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Die Krise wird uns noch jahrelang beschäftigen

26. Oktober 2011

Der Deutsche Bundestag hat der Regierung grünes Licht für ihren Euro-Rettungskurs gegeben. Nach einer heftigen Debatte gaben die Parlamentarier der Bundeskanzlerin Rückendeckung für den EU-Gipfel in Brüssel.

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Bundeskanzlerin Angela Merkel umgeben von Abgeordneten im Deutschen Bundestag. (Foto:dapd)
Bild: dapd

Nach ihrer Regierungserklärung wirkte Angela Merkel entspannt wie lange nicht mehr. Verhalten lächelnd saß sie auf ihrem Platz, ganz vorne in der Regierungsbank, sichtlich zufrieden mit ihrer gerade beendeten Rede. 34 Minuten lang hatte die Bundeskanzlerin ein dramatisches Bild von der europäischen Schuldenkrise gezeichnet, die verantwortungslose Haushaltspolitik der Europäer gegeißelt, die möglichen Rettungsmaßnahmen skizziert, weitere Reglementierungen auf den Finanzmärkten sowie Änderungen der Europäischen Verträge angemahnt und die historische Verantwortung der Politik beschworen. Scheitere der Euro, dann scheitere auch Europa – es sei keineswegs selbstverständlich, dass es in Europa ein weiteres halbes Jahrhundert Frieden geben werde, so Merkel.

"Wir alle betreten Neuland. Einfache Lösungen, der eine Paukenschlag, das wird es nicht geben", so die Kanzlerin mit Blick auf die anstehende Erweiterung der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität EFSF. Wichtig sei aber, dass auch der Deutsche Bundestag seine Verantwortung bei der Euro-Rettung übernehme: "Wer immer möchte, dass sich private Gläubiger an der Schuldentragfähigkeit Griechenlands beteiligen, der muss Sorge dafür tragen, dass ein Schutz und eine Abschirmung gegen Ansteckungsgefahren mit beschlossen wird. Alles andere ist grob unverantwortlich", rief die Kanzlerin den Abgeordneten zu. Die hatten allerdings schon vor Beginn der Debatte mehrheitlich signalisiert, dass sie sich auf die Seite der Regierung stellen und eine Ertüchtigung des Euro-Rettungsschirms EFSF mehrheitlich unterstützen würden. Schließlich hatten die Regierungsparteien CDU/CSU und FDP, sowie SPD und Bündnis 90/Grüne den Antrag im Bundestag fraktionsübergreifend gestellt.

Anerkennung für die Griechen

Das hielt die Opposition allerdings nicht davon ab, das Krisenmanagement der Regierung in den letzten Monaten heftig zu kritisieren. Ich hätte viele dieser Sätze gerne schon vor einem Jahr gehört, erwiderte SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier auf die Rede der Kanzlerin. "Zum Beispiel den guten und richtigen Satz über die Anerkennung der Eigenanstrengungen der Griechen. Der wäre vor einem Jahr dringend notwendig in diesem Hause gewesen und auch gegenüber der Öffentlichkeit." Stattdessen habe die Kanzlerin Ressentiments in Griechenland geweckt, mit denen sie jetzt zu kämpfen habe, kritisierte Steinmeier.

Infografik Schuldenkrise in Europa
Die europäische Schuldenkrise wird zum Dauerthema

Seine Fraktion habe lange darüber diskutiert, ob sie sich bei der jetzt anstehenden Abstimmung im Bundestag hinter die Regierung stellen solle, so der SPD-Politiker. Am Ende habe aber die Auffassung gestanden, dass parteipolitische Streitereien angesichts der dramatischen Lage zurückstehen müssten. "Das europäische Projekt steht auf der Kippe und deshalb ist das, was wir im Moment in Brüssel sehen, kein normales Gipfelgeschehen, sondern das ist eine Operation am offenen Herzen und jeder vernünftige Mensch in Deutschland muss hoffen, dass diese Operation gelingt", so Steinmeier.

Kein Wort vom "Hebel"

Auch der Fraktionschef der Grünen, Jürgen Trittin, machte in seiner Rede deutlich, dass die Grünen in der Sache hinter der Regierung stehen. Es habe ihn aber schon gewundert, so Trittin, dass die Bundeskanzlerin in ihrer Regierungserklärung kein einziges Mal den Begriff "Hebel" erwähnt habe. Das sei eine Verschleierungstaktik. Es gehe nicht, die Menschen darüber im Unklaren zu lassen, mit welchen Risiken die Hebelung des EFSF verbunden sei. Die Haftungsobergrenze für Deutschland bleibe zwar gleich, doch das finanzielle Risiko wachse. Die Hebelung sei trotz der Risiken notwendig. Doch die Regierung müsse erklären, warum.

Gregor Gysi, Fraktionsvorsitzender der Partei Die Linke, spricht am Donnerstag (09.06.11) in Berlin im Bundestag. Der Bundestag debattiert am Donnerstag ueber die Energiepolitik. (zu dapd-Text) Foto: Axel Schmidt/dapd
Gysi: Den Menschen die Wahrheit sagenBild: dapd

Der Fraktionschef der Linken, Gregor Gysi, machte dagegen keinen Hehl aus seiner Ablehnung der Euro-Politik der Bundesregierung. Jede Woche werde etwas Neues zur Krise gesagt, so Gysi. Bisher habe es ja auch geheißen, dass doch gar nicht klar sei, ob der Rettungsschirm überhaupt in Anspruch genommen werde. Mit der Ausweitung werde daraus eine zwingende, direkte Zahlung. "Denn es wird den Schuldenschnitt geben und das heißt, dass der Steuerzahler die ersten zwanzig Prozent davon ganz alleine bezahlen wird. Das müssen sie den Bürgerinnen und Bürgern doch mal ganz ehrlich erklären", so Gysi.

Vor einem Schuldenschnitt

Tatsächlich kündigte die Bundeskanzlerin in ihrer Rede an, dass in Brüssel wohl beschlossen werden soll, den Griechen einen nicht unerheblichen Teil ihrer Schuldenlast zu streichen. Das gehe allerdings nicht ohne eine erheblich höhere Beteiligung des privaten Sektors an den Lasten, als das noch im Juli dieses Jahres vorgesehen gewesen sei. Ein Schuldenschnitt alleine löse allerdings nicht alle Probleme. Für die Griechen komme es darauf an, schmerzhafte Reformen durchzusetzen und für die Europäische Union gehe es nun darum, die Verträge so zu ändern, dass der Stabilitätspakt auf ein neues Fundament gestellt wird.

503 von 596 anwesenden Abgeordneten im Deutschen Bundestag stimmten am Ende für die Erweiterung des Rettungsschirms. 89 Parlamentarier votierten dagegen, vier enthielten sich. "Die Welt schaut auf Deutschland und Europa. Sie schaut darauf, ob wir bereit und fähig sind, in der Stunde der schwersten Krise Europas seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs, Verantwortung zu übernehmen", hatte Merkel in ihrer Regierungserklärung gesagt und zudem erklärt, dass das mit der Maximierung der EFSF verbundene Risiko vertretbar sei. Eine kleine Einschränkung, die das Dilemma, in dem die Politik steckt deutlich zeigt, machte sie dann aber doch noch: Eine bessere, eine vernünftigere Alternative liege ihr nach Prüfung aller Möglichkeiten nicht vor.

Autorin: Sabine Kinkartz
Redaktion: Hajo Felten