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Computer als Buchstaben-Lehrer

Monika Hoegen8. September 2004

Sie können nicht richtig lesen, nicht schreiben. Doch zu dumm sind Analphabeten keineswegs. Sie haben nur Hemmungen, Kurse zu besuchen. Deshalb lernen sie jetzt per Internet – und das soll international Schule machen.

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Der Griff in die Tasten soll helfenBild: BilderBox

Rund vier Millionen Menschen in Deutschland sind so genannte funktionale Analphabeten. Ihre Schwäche zuzugeben, fällt den meisten schwer: Nur 20.000 der Betroffenen nehmen die Lese- und Schreibkurse der Volkshochschulen bundesweit wahr. Deshalb soll Analphabeten in Deutschland jetzt auf neue Weise geholfen werden: per Internet. Am Weltalphabetisierungstag (8. September 2004) wird dazu eine spezielle Seite freigeschaltet: "Alfa-Portal Literacy Learning", kurz Apoll, heißt das Projekt, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung finanziert wird.

Vorm eigenen PC ist der Druck kleiner

"Das größte Problem eines funktionalen Analphabeten ist es, sich zu outen und überhaupt den Schritt zu machen, in einen Kurs zu gehen", sagt Christian Fiebig, Leiter des Projektes Apoll. "Mit dem E-Learning-Portal haben wir hier die Möglichkeit, dass die Betroffenen anonym lernen können, ohne sich zu outen." Außerdem sollen später 17.000 Übungen im Portal sein, aus denen sich jeder Analphabet seinen persönlichen Plan zusammenstellen kann.

Voraussetzung ist lediglich, dass die Betroffenen die Adresse der Website www.ich-will-schreiben-lernen.de kennen lernen und abspeichern, um sie nicht selbst immer wieder neu schreiben zu müssen. Dort werden sie dann durch ein spezielles Programm geführt, das alle Schritte und Texte, die man anklickt, vorliest.

Lektionen für Behördenbriefe und Bücherlesen

Gefragt wird auf der elektronischen Lernseite nach einer ersten Selbsteinschätzung und es gibt einen Einstufungstest zum Hören. Dann erhält jeder Teilnehmer von dem System sein eigenes Wochenprogramm - und los geht es.

Mit weiteren Hörproben und kleinen Bildern werden erste Schreibübungen gemacht. Das System fragt jeden Teilnehmer auch nach seinem Lernziel: Möchte man für den Umgang mit Behörden fit gemacht werden, irgendwann mal Bücher lesen können oder einfach nur besser im Alltag zurechtkommen?

Lernen jederzeit und mit Lieblingsgschwindigkeit

Der Umgang mit dem Computer stellt nach Fiebigs Erfahrung für viele Analphabeten kein Problem dar: "Der Computer und speziell das Internet sind neue Medien, und unsere Zielgruppe ist diesen gegenüber sehr aufgeschlossen. Und sie haben natürlich die Möglichkeit, die Geschwindigkeit des Lernens und die Zeitintervalle selber zu bestimmen." Allerdings: Die Alphabetisierung allein Zuhause vor dem Computer erfordert viel Selbstdisziplin. Deshalb empfehlen die Fachleute von Apoll früher oder später den parallelen Besuch eines Kurses.

Und wer sind die Menschen, die bereit sind, im Erwachsenenalter noch lesen und schreiben zu lernen? Männer und Frauen hielten sich zahlenmäßig die Waage, berichtet Fiebig. Die meisten seien zwischen 30 und 45 Jahre alt: "Hier beginnt meist das Leid an dem Analphabetismus so groß zu werden, dass man im Beruf nicht mehr weiterkommt, dass man die Schulzeit der Kinder nicht mehr begleiten kann", sagt der Apoll-Chef. Und: "Wir wissen auch, das Analphabetismus vereinsamt" – in der Kurs-Zielgruppe seien 51 Prozent Singles.

Indien hat schon Interesse

Langfristig soll das Internet-Portal Apoll auch ein Deutsch-Lernangebot für Migranten anbieten - für all die Einwanderer, die in ihrer Muttersprache nicht lesen und schreiben können.

Außerdem möchte eine indische Initiative ein ähnliches Angebot machen. Auch das Institut für internationale Zusammenarbeit in Bonn (IZ) denkt über Alphabetisierung per Internet als Projekt für Entwicklungsländer nach. Das könnte der deutsche Beitrag für die Weltalphabetisierungsdekade der Vereinten Nationen sein, die im Jahr 2003 ausgerufen wurde.