Ein Schritt vorwärts
16. November 2006Der Durchbruch kam vergangene Woche: Russland und die USA gaben offiziell bekannt, dass sich die Chefunterhändler beider Länder auf die Bedingungen für den russischen Beitritt geeinigt hätten. Und am Mittwoch dann (15.11.2006) versicherte US-Präsident George Bush seinem Amtskollegen Putin bei einer informellen Kurzvisite in Moskau persönlich die amerikanische Zustimmung. Unterzeichnet werden soll die Übereinkunft am Samstag, wenn sich beide beim Treffen der Asiatisch-Pazifischen Wirtschaftskooperation (APEC) in Hanoi wiedersehen.
Zähes Ringen um Detailfragen
Details der Einigung sind allerdings noch nicht bekannt. In der "Washington Post" hieß es dazu, Russland habe sich bereit erklärt, seinen Markt für amerikanisches Fleisch und andere landwirtschaftliche Produkte zu öffnen und außerdem zu erlauben, dass sich amerikanische Banken und Versicherungsgesellschaften ansiedeln. Im Gegenzug habe sich die amerikanische Seite bestimmten russischen Lebensmittel-Standards gefügt. Heiß war auch das Thema Produktpiraterie diskutiert worden. Ein besonderes Anliegen der USA - man denke nur an Hollywood oder Microsoft.
Kompliziertes Aufnahmeverfahren
Doch auch wenn die Einigung mit den USA allgemein als letzte große Hürde galt - am Ziel ist Russland noch nicht. "Wenn die bilateralen Verhandlungen abgeschlossen sind, muss Russland zurück auf die multilaterale Ebene", erklärt Jeffrey J. Schott, Handelsexperte am Peterson Institute für International Economics in Washington. Auch dort kämen noch wichtige Detailfragen zur Sprache und: "Jedes Land kann den Prozess blockieren."
In der WTO gilt das Prinzip der Einstimmigkeit. Nach dem offiziellen Antrag auf Beitritt eines Landes, wird eine Arbeitsgruppe gebildet, die allen WTO-Mitgliedern offen steht. Die Arbeitsgruppe begutachtet die bestehenden Handelsregeln des Landes und legt fest, welche Änderungen notwendig sind. Außerdem können Mitglieder der Arbeitsgruppe mit besonderen Interessen bilateral mit dem Beitrittskandidaten verhandeln. Die Ergebnisse beider Phasen werden am Ende zu einem Beitrittspaket geschnürt, das wiederum von der Arbeitsgruppe angenommen werden muss.
Nur Durchschnitt
"So wie der Beitrittsprozess strukturiert ist, dauert er eben sehr lange", erklärt Matthias Lücke vom Kieler Institut für Weltwirtschaft. "Für WTO-Verhältnisse" seien die 13 Jahre, die bisher mit Russland verhandelt werde, gar nicht übermäßig lang, sondern "guter Durchschnitt".
Zumal die WTO auch erst 1995 das Allgemeine Zoll- und Handelsabkommen GATT abgelöst habe: "Beim GATT ging es nur um Warenhandel, die WTO berücksichtigt zusätzlich noch den ganzen Dienstleistungs- und Bankenbereich." Für ein Transformationsland wie Russland kämen da enorm viele Anforderungen zusammen.
Regelverstoß schon vor dem Beitritt
Dass Russland nun angesichts der hohen Anforderungen den Musterknaben gibt, können Georgien und Moldawien freilich nicht gerade behaupten. Seit Monaten blockiert Russland einige ihrer Exportgüter - wie Wein und Mineralwasser. Angeblich aus Hygienegründen, nach Meinung von Beobachtern jedoch wohl eher, um die westlich orientierten, ehemaligen Sowjetrepubliken unter Druck zu setzen.
"Dass Russland in so krasser Weise WTO-Regeln verletzt, erstaunt mich schon", sagt Matthias Lücke. Jeffrey J. Schott meint dazu lapidar, noch sei Russland eben kein Mitglied.
Das kann trotz der erlangten Einigung mit den USA auch noch etwas dauern. Denn zumindest die georgische Regierung in Tiflis hat schon gedroht, den Beitritt zur WTO zu blockieren, wenn Russland nicht einlenkt.