Bankenrettung
20. Oktober 2011Die Neuauflage der Finanzkrise fordert am 10. Oktober 2011 ihr erstes Opfer: Die belgisch-französische Dexia wird zerschlagen und teilverstaatlicht. Die Angst vor einem Flächenbrand geht in der Branche um. Alle fragen sich: Welche Bank ist die nächste? "Letztlich wissen das nur die direkt betroffenen Institute selbst", sagt Michael Schröder vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) aus Mannheim. Man könne derzeit nur Mutmaßungen anstellen, was tatsächlich passieren würde, wenn griechische Staatsanleihen zu 50 oder 60 Prozent an Wert verlieren würden und abgeschrieben werden müssten, so Schröder weiter.
Ein Schuldenschnitt für Griechenland in dieser Höhe wird immer wahrscheinlicher. Banken, die in großem Stil griechische Staatsanleihen halten, droht dann die Pleite. Andere Banken werden in Mitleidenschaft gezogen. Ein Zusammenbruch der Finanzsysteme zwingt weitere Staaten in die Knie. Am Ende steht die Welt vor einer tiefen Rezession. Das Schlimme daran: Dieses düstere Szenario scheint gar nicht so abwegig zu sein. Deshalb gilt es für die Politik, alles daran zu setzen, damit die Folgen eines Schuldenschnitts für Griechenland kalkulierbar bleiben.
Neuer Stresstest für die Banken
Derzeit führt die Europäische Bankenaufsicht EBA einen neuen Blitz-Stresstest durch. Die Bankenaufseher halten eine Kernkapitalquote von neun Prozent für erforderlich. Nach geltenden Regeln müssen die Geldhäuser nur vier Prozent an eigenem Kapital vorweisen. Dadurch könnte sich eine Kapitallücke von rund 200 Milliarden Euro auftun. Zudem würden bei den vergangenen beiden Stresstests die ganz harten Risiken nicht berücksichtigt, meint Finanzexperte Michael Schröder: "Man hat nicht in den Fokus genommen, dass auch Länder in Europa in Konkurs gehen können und dass deren Gläubiger dann möglicherweise leer ausgehen."
Wenn die Banken aber für Staatsanleihen Sicherheiten hinterlegen müssen, dann ist davon auszugehen, dass die meisten Banken in Europa die Eigenkapitalanforderung erst recht nicht erfüllen und den Stresstest nicht bestehen werden. Was passiert dann? Die Politik ist sich uneinig. Wenn es nach der Bundesregierung ginge, müssten die Banken zunächst aus eigener Kraft ihr Kapital erhöhen. Reicht es immer noch nicht aus, sollten die Nationalstaaten einspringen. Erst als letzte Instanz käme der Euro-Rettungsfonds EFSF in Frage.
Rekapitalisierung nach dem Gießkannen-Prinzip
Wenn Frankreich die Richtung allein bestimmen könnte, würde entweder der EFSF oder der Staat nach dem Gießkannen-Prinzip alle Großbanken rekapitalisieren. Das soll verhindern, dass die französischen Banken womöglich als alleinige Empfänger von Staatshilfe gebrandmarkt werden. Denn sie besitzen viel mehr griechische Anleihen als die deutschen Banken und haben im Falle einer Pleite Griechenlands auch viel mehr zu verlieren.
Dagegen haben die deutschen Banken in den letzten zwei Jahren ihren Bestand an griechischen Anleihen kontinuierlich abgebaut. Laut der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich befanden sich Ende Juni griechische Schuldscheine im Wert von 17,5 Milliarden Euro in den Büchern deutscher Banken. Davon entfallen 1,15 Milliarden Euro auf die Deutsche Bank. Einen Wertverlust von 60 Prozent könnte sie locker verkraften. Deswegen sträubt sich der Branchenprimus gegen eine "Zwangsbeglückung" durch den Staat und will sich zur Not juristisch dagegen wehren.
Die USA haben es vorgemacht
Ob es zu einer Zwangskapitalisierung kommt, ist fraglich. Dazu fehle die rechtliche Grundlage, da die schärferen Eigenkapitalvorschriften des neuen Regelwerks Basel III erst 2019 in Kraft treten, sagen Experten. Dabei haben die USA vorgemacht, dass das durchaus geht. Kurz nach der Pleite der Investment-Bank Lehman-Brothers hat die US-Regierung die angeschlagenen Banken mit 245 Milliarden Dollar teilverstaatlicht, ob sie es wollten oder nicht. Doch diese ganz große Krise sei im Moment nicht da, sagt Michael Schröder vom ZEW. Das Gerede der Politiker sei nichts anderes als "vollmundige Äußerungen, bei denen die rechtlichen Grundlagen erst noch geschaffen werden müssten", so Schröder gegenüber DW-WORLD.DE.
Wahrscheinlich wäre der Schuldenschnitt Griechenlands ein solcher Krisenfall, der alle geltenden Regeln außer Kraft setzen könnte. Dann wäre es auch wahrscheinlich, dass Frankreich durch das starke Engagement seiner Banken in Griechenland die beste Note an Kreditwürdigkeit verliert. Dann muss das Land höhere Zinsen für seine Anleihen zahlen, der Schuldenstand wächst weiter. Um dem vorzubeugen, will Frankreich durchsetzen, dass der Rettungsschirm EFSF unbegrenzt Staatsanleihen aufkaufen kann.
Dagegen wehrt sich die Bundesregierung. "Im Kern geht es um Frankreich", sagt Daniel Gros, Direktor des Center for European Policy Studies in Brüssel, dem Handelsblatt: "Und um die Frage, ob und wie Deutschland über den EFSF Frankreich finanziert."
Autorin: Zhang Danhong
Redaktion: Henrik Böhme