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Birkenstock zieht es an die New Yorker Börse

11. August 2023

Demnächst wird es Birkenstock nicht mehr nur als Sandale, sondern auch als Aktie geben. Das deutsche Unternehmen soll bald an der Wall Street gelistet werden und seine europäischen Eigentümer noch reicher machen.

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Birkenstock-Sandalen
Bild: Arno Burgi/picture alliance

Birkenstock ist zwar nicht das deutsche Wort für Sandale, aber es könnte genauso gut sein. Denn auf der ganzen Welt ist der Name zum Synonym für eine Sandale mit zwei Riemen aus Leder und einer Sohle aus Kork geworden. Die Mode ist launisch. Aber Birkenstocks sind zeitlos.

Das 1774 gegründete Unternehmen wurde bis 2013 von der gleichen Familie geführt, bis professionelle Manager kamen und das Unternehmen komplett umstrukturierten. Auch nach diesen Veränderungen war die neu benannte Birkenstock-Gruppe immer noch im Besitz der Gründerfamilie, damals in der sechsten Generation.

Anfang 2021 verkaufte die Familie eine Kontrollmehrheit des Unternehmens an L Catterton, eine private Beteiligungsgesellschaft, an der auch Bernard Arnault und sein Luxuskonglomerat LVMH beteiligt ist. Obwohl keine Einzelheiten bekannt gegeben wurden, wurde berichtet, dass die Beteiligung das Unternehmen mit 4,9 Milliarden Dollar (damals vier Milliarden Euro, heute 4,48 Milliarden Euro) bewertete.

Jetzt, kurz vor seinem 250. Geburtstag, steht dem Unternehmen eine weitere Veränderung bevor. Bereits im September wagt Birkenstock den Sprung aufs Börsenparkett in New York.

Aktuelle Schätzungen bewerten das Unternehmen mit 6 bis 10 Milliarden Dollar (5,45 bis 9,1 Milliarden Euro). Bei solchen Summen wollen die neuen Eigentümer offenbar Kasse machen und an frisches Kapital für künftige Investitionen kommen. Ein Börsengang (IPO) scheint naheliegend, auch wenn dies bedeutet, dass man etwas Kontrolle aufgibt.

Ken und Barbie in rosa Kleidung im rosa Cabriolet im neuen Barbie-Kinofilm
Seit der neue Barbie-Film im Kino läuft, sieht die Welt 'pink' - und Birkenstock ist mit dabeiBild: Warner Bros/Entertainment Pictures/ZUMAPRESS/picture alliance

Immer in Mode

Birkenstock wurde lange Zeit mit Hippies, gesunder Ernährung und sockentragenden Deutschen in Verbindung gebracht. Doch irgendwie haben sie sich zu einem Must-Have für Menschen auf der ganzen Welt entwickelt. Heute werden sie in über 100 Ländern verkauft. Kürzlich arbeiteten sie mit den Luxusmarken Dior, Valentino, Jil Sander und Manolo Blahnik zusammen.

Mehr Menschen, die von zu Hause aus arbeiten, könnten hinter dem Anstieg der Verkaufszahlen von bequemen Schuhen stecken. Und in den letzten Wochen hat Margot Robbies Entscheidung, im Blockbuster Barbie ein rosa Paar zu tragen, der Marke neue Farbe und einen großen Schub verliehen.

Doch ganz gleich, wie Mainstream sie sind, sie sind immer noch ein Statement. Sie sind ein "Anti-Mode-Schuh, der sagt, dass ich mich nicht für Mode interessiere", so Allyson Stewart-Allen, CEO von International Marketing Partners, einer Marketingberatung mit Sitz in London. Was wir tragen, zeigt anderen, wer wir sind und was unsere Werte sind.

Metall-Schnalle einer Sandale mit dem Schriftzug Birkenstock
Birkenstock ist zum Synonym für Sandalen mit Leder-Riemen und Metall-Schnallen gewordenBild: Timothy Rooks/DW

Birkenstock in Zahlen

Auf der deutschen Website reichen die Preise für Herrensandalen von 40 Euro bis zu 260 Euro für ein Paar mit Schaffell-Futter. Kindersandalen beginnen bei 30 Euro. Es gibt sie in einer Vielzahl von Farben und Materialien. Einige sind aus klassischem Leder und Kork, andere sind aus synthetischem Material, wieder andere sind vegan.

Das Unternehmen stellt jedoch mehr als nur Sandalen her. Es produziert auch eine ganze Reihe anderer Schuhe, Stiefel und Turnschuhe. Und mittlerweile bietet Birkenstock auch Socken, Kosmetika und sogar Betten und Matratzen an.

Allyson Stewart-Allen ist darüber nicht überrascht. Birkenstock ist mehr als nur Sandalen, es ist eine Lifestyle-Marke. "Wenn man ein Fan ist, dann ist man ein Fan von dem, wofür die Marke steht, nicht nur von der Funktionalität des Schuhs", so die Branding- und Marketingexpertin gegenüber der DW. Ganz zu schweigen von der Nachhaltigkeit, für die sie stehen.

Es würde sogar Sinn machen, wenn sie sich auf Düfte, Oberbekleidung oder Dienstleistungen wie Touren oder Wanderabenteuer verlegen würden. Schließlich sind sie für ihre Wander- und Outdoor-Aktivitäten bekannt und könnten dies selbst oder durch Kooperationen mit gleichgesinnten Unternehmen nutzen. Aber Allyson Stewart-Allen warnt davor, sich zu weit aus dem Fenster zu lehnen: "Sie sollten bei dem bleiben, was sie gut können und sich nicht ablenken lassen", argumentiert sie, "und sich auf die Herstellung von Schuhen konzentrieren."

Birkenstock-Sandalen in unterschiedlichen Farben an der Wand eines Birkenstock-Messestands
Mittlerweile sind Birkenstock-Sandalen in allen möglichen Farben und Ausführungen zu haben Bild: Soeren Stache/picture alliance/dpa

Bleibt das Unternehmen seinen deutschen Wurzeln treu?

Seit 2014 ist der Umsatz von Birkenstock dramatisch gestiegen. Damals erwirtschaftete das Unternehmen laut dem Statistikdienstleister Statista 273 Millionen Euro. Im Jahr 2020 waren es bereits 730 Millionen Euro. Die neuesten Zahlen, die das Unternehmen vorgelegt hat, weisen für das vergangene Jahr einen Umsatz von 1,24 Milliarden Euro aus.

Solide Produktionszahlen sind schwer zu bekommen, Schätzungen belaufen sich auf etwa 30 Millionen Paar Schuhe pro Jahr. Aber Fakt ist: das Unternehmen baut seine Produktionskapazitäten aus. Im Herbst soll in Pasewalk, einer Stadt nördlich von Berlin nahe der polnischen Grenze, eine neue - 120 Millionen Euro teure - Fabrik eröffnet werden.

Um dieses Wachstum zu unterstützen, hat das Unternehmen seit 2013 rund 3300 neue Arbeitsplätze geschaffen und beschäftigt nun etwa 5500 Mitarbeiter, 95 Prozent davon in Deutschland, wie das Unternehmen mitteilt.

Made in Germany ist für das Unternehmen extrem wichtig. Sogar der Name ist deutsch, sagt Stewart-Allen. Würden die Schuhe woanders hergestellt, würde das die Glaubwürdigkeit des Unternehmens beeinträchtigen. Deutsche Qualität "ist Teil dessen, was Birkenstock verkauft. Sie ist Teil der Marke, sie ist ein integraler Bestandteil."

Eine Sandale wird in einem Birkenstock-Werk in Görlitz von zwei Händen gehalten und an einer Maschine bearbeitet
Das Qualitätsmerkmal 'made in Germany' macht Birkenstock weltweit erfolgreich Bild: Arno Burgi/dpa-Zentralbild/ZB/picture alliance

Herausforderungen für die Zukunft

Auf dem Weg in die Zukunft kann sich das Unternehmen aber nicht nur auf sein Erbe verlassen. Ein großes Problem für das Unternehmen sind billige Nachahmungen, seien es ähnliche Schuhe oder eindeutige Fälschungen.

Ein weiteres Problem ist die direkte Ansprache der Kunden. Derzeit geht ein großer Teil der Produktion an Großhändler, die die Schuhe selbst verkaufen. Birkenstock hat einige Einzelhandelsgeschäfte und verkauft seine Produkte online. Das E-Commerce-Geschäft kann dem Unternehmen Informationen über seine Kunden liefern und den Aufbau von Kundenbeziehungen unterstützen.

Bis jetzt ist der Börsengang noch nicht in Stein gemeißelt. Das Gleiche gilt für die Anzahl der Aktien, die platziert werden sollen, den Zeitplan und den endgültigen Ausgabekurs. Für Birkenstock bedeutet dieser große Geldzufluss, dass das Unternehmen seine Produktionskapazitäten ausbauen, seine Verkaufsstellen erweitern und möglicherweise weitere 250 Jahre bestehen kann. Aber das Unternehmen hat vielleicht nicht mehr die Geduld eines Familienunternehmens für eine langfristige Planung, wenn die kurzfristigen Gewinne so golden schimmern.

Timothy Rooks, Deutsche Welle
Timothy Rooks ist Reporter und Redakteur in Berlin.