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Politik

BKA-Präsident besorgt über Lage von Kindern

11. Mai 2020

Beengtheit, Isolation, Existenzangst: Stressfaktoren wie diese schaffen psychische Belastungen für Familien. Die Sorge vor einer Zunahme von Gewalt gegen Kinder wächst. Offizielle Zahlen haben ihre Tücken.

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Themenbild Kindesmissbrauch Kinderschutzambulanz (Foto: picture-alliance/dpa/J. Stratenschulte)
Vom Baby- bis zum Teenageralter kommen Kinder wegen der Corona-Pandemie seltener zu Kinderärzten, wo Missbrauch aufgedeckt werden könnteBild: picture-alliance/dpa/J. Stratenschulte

Der Präsident des Bundeskriminalamts (BKA), Holger Münch, ist besorgt über die Lage von potenziell gefährdeten Kindern während der Pandemie, obwohl bei der Polizei nach Auskunft des BKA in der Corona-Krise nicht mehr Hinweise auf Gewalt und Missbrauch in der Familie eingehen als sonst. Diese Daten seien mit äußerster Vorsicht zu interpretieren, sagte Münch. Das Dunkelfeld sei groß und die Auflagen in der Corona-Pandemie könnten dazu beitragen, dass familiäre Konflikte eskalierten. Es sei nicht auszuschließen, dass Isolation und Stressfaktoren wie Beengtheit, Existenzangst oder Spannungen zu einer Zunahme von Gewalt gegen Kinder führe, so der BKA-Chef weiter.

Zugleich seien Kinder weniger im Kontakt mit Menschen wie Erziehern, Lehrern oder Kinderärzten, an die sie sich normalerweise wenden könnten, sagte Münch. Es sei möglich, dass die Corona-Auflagen zu einer Zunahme von Gewalt führten, auch wenn die Polizei dies derzeit aber nicht beobachten könne.

Aufmerksamkeit im Umfeld

Es sei wichtig, dass die Menschen im Umfeld von Kindern trotz physischer Distanz aufmerksam blieben und sich bei einem Verdacht an die Behörden wendeten, sagte Münch. "Auch sexueller Missbrauch ist eine Pandemie, eine Pandemie mit dramatischem Ausmaß", sagte der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig. Er sei in Sorge, dass der Kampf gegen Missbrauch und der Kinderschutz jetzt auf der politischen Prioritätenliste weiter nach unten rutschen werde. Er appelliere an Politik und Gesellschaft, den Kampf gegen sexuellen Missbrauch und Kinderpornografie nicht herunterzufahren, sondern zu verstärken.

 Johannes-Wilhelm Rörig sexueller Missbrauch Beauftragter (Foto: picture-alliance/dpa/W. Kumm)
"Sexueller Missbrauch ist eine Pandemie", sagt Rörig, unabhängiger Beauftragter der Bundesregierung für Fragen des sexuellen KindesmissbrauchsBild: picture-alliance/dpa/W. Kumm

Der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung sagte, die Zahl der Anrufe bei der Hotline seiner Dienststelle sei während der Corona-Pandemie nur leicht gestiegen. Seine Angst und die anderer Kinderschützer schlage sich auch dort statistisch nicht nieder. Rörig erklärte aber, er fürchte, dass viele Kinder nicht anrufen könnten, da sie momentan im Extremfall auch rund um die Uhr mit ihrem Peiniger zusammen seien.

Erfolge bei Pädophilie-Ermittlungen

Münch präsentierte gemeinsam mit Rörig und der Deutschen Kinderhilfe eine Sonderauswertung der polizeilichen Kriminalstatistik mit Blick auf Gewalt gegen Kinder. Demnach ist die Zahl der von der deutschen Polizei bearbeiteten Fälle von Kinderpornografie im vergangenen Jahr um 65 Prozent gestiegen. Im Vergleich zum Vorjahr erhöhte sie sich von rund 7450 auf etwa 12.260 Fälle, wie aus der vorgestellten Sonderauswertung der polizeilichen Kriminalitätsstatistik (PKS) durch die Deutsche Kinderhilfe, das Bundeskriminalamt und den Missbrauchsbeauftragten der Bundesregierung hervorgeht.

Nach Angaben des BKA-Chefs ist der starke Anstieg hauptsächlich auf die gestiegenen "Bearbeitungskapazitäten" bei den Straf- und Justizbehörden der Länder zurückzuführen. Diese hätten sich in den vergangenen Jahren "schrittweise stärker auf das Volumen eingestellt", sagte er in Berlin bei der Präsentation der Ergebnisse. Die PKS verzeichnet Fälle, die von der Polizei ausermittelt und an die Staatsanwaltschaften abgegeben wurden.

Der Auswertung nach hat sich die Zahl der Tötungen von Kindern 2019 auf 112 reduziert (2018: 136). Auch die Zahl der bekanntgewordenen Misshandlungen ist leicht um zwei Prozent gesunken, liegt aber weiter bei mehr als 4.000.

sam/qu (dpa, epd)