Berlin im Zentrum des jüdischen Sports
29. Juli 2015Der Erfolg ist schon da, bevor die ersten Wettkämpfe ausgetragen werden. Es ist spürbar an diesem Abend in der großen Open-Air-Anlage der Berliner Waldbühne, in der die Eröffnungsveranstaltung zu den European Maccabi Games 2015 stattfindet. 36 Sportlerdelegationen aus aller Welt laufen ein, mit wehenden Fahnen. Die Augen der jungen und alten Athleten leuchten, als sie die steilen Stufen herunterkommen. Zuerst die Teilnehmer aus Israel und zum Schluss die Deutschen in einem Meer aus Schwarz-Rot-Gold.
Sie sind wieder da, die jüdischen Sportler. Hier auf dem Gelände des Olympiastadions, hier, wo 1936 die Nazis ihre olympischen Spiele abgehalten haben. Neun Tage können die Sportler nun diese neue Normalität im Wettstreit feiern. Die Wettkämpfe in Berlin sind die größten, seit es diese Art jüdischer Sportveranstaltungen gibt. 2300 Athleten sind gekommen.
Mit den jüdischen Sportlern freut sich auch Joachim Gauck. "Maccabi is coming home", rief der Bundespräsident den Sportlern und Fans auf den Rängen zu. Gauck betonte die historische Bedeutung der Spiele für Deutschland und die Juden in aller Welt. "Ich empfinde es als bedeutungsvoll, dass Sie sich diesen Ort ausgesucht haben und bin sehr bewegt, dass dieses Land und diese Stadt nun diese jüdischen Spiele sehen werden."
Schon zuvor auf einer Gedenkveranstaltung auf dem Maifeld des Olympiageländes hatte der Präsident des Jüdischen Weltkongresses, Ronald Lauder, es einen "Sieg des Guten über das Böse" genannt, dass die Spiele hier stattfinden. "Denjenigen, die meinen, das sei nicht der richtige Platz für die Spiele, sage ich: genau hier, in diesem Stadion müssen sie sein!", sagte Lauder.
Ein Fest für Juden und Sportbegeisterte
Der historische Moment ist auch bei den Zuschauern des Eröffnungs-Spektakels zu spüren. Halbrechts vor der Bühne sitzt Leslie Weissberg mit ihrem Mann Erik. Die beiden sind aus München gekommen, um die Maccabi-Spiele anzuschauen. "Maccabi-München ist ein starker Verein und durch meinen Mann sind wir mit der israelitischen Kultusgemeinde sehr stark verknüpft und so sehen wir uns auch als Teil der ganzen Sache", sagt sie. Sie findet es wichtig, dass sie hier Stellung beziehen nach allem, was im Holocaust passiert ist. Ihr Mann nickt. "Ich finde es wahnsinnig schön, dass es hier stattfindet und bin froh, dabei sein zu dürfen." Die beiden haben sich am Morgen schon das Basketballspiel Israel gegen die USA angesehen und als nächstes wollen sie beim Training der Dressurreiter vorbeischauen. "Wir kucken einfach mal, was wir schaffen", freut sich Leslie Weissberg.
Auch die 16-jährige Monika freut sich, "dass es solche Wettkämpfe nur für jüdische Sportler gibt". Sie ist mit ihrem Opa zur Feier gekommen. Er, der vor 20 Jahren aus der Ukraine emigriert ist, findet, dass das hier die wichtigste Veranstaltung in Deutschland seit dem 2. Weltkrieg ist.
Für Alon Meyer, den Vorsitzenden von Maccabi-Deutschland stellen die jüdischen Spiele in Berlin den Beginn einer neuen Zeitrechnung dar. Er sagt das mit Blick auf die deutsche Delegation, die mit 365 Sportlern das mit Abstand größte Kontingent stellt und in allen Disziplinen antritt. "Ich sehe, dass diese jungen Menschen ein neues deutsch-jüdisches Selbstverständnis in sich tragen. Weg von einem in sich gekehrten hin zu einem modernen und frischen jüdischen Leben in Deutschland." Meyers Stimme bebt vor Begeisterung. Er und die Helfer in seinem Verband mussten viel Überzeugungsarbeit leisten, um die Spiele nach Berlin zu holen. Meyer, dessen Eltern und Großeltern vor den Nazis nach Palästina geflohen waren, will der Welt damit auch zeigen, was sich im Land der Täter verändert hat. "In diesem Land werden das Miteinander und Toleranz groß geschrieben", ruft er den Besuchern und Sportlern zu.
Maccabi-Bewegung mit Ursprung in Deutschland
Für viele Aktivisten der jüdischen Sportbewegung schließt sich an diesem Abend ein Kreis – die Heimkehr, von der Gauck gesprochen hat. Vor 112 Jahren wurde in Berlin der Vorläufer der Maccabi-Bewegung gegründet. Sie hat ihre Wurzeln in der zionistischen Bewegung gegen Ende des 19. Jahrhunderts. Deren Begründer Max Nordau propagierte den "Muskeljuden", um der Welt zu zeigen, dass das Bild vom kopflastigen, schwachen Juden verkehrt war. Außerdem dachten die Zionisten daran, dass es gewiss nützlich wäre, junge, durchtrainierte Leute für den Aufbau des neuen Israel zur Verfügung zu haben.
1929 fanden in Prag die ersten europäischen Spiele, die Makkabiade statt. Seit 1979 gibt es die Wettkämpfe im Vierjahresrhythmus, zuletzt trafen sich etwa 2000 Sportler in Rom. Und in zwei Jahren findet wieder die große Makkabiade in Israel statt, bei der sich ebenfalls alle vier Jahre jüdische Wettkämpfer um Medaillen bemühen. Das werden dann allerdings so um die 9000 Sportler sein.
Am Eröffnungstag der XIV. European Maccabi Games sind bereits die ersten Sportler zu Wettkämpfen im Basketball, Hockey, Fußball, Tennis, Volleyball und Futsal – einer Variante des Hallenfußballs – aufeinander getroffen. Ein guter Tag für die deutschen Volleyballer- sie bezwang die israelische Mannschaft mit 4:0. Bis zum 5. August werden in 19 Sportarten 166 Medaillensätze erkämpft. Die Sportveranstaltungen kosten keinen Eintritt, allerdings müssen sich die Besucher auf einen gründlichen Sicherheitscheck einstellen. Bis zu 600 Polizisten sollen für die Sicherheit der jüdischen Athleten sorgen.