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Politik

Brasiliens Präsident schlägt zurück

21. Mai 2017

Der Korruptionsskandal in Brasilien weitet sich immer mehr aus. Gesprächsmitschnitte belasten den Präsidenten - doch der erklärt sie einfach zur Fälschung. Sein Motto: Angriff ist die beste Verteidigung.

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Krise in Brasilien Michel Temer
Bild: picture alliance/dpa/E. Peres

Der Polit-Krimi in Brasilien geht in die nächste Runde. Nach der Veröffentlichung von Gesprächsmitschnitten, in denen Präsident Michel Temer zu hören gewesen sein soll, wie er Schweigegeldzahlungen anordnete, wehrt sich der Regierungschef.

Die Aufnahmen seien manipuliert, er habe keine Absprachen über Schweigegeld für Ex-Parlamentspräsident Eduardo Cunha getroffen, sagte Temer. Einen Rücktritt - wie von der Opposition, aber auch von einigen Verbündeten gefordert - lehnte er kategorisch ab und forderte stattdessen die Einstellung der Korruptionsermittlungen gegen ihn.

Entscheidung am Mittwoch

Der zuständige Richter, Edson Fachin, erklärte, er werde den Antrag dem Plenum des Obersten Gerichtshofes vorlegen, eine Entscheidung sei am kommenden Mittwoch zu erwarten.

Die Generalstaatsanwaltschaft ermittelt gegen das Staatsoberhaupt wegen Korruption, Behinderung der Justiz und Bildung einer kriminellen Vereinigung.

Gegenangriff des Präsidenten

In einer Stellungnahme drehte der angeschlagene Politiker den Spieß um und griff den Besitzer des weltgrößten Fleischkonzerns JBS, Joesley Batista an, von dem die heimlichen Aufnahmen der Gespräche stammen. Batista habe einen Skandal konstruiert, um sich zu bereichern, teilte Michel Temer mit.

Der Firmenchef habe sich des kriminellen Insiderhandels schuldig gemacht. Temer zufolge hat Batistas Unternehmensgruppe am Tag vor Bekanntwerden des Skandals "eine Milliarde Dollar" gekauft. Als die Mitschnitte öffentlich wurden, lösten sie ein politisches Beben aus und brachten Brasiliens Börse zum Absturz. Unter anderem gab der Leitindex Bovespa um mehr als zehn Prozent nach, die Landeswährung Real verlor massiv an Wert. Dadurch wurde der Kauf von Devisen wie zum Beispiel des Dollars viel teurer als noch am Vortag.

Auch habe JBS am Tag vor den brisanten Enthüllungen massenhaft eigene Aktien verkauft - auch diese verloren durch die Veröffentlichungen stark an Wert. "Er hat uns Brasilianer betrogen und nun lebt er in den USA", sagte Temer in Anspielung darauf, dass Batista Berichten zufolge in seine Wahlheimat New York ausgereist ist.

Politische Klasse diskreditiert

Der Korruptionsskandal in Brasilien schwelt seit Jahren. Neben dem Präsidenten sind auch dessen Vorgänger Dilma Rousseff und Luiz Inácio Lula da Silva, knapp 30 Senatoren und 180 Abgeordnete ins Visier der Ermittler geraten. Über Jahre waren Unternehmen wie JBS, der staatliche Energiekonzern Petrobras und das Bauunternehmen Odebrecht in Schmiergeldzahlungen verwickelt, um bei Aufträgen zum Zuge zu kommen.

JBS-Chef Batista kooperiert "vollumfänglich" mit der Justiz und versorgte sie unter anderem mit Aufnahmen von der Übergabe eines Geldkoffers an einen Vertrauten von Präsident Temer. Beobachter beurteilen die Lage als "zunehmend kritisch" für Temer.

Die politische Krise in Brasilien trifft die neuntgrößte Volkswirtschaft der Welt in einer Phase, in der sie langsam die bisher tiefste Rezession überwindet. Nun droht Beobachtern zufolge eine lange politische Lähmung, was die Finanzmärkte stark beunruhigt. Die politische Klasse ist so diskreditiert, dass auf Demonstrationen sogar verstärkt eine Machtübernahme des Militärs gefordert wird.

Brasilien -  Anti-Regierungsprotest
Demonstration gegen die brasilianische Regierung am 19.05.2017 in Sao PauloBild: picture alliance / NurPhoto

Die Regierungskritiker fordern bei ihren Protesten auch immer wieder sofortige Neuwahlen. Zwei Parteien erklärten bereits den Rückzug aus der Regierungkoalition. Auch der Nationale Rat der Christlichen Kirchen Brasiliens (Conic), dem die katholische und die lutherische Kirche angehören, setzen sich angesichts der Enthüllungen für Neuwahlen des Präsidenten und des Kongresses ein.

mak/se (dpa, epd)