Bundespräsident trifft Holocaust-Überlebende
22. Januar 2020"Ich will Ihnen versichern, dass wir um die Verantwortung Deutschlands wissen", sagte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in einer Gesprächsrunde in einer Therapieeinrichtung für Holocaust-Überlebende. Er wolle "betonen, dass dies eine Verantwortung ist, die keinen Schlussstrich kennt", sagte Steinmeier. Für ihn als deutschen Bundespräsidenten sei es "eine Ehre, mit den Überlebenden sprechen zu dürfen".
Das Behandlungszentrum der Organisation Amcha in Jerusalem hat sich die psychosoziale Betreuung von Holocaust-Überlebenden und ihren Angehörigen zum Ziel gesetzt. Nach eigenen Angaben hilft sie in Israel jedes Jahr rund 18.000 Menschen, in vielen Fällen geht es um die Behandlung schwerer Traumata. Der Bundespräsident war zu einem zweitägigen Besuch in Israel eingetroffen. Im Mittelpunkt steht die Erinnerung an die Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz vor 75 Jahren.
Polnischer Präsident kritisiert
Überschattet wird die Jerusalemer Gedenkveranstaltung von der Absage des polnischen Präsidenten Andrzej Duda - zum Welt-Holocaust-Forum am Donnerstag in der israelischen Gedenkstätte Yad Vashem werden die Staats- und Regierungschefs von mehr als 30 Ländern erwartet. Die Begründung des polnischen Präsidenten für seine Absage: Er dürfe, anders als der russische Präsident Wladimir Putin, keine Ansprache halten. Ihm die Möglichkeit zu verweigern, die polnischen Holocaust-Opfer zu ehren, komme einer "Verzerrung der historischen Wahrheit" gleich, kritisierte Duda. Dahinter steht ein tiefgreifender Geschichtsstreit zwischen Warschau und Moskau.
Stattdessen darf unter anderem Putin das Wort ergreifen. Der russische Präsident hatte Polen unlängst vorgeworfen, vor dem Beginn des Zweiten Weltkriegs mit Hitler kooperiert zu haben und Mitschuld an dem Krieg zu tragen, was in Polen große Empörung auslöste. Von den sechs Millionen polnischen Toten waren drei Millionen Juden. Zudem plant Polen am 27. Januar eine eigene Gedenkveranstaltung in Auschwitz.
Annäherung Israels an Moskau?
Die israelische Regierung versuchte, ihre Haltung als Neutralität im außenpolitischen Konflikt zwischen Polen und Russland darzustellen. In diesen wolle Israel nicht hineingezogen werden, hieß es aus Regierungskreisen. Diese Sichtweise teilen aber keineswegs alle: Die linke israelische Zeitung "Haaretz" kritisierte, die Haltung Israels könne auch als "stillschweigende Unterstützung" für Putins Geschichtspolitik ausgelegt werden.
Einige Beobachter sehen im Rederecht für Putin in Jerusalem auch ein Zeichen für eine Annäherung Israels an Moskau. Das Forum in Yad Vashem wird unter anderem von Wjatscheslaw Mosche Kantor organisiert, einem Kreml-nahen russischen Milliardär. Zudem setzt Netanjahu demnach bei der anstehenden Parlamentswahl am 2. März auf die Stimmen der aus Russland eingewanderten Israelis.
nob/ww (afp, dpa)