Drohender Dammbruch
30. Mai 2008Mit einer Übung bereiten sich die chinesischen Behörden auf eine mögliche Evakuierung von mehr als einer Million Menschen im Erdbebengebiet von Sichuan vor. Eine Sprecherin des Katastrophenschutzes in der Stadt Mianyang erklärte am Freitag (30.05.2008), die dreitägige Übung werde am Samstag beginnen. Sie wies einen Bericht der amtlichen Nachrichtenagentur Xinhua zurück, wonach 1,3 Millionen Menschen bereits angewiesen worden seien, das gefährdete Gebiet unterhalb eines aufgestauten Sees zu verlassen.
"Keine Anordnungen bekannt"
"Nicht alle 1,3 Millionen Menschen werden evakuiert", sagte die Sprecherin. "Die Menschen werden nur evakuiert, falls das Ufer einbricht." Mit der Übung soll sichergestellt werden, dass in einem solchen Fall Anweisungen der Behörden die Menschen schnell erreichen. Nach Angaben der Behörden in der Stadt Mianyang seien allerdings bereits 200.000 Anwohner von erneuten Evakuierungen betroffen. Das Amt bestritt jedoch ebenfalls Berichte, wonach schon 1,3 Millionen Menschen am Freitag an andere Orte gebracht werden sollten. Ihm seien keine entsprechenden Anordnungen bekannt, berichtete ein Mitglied der Stadtregierung.
158.000 Menschen waren schon zuvor aus der Gefahrenzone gebracht worden. Viele der betroffenen Einwohner leben seit dem Erdbeben in Zelten und anderen Notunterkünften. Es wird befürchtet, dass ein natürlicher Damm aus Erde und Geröll, hinter dem sich in Tangjiashan ein großer See gebildet hatte, bersten und eine gewaltige Flutwelle auslösen könnte.
Kampf gegen die Zeit
Hunderte Soldaten bemühten sich fieberhaft, einen Abfluss für den See zu graben. Die Soldaten waren am Freitag mit 40 schweren Maschinen im Einsatz. Heftiger Regen hatte die Bemühungen am Donnerstag behindert, Hubschrauber konnten laut einem Fernsehbericht deswegen nicht mit dringend benötigtem Material zum Tangjiashan starten. Der Regen ließ zudem den Pegel weiter ansteigen. Der See hatte sich gebildet, nachdem ein durch das Beben ausgelöster Erdrutsch einen Flusslauf verstopfte.
Eine Gefahr bargen auch 5000 Tonnen Chemikalien, die an dem See in verschiedenen Firmen lagerten. Die Substanzen, darunter Schwefelsäure und Salzsäure, könnten bei einem Dammbruch weggespült werden und müssten deshalb geborgen werden, schrieb die Zeitung "Xin Jing Bao" am Donnerstag unter Berufung auf die Umweltbehörden. Der Großteil an radioaktivem Material sei dagegen aus der Gefahrenzone gebracht worden. In dem Erdbebengebiet ist das wichtigste Atomwaffen-Forschungslabor Chinas angesiedelt.
Sensationelle Rettungen
Auch zwei Wochen nach dem Erdbeben gibt es noch immer sensationelle Rettungen Überlebender. Die chinesische Armee barg mit einem Hubschrauber aus einem abgelegenen Bergdorf in der Provinz Sichuan 40 Überlebende, die fast verhungert waren, wie die Zeitung "West China Metropolitan Daily" am Donnerstag berichtete. Das Dorf Yangjiagou sei durch Erdrutsche komplett von der Außenwelt abgeschnitten gewesen. Per Hubschrauber brachte die Armee die 40 Überlebenden, die in ihren zerstörten Häusern mit nur wenig Nahrung 16 Tage lang ausgeharrt hatten, in ein nahe gelegenes Lager für Katastrophenopfer. Bei den Geretteten handelte es sich um Dorfbewohner sowie acht Bergarbeiter.
Seit dem Erdbeben ist es den Behörden gelungen, rund 7000 Kinder in Sichuan wieder mit ihren Familien zusammenzubringen, wie Xinhua berichtete. Rund 1000 Kinder seien noch von ihren Eltern getrennt, nach dem Beben vom 12. Mai waren es mehr als 8000. Bei den Behörden seien täglich bis zu 2000 Anfragen für Adoptionen eingegangen, zitierte Xinhua einen Sprecher. Nach neuen offiziellen Angaben kamen bei dem Beben rund 68.516 Menschen ums Leben, 19.350 werden noch vermisst. 15 Millionen Menschen verloren ihre Häuser. (stu)