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Berlin kritisiert afghanische Führung

11. Dezember 2010

Die Bundesregierung ist laut einem Zeitungsbericht unzufrieden mit der Regierungsführung des afghanischen Präsidenten Karsai. Zur Verbesserung der Lage im Lande seien Verhandlungen mit Aufständischen nötig.

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Afghanistans Präsident Karsai trifft bei einem Besuch in Berlin am 27.01.2010 Kanzlerin Merkel (Archivfoto: AP)
Schwierige Partnerschaft: Die Bundesregierung beurteilt die Zusammenarbeit mit Karsai krititischBild: AP

Erstmals präsentiert die Bundesregierung einen umfassenden Fortschrittsbericht über die Lage in Afghanistan. Dieser war von den Parlamentariern angemahnt worden, um eine bessere Entscheidungsgrundlage für die Verlängerung des Bundeswehreinsatzes am Hindukusch zu bekommen. Der Bericht soll den Bundestagsabgeordneten am Montag (13.12.2010) vorgelegt werden.

Am Donnerstag will Außenminister Guido Westerwelle in einer Regierungserklärung für die Mandatsverlängerung werben. Der Bundestag soll dann Ende Januar darüber entscheiden.

Verhandlungen mit Aufständischen gefordert

Die "Süddeutsche Zeitung" (SZ) zitierte bereits am Samstag Einzelheiten aus dem 100 Seiten starken Bericht. Das Papier listet demnach Defizite und Fortschritte bei der Entwicklung in Afghanistan auf. Nicht nur im Hinblick auf die afghanische Führung, sondern auch auf die Lage im Land bezogen. So sei der Bericht gegliedert in die Bereiche Sicherheit, Staatsaufbau und Regierungsführung sowie Wiederaufbau und Entwicklung, schreibt die SZ. Über die Arbeit der internationalen Truppen in Afghanistan heißt es in dem Papier: Mit militärischen Mitteln sei der Konflikt in Afghanistan nicht zu gewinnen. Nötig seien Verhandlungen mit den Aufständischen. Die Voraussetzungen dafür seien geschaffen.

Abzeichen eines Bundeswehrsoldaten in Afghanistan (Foto: AP)
Ab Ende 2011 soll die Bundeswehr aus Afghanistan abziehenBild: AP

Sehr kritisch soll die Bundesregierung die Zusammenarbeit mit Afghanistans Präsident Hamid Karsai beurteilen. "Nach wie vor sind die Fortschritte im Bereich gute Regierungsführung gering", zitiert die "Süddeutsche Zeitung". So soll Karsai etwa Ermittlungen bei Korruptionsvorwürfen mehrfach unterbunden haben.

Bundeswehr-Abzug soll Ende 2011 beginnen

Westerwelle habe bei der Erstellung des Berichts auf eine "ungeschminkte und ehrliche Bestandsaufnahme" gedrungen, heißt es laut SZ im Auswärtigen Amt. Erstellt wurde der Fortschrittsbericht unter Federführung des Afghanistan-Beauftragten der Bundesregierung, Michael Steiner, und unter Mitwirkung von Außen-, Verteidigungs-, Entwicklungs- und Innenministerium.

In dem Fortschrittsbericht nennt die Regierung nach Informationen des Magazins "Focus" auch die von der Opposition für eine Mandatsverlängerung geforderte konkrete Abzugsperspektive. Der Bundeswehr-Abzug aus Afghanistan soll demnach Ende 2011 beginnen: "Im Zuge der Übergabe der Sicherheitsverantwortung beabsichtigt die Bundesregierung einzelne nicht mehr benötigte Fähigkeiten - soweit die Lage dies erlaubt - ab Ende 2011/2012 zu reduzieren", zitiert das Blatt aus dem Bericht. In dem Papier soll aber auch erwähnt sein, dass die Bundeswehr über das Zieldatum des Abzugs im Jahr 2014 hinaus noch massive Unterstützung in Afghanistan leisten müsse.

NATO prüft Awacs-Entsendung

Bundeswehrsoldaten vor einem Sarg eines gefallenen Kameraden am 15.04.2010 (Foto: AP)
Bundeswehrsoldaten erweisen gefallenen Kameraden die letzte Ehre (Archivbild)Bild: AP

Die Bundesregierung wird möglicherweise bald entscheiden müssen, ob sie Bundeswehrsoldaten für einen Awacs-Einsatz in Afghanistan zur Verfügung stellt. Das NATO-Hauptquartier hat einen Brief von ISAF-Chef David Petraeus erhalten, in dem dieser Aufklärungsflugzeuge des Bündnisses anfordert, wie ein NATO-Vertreter der Nachrichtenagentur Reuters bestätigte. "Es wird jetzt geprüft, welche Wünsche erfüllt werden können." Gegebenenfalls werde die NATO die 28 Mitgliedsstaaten um Beiträge bitten. Deutschland stellt rund ein Drittel der internationalen Besatzungen der Awacs-Flugzeuge.

Dem Bundesverteidigungsministerium liegt nach Angaben eines Sprechers kein offizieller Brief vor. Das Magazin "Der Spiegel" hatte zuvor berichtet, die Internationale Schutztruppe (ISAF) werde 100 Bundeswehrsoldaten anfordern. Bisher übernehmen die USA die Überwachung des Luftraums über Afghanistan mit eigenen Awacs-Maschinen. Sollte die NATO Deutschland tatsächlich um Hilfe bitten, stünde die Bundesregierung vor einem Problem: Sie bräuchte ein neues Mandat des Bundestages, denn das bisher bestehende Mandats, das im Januar verlängert werden soll, deckt den Einsatz nicht ab. Außerdem müsste die Finanzierung des Awacs-Einsatzes geklärt werden.

Merkel fordert breite Unterstützung der Auslandseinsätze

Ein Awacs-Flugzeug auf dem NATO-Stützpunkt Geilenkirchen Foto: AP)
NATO stellt Anfrage auf Awacs-EntsendungBild: AP

Kanzlerin Angela Merkel rief die Bundesbürger unterdessen dazu auf, die Soldaten und Polizisten im Auslandseinsatz so breit wie möglich zu unterstützen. Sie leisteten einen wichtigen Dienst für Deutschland und begäben sich dabei oft in große Gefahr, mitunter sogar in Lebensgefahr, sagte Merkel in ihrer wöchentlichen Videobotschaft im Internet. Sie erinnerte auch an die acht Soldaten, die in diesem Jahr in Afghanistan getötet wurden.

Am kommenden Mittwoch will Merkel Angehörige von Soldaten und Polizisten, die im Auslandseinsatz sind, im Kanzleramt empfangen. Sie wolle mit ihnen auch über die Einsatzbedingungen im Ausland und über die Sorgen und Nöte der Familien daheim sprechen, kündigte sie an.

Zahlreiche Tote und Verletzte bei neuen Anschlägen

Bei Anschlägen in Afghanistan sind an diesem Wochenende wieder zahlreiche Menschen getötet oder verletzt worden. In Kundus im Norden Afghanistans, wo auch die Bundeswehr stationiert ist, wurden vier einheimische Soldaten und vier Zivilisten bei einem Selbstmordanschlag verletzt. Nach Angaben des stellvertretenden Polizeichefs de Provinz raste der Attentäter in einem mit Sprengstoff beladenen, gestohlenen Polizeifahrzeug in einen Armee-Kontrollpunkt in Schahar Dara.

Im südafghanischen Kandahar wurden vier Polizisten und zwei Kinder verletzt, als auf dem Parkplatz einer Polizeizentrale eine Autobombe explodierte. Bereits am Freitagabend waren bei einem weiteren Anschlag in Südafghanistan mindestens 15 Zivilisten getötet worden. Ein Sprengsatz explodierte an einer Straße in der Provinz Helmand, als gerade ein Lastwagen mit Zivilisten vorbeifuhr.

Autorin: Ursula Kissel (rtr, afp, dapd)
Redaktion: Gerhard M Friese