.
Also geht man beim DRV derzeit davon aus, dass zum Beispiel Fernreisen und auch Kreuzfahrten im kommenden Jahr wieder sehr gut nachgefragt werden – trotz fragwürdiger Klimabilanz. "Schon 2022 waren zahlreiche Fernreiseziele genauso gut oder sogar besser gebucht als vor der Pandemie – etwa die Malediven und die Dominikanische Republik", heißt es.
Und so dürfte es in erster Linie eine Geldfrage sein, wie das Reisejahr 2023 ausfällt. Henrike Beer von der Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen (FUR) konstatiert auf der Grundlage der Reiseanalyse 2022 eine Tendenz zur Sparsamkeit. "Dabei ist die Variante, gar nicht zu verreisen, nur für wenige eine Option", sagt sie. Wer sparen wolle, achte vor allem bei der Wahl des Reiseziels auf die Kosten oder unternehme eben weniger Urlaubsreisen.
Familien setzen verstärkt auf All-Inclusive
Auch beim DRV geht man davon aus, dass die Kunden genauer auf die Preise achten und die Reiseziele entsprechend auswählen werden. Laut DRV zeichnet sich bereits jetzt ab, dass Spanien, Griechenland und die Türkei im kommenden Sommer die gefragtesten Reiseziele sein werden – wie schon im Sommer 2022. Und auch etwas anderes ist deutlich: "Schon jetzt setzen gerade Familien auf Budgetsicherheit und buchen verstärkt All-inclusive-Angebote. Es ist davon auszugehen, dass diese 2023 einen großen Zuspruch erfahren werden." Klar sei aber auch, dass wenn nach Abzug der gestiegenen Lebenshaltungskosten noch Geld im Portemonnaie ist, die Deutschen auch im kommenden Jahr reisen werden. "Davon sind wir überzeugt."