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Italien in Aufruhr

Emma Wallis/ Sabrina Papst6. August 2013

Zwingt Berlusconis Strafe von Italiens höchstem Gericht am Donnerstag die italienische Regierung in die Knie? Seine Anhänger sprechen von "Bürgerkrieg", falls Berlusconi keine politischen Ämter mehr ausführen dürfe.

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Der ehemalige italienische Ministerpräsident Silvio Berlusconi winkt seinen Unterstützern während einer Demonstration zu. Seine Freundin Francesca Pascale schaut ihm dabei zu. (Foto: Reuters/ Alessandro Bianchi)
Bild: Reuters

Berlusconi ist ein Meister der Öffentlichkeitsarbeit und das alte Sprichwort, dass schlechte Schlagzeilen besser seien als keine Schlagzeilen, hat sich für ihn bewährt. Die Verurteilung wegen Steuerhinterziehung lässt ihn noch einmal im Mittelpunkt stehen. Es ist das erste Mal, dass der Medien-Mogul und ehemalige Ministerpräsident rechtskräftig für eine Straftat schuldig gesprochen wurde.

Meistens lieferte sein Verlags- und Fernsehimperium in den Sommermonaten Beiträge über berühmte Persönlichkeiten im Bikini oder es ging darum, wer mit wem schläft. Diesen August bestimmt der ehemalige Ministerpräsident selbst die Schlagzeilen und verursacht zudem möglicherweise eine Spaltung der leicht zerbrechlichen Regierungskoalition.

Das Urteil wegen Steuerbetrugs hat ihn nicht hart getroffen: Vier Jahre Gefängnisstrafe, verringert auf ein Jahr, wegen Berlusconis Alter ohnehin zu Hausarrest oder Sozialstunden umgewandelt. Da sein Hausarrest frühestens ab Oktober vollzogen würde, bleibt dem früheren Ministerpräsidenten Zeit, das Land zu durchqueren um sich an seine "Gläubigen" - seine Unterstützer - zu wenden.

"Ein historischer Moment"

Egal ob für oder gegen Berlusconi, viele haben das Urteil als historischen Wendepunkt gesehen. Der Mann, der die italienische Politik seit 1994 wesentlich dominiert hat, soll sich bis Oktober aus allen politischen Ämtern zurückziehen. Diejenigen, die die richterliche Entscheidung lobten, hoffen, dass dies anderen poltischen Protagonisten Auftrieb verleiht.

Demonstranten in Rom protestieren gegen das Gerichturteil gegen Silvio Berlusconi, dabei halten sie Plakate mit der Aufschrift "Forza Silvio" , "Vorwärts, Silvio" hoch. (Foto: AP/ Andrew Medichini)
"Ich bin unschuldig und werde nicht aufgeben", sagt Berlusconi seinen AnhängernBild: picture alliance / AP Photo

Aber für Berlusconi-Anhänger wie Sandro Bondi, den ehemaligen Kultusminister, war das Urteil aus unterschiedlichen Gründen historisch. In einem Brief, den Berlusconis Zeitung "Il Gionale" veröffentlichte, schrieb er wütend, dass das Land "die Beute für wilden Barbarismus sei und jeden Moment explodieren könnte."

"Bürgerkrieg" als Farce

Bondis Rede, in der er einen Bürgerkrieg androhte, entfachte auf Twitter einen Sturm des Protests im Land. Viele Gegner von Berlusconis PDL-Partei amüsierten sich auf Twitter unter dem Hashtag #guerracivile (Bürgerkrieg) darüber, wie sich die PDL-Unterstützer auf eine solche Eventualität wohl vorbereiten würden - durch "Tarnung mit dem Versuch, die Mimik ihres großen Führers nachzuahmen", witzelte einer. "Durch das Umleiten von Busladungen voller Pensionäre von ihren Küstenausflügen um gegen das Urteil zu protestieren", schrieb ein anderer.

Ministerpräsident Enrico Letta (links) schüttelt die Hand mit dem Präsidenten Giorgio Napolitano (Foto: Vincenzo Pinto/ AFP/ Getty Images)
Wird die italienische Regierung auf eine Krise zusteuern, während Berlusconi seine Unschuld beteuert?Bild: VINCENZO PINTO/AFP/Getty Images

Lorenza Bonaccorsi von der demokratischen Partei (PD), deren Vorsitzender, Enrico Letta, Ministerpräsident Italiens ist, nannte Bondis Worte eine "unakzeptable Provokation". Und der Abgeordnete und Journalist Pino Pisicchio erließ einen warnenden Hinweis: Daran erinnernd, was in der deutschen Weimarer Republik geschehen sei, wo oft Wahlen abgehalten worden seien, bevor sie letztendlich unter Adolf Hitler zusammenbrach, wandte er sich an die Menschen: Sie sollten nicht "mit dem Feuer spielen" und Italiens Demokratie riskieren.

Eine Amnestie oder Straferlass?

Nach dieser Äußerung gab es Gerüchte, dass eine Bewilligung eines Straferlasses für Berlusconi bei Präsident Giorgio Napolitano ersucht worden sei, die ihm erlauben soll, seine politische Karriere weiter zu führen. Es gab Ängste, dass die PDL aus dem Kabinett zurücktreten und damit Italien in eine politische Krise stürzen würde. Aber Berlusconi selbst sagte am Samstag, dass er und die PDL nicht "unverantwortlich" handelten: Sie hätten immer klar unterstrichen, dass "die Regierung fortgesetzt werde" und dass sie sie weiterhin unterstützen würden.

Die linksgerichtete Tageszeitung "La Repubblica" berichtete, dass eine Bitte um einen Straferlass in einem langen Telefonat mit Napolitano ohne Ergebnis verlaufen sei. Stattdessen beschwichtigte Berlusconi lediglich das Staatsoberhaupt, dass er nicht beabsichtige, die Regierung zu gefährden. Außerdem befürchtete er wohl, dass durch andere Schuldsprüche, die ihm noch drohen, die Partei nicht die Zweidrittel-Mehrheit bei der parlamentarischen Wahl gewinnen würde. Das würde eine Amnestieregelung für ihn begünstigen. Stattdessen rief die PDL am Montag erneut zu einer "Reform" des Rechtssystems auf, um das politische Überleben ihres gewählten Oberhaupts zu sichern.

Die Nachtclub-Tänzerin Karima El Mahroug aus Marokko posiert bei einem Fototerminin. (Foto: Reuters)
Auch im Sex-Skandal um die damals Minderjährige "Ruby" droht Berlusconi noch ein UrteilBild: Reuters

"Ein Spiel der Hörigkeit"

Es ist unwahrscheinlich, dass bis zum Herbst wesentliche Entscheidungen getroffen werden. Roberto Fico, ein Abgeordneter der Beppe Grillo Bewegung M5S ("Movimento 5 Stelle"), kommentiert mit einem Lächeln, dass sich die PD und die PDL in "einem erotischen Fesselspiel" befänden, in dem jeder den anderen immer fester einschnürt. Seiner Meinung nach ginge dies so lange weiter, bis "beide Parteien sterben."

Nach einem kurzen Aufenthalt in der sardischen Sonne kann Berlusconi darauf zählen, die Massen weiter mitzureißen - zumindest bis zum Einsetzen des Hausarrests. Eine politische Krise ist bis jetzt vielleicht vermieden worden, aber der Herbst zeigt schon jetzt seine Schatten, und die Möglichkeit einer poltischen Spaltung ist nur einige Monate entfernt.