Wer ist der neue reichste Mensch der Welt?
21. Dezember 2022Lange ist Elon Musk nicht der reichste Mensch des Planeten gewesen. Nur wenig mehr als ein Jahr stand er an der Spitze der Rangliste der Superreichen - dann wurde er vor einer Woche vom 73-jährigen französischen Milliardär Bernard Arnault abgelöst - jedenfalls nach der einschlägigen Rangliste des Wirtschaftsmagazins Forbes. Am 14. Dezember schätzte man dort sein Vermögen auf 180.2 Milliarden US-Dollar, also knapp 170 Milliarden Euro. Das sind gerade einmal knapp 17 Milliarden Dollar mehr als in den Geldspeichern des Elon Musk vermutet werden.
Arnault ist Mitgründer, Aufsichtsratsvorsitzender und Geschäftsführer von LVMH Moet Hennessy Louis Vuitton, bekannt unter dem Kürzel LVMH. Seine Holding-Gesellschaft ist der größte Aktionär und hält die Mehrheit der Stimmrechte des börsennotierten Firmenzusammenschlusses.
Es ist nicht das erste Mal, dass Arnault als reichster Mann der Welt gelistet wird. Diese Position hielt er für kurze Zeit bereits 2019, 2020 und noch einmal 2021. Sollte Musk Twitter kurzfristig wieder in die Erfolgsspur bringen, würde er auch diesmal den inoffiziellen Titel nicht lange tragen. Dennoch, der Franzose bietet genug Stoff für Legenden.
Im Reich des Luxus
LVMH ist ein in Paris ansässiger Mischkonzern, der aus 75 verschiedenen Firmen besteht, die hauptsächlich mit Getränken, Mode und Kosmetik Geld machen. 2021 bereicherten sie das Konzernvermögen um 64,2 Milliarden Euro - 20 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Mode und Lederwaren standen für fast die Hälfte (48 Prozent) der Einnahmen.
Der Konzern ist die größte Luxuswarenfirma der Welt, beschäftigt mehr als 175.000 Menschen und unterhält 5500 Niederlassungen. Sein Marktwert belief sich laut Schätzungen des Statistik-Portals Statista im November 2022 auf etwa 371 Milliarden Euro und machte das Unternehmen zu einem der werthaltigsten der Welt - noch vor Mastercard, Chevron und Nestle.
Von der Reichenliste abgesehen ist Arnault selbst unauffällig und außerhalb Frankreichs kaum bekannt. Seine Firmen sind allerdings alles andere als unauffällig, unter ihnen Traditionsfirmen wie Bulgari, Dior, Fendi, Givenchy und Louis Vuitton. Hinzu kommen auch Einzelhandelsketten wie Sephora und Firmenläden in Paris. Die älteste Marke des Konzern ist der Weinbaubetrieb Chateau d'Yquem, der im ausgehenden 16. Jahrhundert gegründet worden war.
In Amerika erregte Arnault 2019 Aufsehen mit dem Kauf des berühmten Juweliers Tiffany & Co für fast 16 Milliarden US-Dollar. In Deutschland machte er zwei Jahre später Schlagzeilen, als er einen Anteil am Sandalen-Hersteller Birkenstock erwarb, der ihm eine Stimmenmajorität sicherte, obwohl es alles andere als klar ist, wie er aus dem Schusterbetrieb für bequeme, möglicherweise gesunde, aber auf jeden Fall extrem unelegante Sandalen ein Luxusunternehmen schmieden könnte.
Wie man aus Taschen Milliarden zaubern kann
Arnault wurde in Nordfrankreich, nahe der Grenze zu Belgien geboren. Nachdem er ein Studium an einer Ingenieurschule beendet hatte, trat er in die Firma seines Vaters ein, wo er sich auf die Entwicklung von Immobilienprojekten konzentrierte und bald zum Chef aufstieg.
1984 übernahm er ein Bankrott gegangenes Unternehmen, zu dem Christian Dior und mit Le Bon Marche auch eine Geschäftskette gehörte. Das war sein Vorstoß in den Luxus-Markt. 1987 gründete er mit der weiteren Übernahme von Louis Vuitton und Moet Hennessy den Luxusmarkenkonzern LVMH. Bald brachte er noch andere Unternehmen in den Konzern ein - auch durch feindliche Übernahmen. 1989 wurde er zum Vorstandsvorsitzenden, ein Posten, den er noch heute hält.
Nachdem er zum alleinigen Chef aufgestiegen war, machte er sich auf zu einem langen, mit Milliarden Euro ausgestatteten Einkaufsbummel und saugte dabei eine Firma nach der anderen auf. Viele dieser Firmen waren schlecht geführt und aus der Zeit gefallen. Arnault brachte frischen Wind in die alten Geschäfte, installierte ein neues Management und heuerte junge Designer an.
Breit aufgestellt, aber immer noch exklusiv
Intern nur B.A. genannt, gilt Arnault auch als der Herr der Logos. So hat ihn die Modekritikerin Suzy Menkes 1999 in einem Porträt für die International Herald Tribune genannt. "Sein Ziel ist es, zeitgenössisch und modern zu sein, seine Firmen sprechen eine universelle Sprache", schrieb sie damals. "Arnault besteht darauf, dass Individualität und Einzigartigkeit der Marken zu erhalten höchstes Ziel des Konzerns sei - mit einer stromlinienförmigen Konzernstruktur." Diese Strategie hat jeder einzelnen Marke ein Maß an Unabhängigkeit gelassen, während sie gleichzeitig professionalisiert werden konnten.
Der Konzern ist auf Expansion ausgerichtet, besonders auf dem größten Markt Asien, aber auch in den Vereinigten Staaten und Europa. Seine Hochglanzreklame ist darauf angelegt, junge Käufer anzuziehen und an die Marken zu binden - dazu werden kleinere und billigere Artikel wie etwa Gürtel oder Hüte mit begehrten und bewunderten Logos feilgeboten.
Für genauso wichtig hält Arnault die Möglichkeiten des Internets. Alles ist online verfügbar - auch LVMH selbst, ohne dass die Marke an Exklusivität verliert. Inzwischen haben viele Marken opulente Internet-Auftritte sowie Online-Shops und scheuen sich auch nicht mehr, dort Preise auszuweisen.
Der Zukunftsplan
Heute ist LVMH ein Familienbetrieb. Jedes der fünf Kinder arbeitet in verschiedenen Aufgaben im Konzern. Stets tadellos gekleidet, lebt der Franzose mit dem dichten grauen Haar aber weiterhin sehr zurückgezogen und privat. Auch seine Kollegen reden nicht viel über ihn. Was man weiß: Er ist ein begeisterter Tennisspieler, liebt Musik und sammelt Kunst.
Für einige Jahre gehörte ihm auch das Auktionshaus Phillips de Pury. 2014 wurde in Paris die Foundation Louis Vuitton eröffnet. Das von Frank Gehry gestaltete Museum zeitgenössischer Kunst beherbergt Arnaults eigene Sammlung und soll später der Stadt Paris übereignet werden. Außerdem hat er Millionen für wohltätige Zwecke gespendet und sich am Wiederaufbau der Kathedrale Notre Dame beteiligt.
Die große Frage ist: Was kommt als nächstes? Welches seiner Kinder wird den Konzern übernehmen? Wird es eine Person sein oder werden sie sich die Aufgaben teilen? Ist der Konzern immer noch auf Beutezug? Chanel, Hermes, Armani und einige andere Konkurrenten sind ja auch noch am Markt tätig. Arnaults Strategie, eine familiengeführtes Luxusmarkenimperium zu schaffen hat auch andere inspiriert, wie etwa Richemont oder Kering. Sie mögen LVMH-Konkurrenten sein - aber sie streiten auf einem Gebiet, auf dem Arnault die Regeln geschrieben hat.