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Bei Fußball-Kultur ist Haltung gefragt

Jochen Lohmann
16. Oktober 2018

Max-Jacob Ost ist Moderator des "Rasenfunks", dem Fußball-Podcast des Jahres. In seinen Talksendungen geht es um Sport und Taktik, aber auch Themen wie Doping, Homophobie und Sexismus werden ausführlich besprochen.

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Podcast-Interview von Max-Jacob Ost mit Ex-Bayern München Profi Giovane Elber
Ex-Bayern München Profi Giovane Elber (links) im Gespräch mit Max-Jacob OstBild: Rasenfunk

Erstmals wurde in diesem Jahr ein Fußball-Podcast von der Deutschen Akademie für Fußball-Kultur mit Sitz in Nürnberg ausgezeichnet, die seit 2006 ihre Fußball-Kulturpreise vergibt. Der prämierte "Rasenfunk" überzeugte die Jury mit inhaltlicher und technischer Qualität - und dank seines Moderators. Max-Jacob Ost, ein alleinerziehende Vater von Zwillingen, ist charmant, immer gut vorbereitet und scheut sich nicht, zu gesellschaftspolitischen Themen Stellung zu beziehen.  

DW: Warum sind gesellschaftspolitische Themen auch im Kontext von Fußball-Kultur wichtig?  

Max-Jacob Ost: Ich habe eine politische Haltung, und die verstecke ich auch nicht im "Rasenfunk". Man darf denen, die am lautesten brüllen, nicht jeden Raum widerstandslos überlassen. Ich habe etwas zur ausbleibenden Berichterstattung über die Vergewaltigungsvorwürfe gegen Ronaldo getwittert, und sofort habe ich die Leute bei mir in der Timeline, die mir schreiben, dass der Feminismus das Schlimmste überhaupt ist und dass man sich als Mann nicht mehr sicher fühlen kann. Ich versuche mit den Leuten zu argumentieren, aber wir kommen keinen Millimeter voran, weil ich meine Meinung habe und der andere seine Meinung hat. Aber niemand ist bereit, auch nur einen Millimeter davon abzuweichen.

Max-Jacob Ost und Frank Helmschrott sitzen mit Kopfhörern an einem Kneipentisch (Rasenfunk)
Die Macher hinter dem "Rasenfunk"-Podcast: Max-Jacob Ost (links) und Frank HelmschrottBild: Rasenfunk

Warum haben Sie sich dann entschieden, mit dem Podcasten anzufangen?

Am Anfang war die Unzufriedenheit mit der gängigen für die Massen produzierten Sportberichterstattung. Das war Frank Helmschrott und mir, die wir zusammen den "Rasenfunk" gegründet haben, zu oberflächlich, zu boulevardesk und auch zu begrenzt auf einzelne Vereine. Mich hat es irgendwann einfach frustriert, dass ich zwar in den Zusammenfassungen gesehen habe, dass der FC Augsburg schon wieder die Klasse hält - entgegen aller Erwartungen -, aber so wirklich erklärt wurde es mir nicht. Es spielen ja noch ganz andere Dinge mit rein: die Taktik, ein gutes Nachwuchsleistungszentrum, eine gute Scouting-Abteilung. All das hat eigentlich in der gängigen Berichterstattung keinen Platz gefunden. Wir haben beschlossen, dem etwas Eigenes entgegenzusetzen. Das Medium Podcast hat sich angeboten, weil wir beide sehr Podcast-affin sind und weil wir für einen Blick auf den Fußball viel Zeit brauchen. Ursprünglich war der Plan, einen Spieltag in 60 bis 90 Minuten zu besprechen. Aber es hat sich schnell herausgestellt, dass man dann auch nicht viel tiefer als andere Fußball-Talksendungen geht. So sind wir dann bei den zwei bis zweieinhalb Stunden pro Spieltag gelandet.

Was macht Podcasts so besonders?

Das Medium Podcast hat ein paar Freiheiten mehr als andere Medien. Das führt dazu, dass dort anders über Fußball gesprochen wird als in den sonstigen Medien, die wir aktuell kennen. Podcasts haben zum Beispiel keine zeitlichen Vorgaben. Eine Sendung kann beliebig lang sein. Das reize ich auch im "Rasenfunk" immer wieder aus. Die einzige Beschränkung ist, dass die visuelle Ebene fehlt. Und da hat vielleicht auch schon das Radio die Rezipienten so erzogen, dass wir uns alle inzwischen einzelne Spielzüge oder Situationen im Fußball ganz gut vorstellen können, auch wenn uns das einfach nur jemand erzählt.

Es heißt, die Aufmerksamkeitsspanne der Internetnutzerinnen und -nutzern soll immer kürzer werden. Warum funktionieren dann stundenlange Podcasts trotzdem?

Eine These, die ich dazu habe, ist, dass es ganz verschiedene Nutzungsarten gibt, wie wir digitale Medien konsumieren. Da gibt es den digitalen Alltag, in dem ganz viele Informationen via soziale Netzwerke auf uns einprasseln, wo wir die Empfänger von Nachrichten sind. Da ist die Aufmerksamkeitsspanne sehr gering. Es gibt aber auch Situationen, in denen wir uns auch digitale Inhalte ganz bewusst zu Gemüte führen: ein ePaper einer Zeitung, Netflix oder auch Podcasts. Wir sind zwar Empfänger, aber wir gestalten uns das Programm selbst und lassen es nicht einfach nur passiv auf uns einprallen. Und vielleicht hat man da auch naturgemäß eine ganz andere Aufmerksamkeitsspanne.

Collage von Sport-Podcast-Logos
Es gibt in Deutschland mehr als 160 aktive Fußball-PodcastsBild: Rasenfunk

Was bedeutet die Auszeichnung "Fußball-Podcast des Jahres" der Deutschen Akademie für Fußball-Kultur für den "Rasenfunk"?

Es bedeutet uns sehr, sehr viel. Als die Shortlist mit dem ganzen tollen Teilnehmerfeld bekanntgegeben wurde, hat man sich schon gefragt: Wen davon würde man selbst wählen? Eine undankbare Aufgabe für die Jury, und umso mehr haben wir uns dann gefreut: Es fühlt sich einfach wertschätzend an. Wir haben sehr viel investiert: Zeit, Geld, Nerven und Stress, und wir haben für den "Rasenfunk" auf viele andere Dinge verzichtet. Wenn dann viele Hörerinnen und Hörer den Podcast gut finden und wir dann auch noch einen Preis bekommen, dann ist es einfach ein sehr schöner Moment. Wir haben uns da unglaublich drüber gefreut.

Max-Jacob Ost, Ex-Bundesliga-Profi Ralph Gunesch und Frank Helmschrott
Beim Rasenfunk sind auch immer wieder Fußballprofis zu Gast - wie der Ex-Bundesligaspieler Ralph Gunesch (Mitte)Bild: Rasenfunk

Wer sind die Hörerinnen und Hörer des "Rasenfunk"?

Unser jüngster Hörer ist sechs Jahre alt, und es gibt aber auch einen Ü-70 Club, der den "Rasenfunk" hört. Und das einzige, was alle diese Menschen vereint, ist, dass sie sich so sehr für Fußball und für den Sport interessieren: dass sie tatsächlich so tiefgehende Analysen hören wollen, die vielleicht für manche auch einfach langweilig wären.

Wie wichtig sind soziale Medien für die Bekanntheit Ihres Podcasts?

Unbezahlbar. Ohne soziale Netzwerke wäre der "Rasenfunk" nie so bekannt geworden. Für uns waren soziale Netzwerke immer ganz wichtig, nicht nur um Reichweite zu bekommen, sondern auch um in einen Austausch zu gelangen. Wir versuchen, den Podcast als ein Dialog-Medium zu führen und zwar nicht nur als Dialog mit den Gästen, die eingeladen werden, sondern auch mit den Hörerinnen und Hörern. Wir nehmen das Feedback sehr ernst. Und deswegen fühlt sich das für die Hörer auch anders an als bei "klassischen Medien", wo vielleicht etwas gesichtslose Redaktionen hinter den Twitter-Accounts sitzen. Bei Instagram versuche ich, als Moderator die Hörerinnen und Hörer an jedem Wochenende ein bisschen hinter die Kulissen der Produktion blicken zu lassen. Das schätzen diese offenbar sehr. Viele Leute haben mir inzwischen gesagt, dass ihnen erst, nachdem sie bei Instagram gesehen haben, wie so ein Podcast produziert wird, klar geworden ist, welcher Aufwand dahinter steht.

Technische Abbildung einer Tonabmischung auf dem Compute
Vor jeder Veröffentlichung werden die Tonspuren sorgfältig abgemischtBild: Rasenfunk

Der "Rasenfunk" ist werbe- und sponsorenfrei und es gibt auch keine Paywall. Aber die Hörer nutzen die Möglichkeit, für die Podcastmacher zu spenden. Kann man das eigentlich noch als Hobby bezeichnen, oder ist das jetzt ein Beruf?

Es ist mein Beruf. Seit Anfang dieser Saison mache ich tatsächlich nur noch den "Rasenfunk". Seit der EM 2016 war es im Grunde vom Aufwand her ein Beruf. Da hatten wir angefangen, tägliche EM-Sendungen zu machen. Das heißt, ich musste damals schon alle Spiele der Europameisterschaft sehen und danach hatte es sich auch so etabliert. Danach kam auch sehr viel an Feedback, was ich bearbeiten durfte. Und jetzt, seit Anfang dieser Bundesliga-Saison, versuche ich dann auch für meinen Teil, davon zu leben. Bei Frank Helmschrott, dem Mann für die Technik im Hintergrund, ist es ein bisschen anders. Der verdient auch noch mit anderen Projekten sein Geld.

Das Gespräch führte Jochen Lohmann.