"Bedingungen sind äußerst prekär"
30. Oktober 2017Hilfsorganisationen beschreiben die Lage der Rohingyas übereinstimmend als katastrophal. Nicht nur in ihrer Heimat Myanmar, wo die muslimische Minderheit vom Militär verfolgt wird, sondern auch in Bangladesch mangelt es am Nötigsten: an Unterkünften, an Lebensmitteln - selbst Trinkwasser fehlt. Mehr als 800.000 Menschen sollen bisher vor der "ethnischen Säuberung", wie die Vereinten Nationen die Übergriffe bezeichnet haben, ins Nachbarland geflohen sein und sich einstweilen in der Grenzregion um die Stadt Cox's Bazar niedergelassen haben. In den provisorischen Lagern drohen nun Krankheiten auszubrechen - auch weil sich über das in der Regenzeit reichlich vorhandene Wasser Krankheitserregern ausbreiten können.
Die deutsche Hilfsorganisation Arbeiter-Samariter-Bund hat vier Mitarbeiter von Köln nach Bangladesch entsandt. Zwei Tage lang haben sie in der bengalischen Hauptstadt Dhaka 15 Mitarbeiter einer lokalen Partnerorganisation geschult. Ab Dienstag wollen sie in der Krisenregion Cox's Bazar gemeinsam Filteranlagen zur Gewinnung von Trinkwasser aufbauen.
Deutsche Welle: Herr Hauke, mit welchen Gefühlen blicken Sie auf das, was Sie in Cox's Bazar erwartet?
Florian Hauke: Ich blicke mit einem mulmigen Gefühl auf die nächsten Tage. Denn nach den Informationen unserer Partner sind die Bedingungen, unter denen die Flüchtlinge leben, ausgesprochen prekär: die Gesundheits-, die Wasser-, die Lebensmittelversorgung... Auch psychosoziale Unterstützung sowie einfache Gegenstände zur Haushaltsführung sind dringend notwendig.
Sie wollen einen Beitrag zur Trinkwasserversorgung leisten. Wie viele Menschen werden Sie versorgen können?
Wir haben zunächst drei Aufbereitungsanlagen mitgebracht, die wir in Deutschland für solche Situationen vorhalten. Eine davon versorgt mindestens 600 Menschen mit genügend Trinkwasser und kann pro Tag bis zu 10.000 Liter Wasser aufbereiten.
Das klingt nach einem bescheidenen Anfang.
Sobald es die Finanzierungslage zulässt, werden wir in Kooperation mit unserer bengalischen Partnerorganisation CDD (Centre for Disability in Development, Anm. d. Red.) weitere Anlagen installieren lassen. Bisher haben wir unseren Einsatz aus eigenen Spenden finanziert, Drittmittel haben wir dafür nicht erhalten.
Wer entscheidet darüber, wer Zugang zu dem gewonnenen Trinkwasser erhält?
Die Auswahl der Stellen, an denen die Anlagen installiert werden, treffen wir gemeinsam mit den regionalen und lokalen Behörden, mit Menschen aus den Flüchtlingslagern und den Gemeinden, auf deren Gebiet die Flüchtlinge Schutz suchen. Danach muss dann sichergestellt werden, dass der Zugang für alle Betroffenen gewährleistet wird. Und das schließt explizit die Bewohner der Gemeinden mit ein.
Gibt es Befürchtungen, dass es Streit um das Trinkwasser geben könnte?
Grundsätzlich muss man ein solches Konfliktpotenzial in vergleichbaren Situationen immer berücksichtigen. Genau deshalb ist es unabdingbar, wie nun in Bangladesch die lokalen Gemeinden einzubeziehen.
Gleichzeitig werden derzeit in Cox's Bazar mit Hochdruck neue Brunnen gebohrt, um alle Flüchtlinge und Bewohner der Gemeinden mit Wasser zu versorgen. Unsere Aufbereitungsanlagen tragen dazu bei, Krankheiten vorzubeugen, die sich gerade unter solch prekären Bedingungen rasch ausbreiten können.
Welche Fortschritte wurden bisher erzielt?
Laut Berichten sollen die vielen Flüchtlinge, die bisher in informellen Camps leben, in organisierte Notunterkünfte umgesiedelt werden, damit die Nothilfe besser koordiniert werden kann. Das kann ich aber erst bestätigen, wenn ich mir vor Ort ein eigenes Bild gemacht habe. In jedem Fall scheint die Kooperation mit der bengalischen Regierung sehr gut zu funktionieren.
Florian Hauke ist Nothilfekoordinator beim Arbeiter-Samariter-Bund Köln (ASB). Derzeit leitet er in Bangladesch den Bau von Aufbereitungsanlagen zur Gewinnung von Trinkwasser. Der ASB ist nach eigenen Angaben eine parteipolitisch und konfessionell unabhängige Hilfs- und Wohlfahrtsorganisation.
Das Interview führte Jan D. Walter