Barmherzigkeit für die Flüchtlinge - und mehr
13. April 2016Es wird eine Stippvisite von knapp fünf Stunden sein. Aber sie soll weltweit Aufmerksamkeit finden. Am Samstag reisen Papst Franziskus und das Ehrenoberhaupt der Orthodoxie, Patriarch Bartholomaios, nach Lesbos. Franziskus schilderte am Mittwoch sein Anliegen bei dieser Reise. Er wolle seine Sympathie und Solidarität ausdrücken "mit den Flüchtlingen und den Menschen auf Lesbos und dem griechischen Volk, das sie so großherzig willkommen heißt", sagte er vor Gläubigen auf dem Petersplatz.
So reist er zum zweiten Mal in seiner gut dreijährigen Amtszeit an einen Ort, der zum Symbol für das Leid von Flüchtlingen auf dem Weg nach Europa wurde. Im Sommer 2013 führte ihn seine überhaupt erste Reise raus aus Rom - gut 100 Tage nach seiner Wahl nach Lampedusa (siehe Foto oben). Es ist jene kleine Insel, die für tausendfachen Tod im Mittelmeer steht.
Neue Verbundenheit
Damals war es in Bildern und Worten ein Appell an Europa. Dieser Appell dauert an. Doch immer drängender wird die Solidarität des Papstes mit jenen, die ausgegrenzt sind. Wenn er an Gründonnerstag Gefangenen und Flüchtlingen die Füße wäscht, wenn er an die Grenze zwischen Mexiko und den USA geht, wenn er ohne großes Aufsehen afrikanische Migranten im Vatikan empfängt, wenn er auf Obdachlose zugeht. Gerade im "Jahr der Barmherzigkeit", das die katholische Kirche im Dezember begann, drängt Franziskus Gemeinden und Bistümer weltweit, konkret zu handeln. Er selbst geht da als Beispiel voran.
Doch neben diesem Anliegen prägt diese Reise ein weiterer, ausgesprochen bemerkenswerter Aspekt. Vieles an dieser kurzfristig anberaumten Tagestour lässt vermuten, dass Franziskus einer Anregung des griechisch-orthodoxen Patriarchen Bartholomaios folgt. Das Ehrenoberhaupt der Orthodoxie wird den Bruder aus Rom - in der offiziellen Ankündigung der orthodoxen Kirche ist von den beiden "Primates" (Primassen) die Rede - gleich am Flughafen in Mytilene empfangen und mit ihm den Tag verbringen.
Nie seit dem Jahr 1054, seit der Trennung von Rom und Konstantinopel, von West- und Ost-Rom, waren sich römisch-katholischer Pontifex und griechisch-orthodoxer Patriarch so verbunden, trafen sie einander so oft wie diese beiden.
Trotz konfessioneller Verschiedenheiten und Machtinteressen, so der evangelische Ostkirchenkundler Reinhard Thöle von der Universität Halle-Wittenberg, sei Rom längst ein treuer Verbündeter, treuer als manche orthodoxe Kirche. Und die Spitzen "gehen offen miteinander um". Rudolf Prokschi, Professor für Theologie und Geschichte des christlichen Ostens an der Universität Wien, spricht von einem "guten, wirklich freundschaftlichen Verhältnis der beiden - da ist etwas gewachsen".
Orthodoxe präsent in Öffentlichkeit
Nun kennt die Orthodoxie - trotz vieler Suppenküchen im krisenerschütterten Griechenland - das soziale Engagement weit weniger als die Kirche im Westen . Und bei Geistlichen in Athen ist Verbitterung darüber zu spüren, dass nach der Wirtschaftskrise Europa das Land ein zweites Mal im Stich lasse - diesmal mit den Flüchtlingen. Nun also die Bilder aus Lesbos. "Die Orthodoxen", so Thöle im Gespräch mit der Deutschen Welle, "haben gelernt, dass sie publicitymäßig in der Öffentlichkeit präsent sein müssen und sich nicht auf ein traditionelles Schweigen zurückziehen können, zu dem sie auch lange Zeit verdonnert waren."
Dabei geht es längst nicht nur um Franziskus und Bartholomaios. Vor zwei Monaten traf Franziskus im fernen Havana den russisch-orthodoxen Patriarchen Kyrill. Auch ihr gemeinsamer Blick galt den Menschen in den Kriegsregionen des Nahen Ostens. Nun steht im Juni auf Kreta eine "Heilige und Große Synode der Orthodoxie" an, ein Treffen, wie es seit 1200 Jahren nicht möglich war. Auch das spricht für neue Bewegung zwischen West- und Ost-Christen. Franziskus und Bartholomaios werden sich trotz der zeitlichen Enge auf Lesbos gewiss auch darüber austauschen.