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Carson überholt Trump

Spencer Kimball / ch28. Oktober 2015

Er hat sich aus armen Verhältnissen hochgearbeitet, hat keine politische Erfahrung und kontroverse Ideen. Inzwischen gilt der schwarze Neurochirurg Ben Carson als Favorit der Republikaner im Präsidentschaftswahlkampf.

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Carson mit Mikrophon (Foto: "imago/UPI Photo)
Bild: imago/UPI Photo

Ben Carson war der erste und bisher einzige Präsidentschaftskandidat, der Ferguson besucht hat. In dem Vorort von St. Louis im US-Bundesstaat Missouri waren im vergangenen Jahr Unruhen ausgebrochen, nachdem der weiße Polizist Darren Wilson den unbewaffneten schwarzen Teenager Michael Brown erschossen hatte. Ferguson hat die Debatte über das Verhältnis zu Schwarzen, über die Strafjustiz und die Bürgerrechte in den USA neu belebt. Die Republikaner hatten diese Themen weitgehend ausgespart. Carson selbst hat seiner Partei vorgeworfen, schwarze Wähler zu vernachlässigen.

Als der Republikaner im September Ferguson besuchte, kritisierte er die dortige Polizei. Sie habe sich gegenüber der Bevölkerung respektlos verhalten, indem sie Browns Leiche stundenlang auf der Straße habe liegenlassen. Er sagte aber auch, die Schwarzen in Ferguson seien "nicht willens anzuerkennen, dass Michael Brown keine weiße Weste hatte".

Carson kennt sich mit Ungleichheit in Amerika aus. Er wuchs in ärmlichen Verhältnissen bei seiner alleinerziehenden Mutter in der von Gewalt geprägten Innenstadt von Detroit auf. Seine beiden älteren Cousins wurden auf der Straße getötet. Er selbst glaubte, er werde nicht älter als 25.

Seine Mutter, eine Analphabetin, drängte ihn, viel zu lesen. Die Bildung ihres Sohnes war ihr sehr wichtig. Carson wurde ein berühmter Neurochirurg am John-Hopkins-Krankenhaus in Baltimore. 1987 leitete er ein Ärzteteam, das zum ersten Mal siamesische Zwillinge, die am Hinterkopf zusammengewachsen waren, trennte.

In den letzten beiden Präsidentschaftswahlen bekamen die Republikaner jeweils nur einstellige Unterstützungsquoten schwarzer Wähler. Carson hofft, das zu ändern. Doch nach Einschätzung der Politikwissenschaftlerin Prof. Angie Maxwell von der Universität Arkansas haben Barack Obamas Präsidentschaft und Vorfälle wie Ferguson dafür gesorgt, dass schwarze Amerikaner mehr denn je den Demokraten zuneigen.

Redner einer Fernsehdebatte (Foto: Reuters/L. Nicholson)
Ben Carson (links) mit anderen republikanischen Bewerbern in einer FernsehdebatteBild: Reuters/L. Nicholson

Unterstützung durch Graswurzel-Kampagne

Carson trat der Partei der Republikaner erst 2014 bei, nachdem er sich zunächst als unabhängiger Kandidat hatte registrieren lassen. Ein politisches Amt hat er nie bekleidet und stellt diesen Erfahrungsmangel sogar positiv heraus. "Ich bin kein Politiker, und ich will keiner sein", sagte Carson, als er im Mai seine Kandidatur für die Nominierung der Republikaner bekanntgab. "Politiker tun, was politisch opportun ist. Ich möchte das tun, was richtig ist."

Wie auch Donald Trump, profitiert Carson bei der republikanischen Basis von seinem Status als politischer Außenseiter. Während sich die Medien vor allem auf Trump konzentrierten, hat sich Carson still und heimlich an die Spitze der Bewerber gesetzt.

Nach einer landesweiten Umfrage von New York Times und CBS vom Dienstag liegt Carson gegenüber Trump mit vier Prozentpunkten in Führung. In Iowa, der als wegweisender Bundesstaat auf dem Weg zur Nominierung gilt, liegt der Neurochirurg nach einer Erhebung der Monmoth-Universität sogar 14 Prozentpunkte vor dem Immobilienmogul. Als Mitglied der Siebenten-Tags-Adventisten mobilisiert Carson auch weiße Evangelikale, eine der wichtigsten Unterstützergruppen der Republikaner.

"Er spielt die evangelikale Karte viel besser als Trump", sagt Angie Maxwell. "Die Religion ist wahrscheinlich die größte Triebfeder bei den Republikanern. Wenn sonst kein echter Evangelikaler im Rennen ist, hat Carson diese Leute hinter sich."

Durch seine Graswurzel-Kampagne hat er auch beim Eintreiben der Spenden andere Bewerber aus dem Feld geschlagen. Carson hat im dritten Quartal 2015 20 Millionen Dollar hereingeholt, fast doppelt soviel wie Jeb Bush.

Politisch bekannt wurde Carson 2013, als er als Redner beim "National Prayer Breakfast" sprach, einer jährlich in Washington stattfindenden christlichen Veranstaltung, an der auch der Präsident teilnimmt. Nur wenige Meter von Obama entfernt, wetterte Carson gegen Obamas Krankenversicherungsreform. Praktisch über Nacht wurde er zum Liebling konservativer Medien.

Carson mit amerikanischer Flagge (Foto: "Reuters)
Carson hat einen rasanten Aufstieg hinter sichBild: Reuters

Kontroverse Ansichten

In derselben Rede zog Carson auch über politische Korrektheit her und nannte sie "gefährlich" und eine "schreckliche Sache". Mit dem Thema ist er auch in den Nominierungswahlkampf gegangen. Als Kandidat hat er umstrittene Ansichten über Homosexuelle und Muslime von sich gegeben. Als er im September bei dem Sender NBC gefragt wurde, ob der Islam mit der amerikanischen Verfassung vereinbar sei, sagte Carson, er wäre "nicht dafür, einen Muslim an die Spitze dieser Nation zu stellen".

Carson ist auch gegen die Homo-Ehe. In einem Interview mit dem Sender CNN im März meinte Carson, Homosexualität sei Ergebnis einer persönlichen Entscheidung: "Viele Leute, die ins Gefängnis gehen, gehen als Heteros rein, und wenn sie rauskommen, sind sie Homos", sagte er.

2006 sagte er in einer Diskussion mit dem Wissenschaftler und Atheisten Richard Dawkins, er glaube nicht an die Evolution. Der Neurochirurg und tielfgläubige Christ sagte, Darwins Evolutionstheorie sei "ein Werk des Teufels".