Britische Drohgebärden vor dem Brexit
23. Oktober 2016Das Raus aus der Europäischen Union (EU) haben die britischen Bürger in einem Referendum entschieden, das Wie aus der EU müssen die Politiker verhandeln. Und dabei geht es vor den Verhandlungsgesprächen vor allem um eine gute Ausgangsposition. Die Gespräche werden voraussichtlich im Frühjahr 2017 aufgenommen werden, denn bis dahin will London den offiziellen Austrittsantrag bei der EU eingereicht haben.
Schon jetzt geht die Angst um, dass britische Banken ihre Standorte auf der Insel schließen werden. Der Chef des britischen Bankenverbands, Anthony Browne, rechnet damit, dass wegen des geplanten Brexits bereits vor Weihnachten erste Banken Großbritannien den Rücken kehren werden.
Britische Finanzdienstleister bangen im Fall des "harten Brexits" um das Recht, ihre Produkte innerhalb der EU ohne Weiteres zu verkaufen. Deshalb wird seit Langem spekuliert, sie könnten Teile ihrer Niederlassungen an andere Standorte verlegen, beispielsweise nach Frankfurt am Main.
"Die meisten internationalen Banken haben jetzt Projekt-Teams, die sich damit beschäftigen, welche Maßnahmen sie benötigen, um Kunden weiter bedienen zu können", sagte Browne. Viele kleine Banken planten, die Verlagerungen schon im Dezember zu beginnen. "Bei den größeren Banken wird damit im ersten Quartal nächsten Jahres gerechnet."
Verlockungen für europäische Unternehmen
Laut "Sunday Times" könnte die britische Regierung eine drastische Senkung der Unternehmenssteuer ankündigen, wenn die EU zentrale Forderungen zu Finanzwirtschaft und Handel nicht erfüllen wird. Damit sollten dann Firmen aus der Gemeinschaft nach Großbritannien gelockt werden.
Sollten die EU-Staaten beispielsweise hohe Handelszölle planen, könne Großbritannien seinen maßgeblichen Satz für die Unternehmenssteuer auf zehn von derzeit 20 Prozent kappen. "Wir haben ziemlich gute Karten, die wir ausspielen können, wenn sie uns Schwierigkeiten machen", zitierte das Blatt eine namentlich nicht genannte Person, die mit den Überlegungen der Regierung vertraut sein soll.
"Zeit für neue Abkommen"
Auch der Chef des Münchner ifo-Instituts, Clemens Fuest, wirbt für ein Übergangsszenario. "Ich hoffe, dass alle Seiten zur Vernunft kommen und es zu keinem 'harten Brexit' kommt", sagte er der Deutschen Presseagentur in Berlin. Der Top-Ökonom schlägt eine Übergangsphase nach dem offiziellen EU-Austritt von möglicherweise bis zu zehn Jahren vor, damit Großbritannien nicht plötzlich aus den EU-Binnenmarkt austrete und Zeit bestehe für neue Abkommen. Damit stellt sich der ifo-Präsident gegen die bisherige Linie von EU-Politikern, wonach Großbritannien nur Zugang zum Binnenmarkt behalten solle, wenn das Land weiter die Freizügigkeit für EU-Bürger auf dem britischen Arbeitsmarkt akzeptiere. Das allerdings will London nicht, hatte doch Premierministerin May angekündigt, die Zuwanderung zu begrenzen.
fab/uh (dpa, rtr)