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Vertrauliche Geburt beschlossen

Stephanie Höppner9. Juni 2013

Bei der vertraulichen Geburt können Mütter in Not anonym bleiben. Zugleich erhalten die Kinder die Möglichkeit, ihre Herkunft zu erfahren, sobald sie Teenager sind. Denn die Mutter muss ihren Namen hinterlegen.

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Ein neugeborenes Baby . ni einem Krankenhaus (Foto: picture alliance / Bildagentur-online)
Bild: picture-alliance/Bildagentur-online

Habe ich die blauen Augen von meiner Mutter geerbt? Ist mein Vater auch ein Spätaufsteher? Wie ähnlich sehe ich meinen Geschwistern? Für die allermeisten Menschen ist das Wissen um ihre Herkunft essenziell. Säuglinge, die nach der Geburt von ihren verzweifelten Müttern in einer sogenannten Babyklappe abgelegt wurden, können später jedoch meist nichts über ihre leiblichen Eltern in Erfahrung bringen - darüber wird seit Jahren heftig gestritten.

Befürworter wie etwa einige Kirchenvertreter sehen in den Babyklappen für anonym geborene Säuglinge vor allem die Chance, den Tod eines ungewollten Kindes zu verhindern. Kritiker wie der Deutsche Ethikrat wenden sein, jedes Kind dürfe wissen, woher es kommt. Am Freitag (07.06.2013) hat der Bundestag deshalb ein neues Gesetz beschlossen: Es regelt die sogenannte vertrauliche Geburt und soll das Dilemma lösen. Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) nannte die Verabschiedung des Gesetzes ein "Zeichen der Geschlossenheit für die Schutzbedürftigen in unserem Land". Jetzt muss noch der Bundesrat zustimmen.

Eine Babypuppe wird ain die Karlsruher Babyklappe gelegt (Foto: dpa )
Ob Babyklappen Leben retten, ist umstrittenBild: picture-alliance/dpa

Seine Herkunft zu kennen, ist kein "Gnadenakt"

Mütter in Not können ihr Kind nun anonym in einem Krankhaus zur Welt bringen. Die persönlichen Daten der Mutter werden jedoch aufgenommen, in einem Umschlag verschlossen und bis zum 16. Geburtstag des Kindes beim Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben aufbewahrt. Danach hat das Kind das Recht, den Namen der Mutter zu erfahren - es sei denn, die Mutter widerspricht. Sie kann beantragen, dass die Akten nicht herausgegeben werden, zum Beispiel, weil sie die Reaktionen von Familie und Bekannten fürchtet oder sich bedroht fühlt. Dann muss das Familiengericht entscheiden.

"Das Gesetz leistet einen großen Beitrag dazu, einerseits den Rechten des Kindes gerecht zu werden, das seine Herkunft kennen will. Andererseits gewährt es auch die Interessen der Mütter auf eine zeitweilige Anonymität - wenigstens ihrem direkten sozialen Umfeld gegenüber", erklärt Bernd Wacker, Experte für Adoptionen bei Terre des Hommes, im DW-Gespräch. Ihre biologische Mutter zu kennen, sei kein "Gnadenakt", den man den Kindern gewähre, sondern ihr verbrieftes Recht. Allerdings sei das Gesetz noch unausgereift, denn auch die umstrittenen Babyklappen blieben vorerst bestehen. Ein "fauler politischer Kompromiss", schimpft Wacker. Er fordert ein endgültiges Aus der Babyklappen.

Bernd Wacker, Adoptionsekxperte für Terre des Hommes (Foto: Anila Shuka)
"Recht des Kindes auf Herkunft": Bernd Wacker, Terre des HommesBild: Anila Shuka

Nicht weniger Kindstötungen

Seit 1999 wird in Deutschland die Babyklappe angeboten: An einer Einrichtung wie etwa einer Beratungsstelle oder einem Krankenhaus befindet sich eine Art kleine Tür. Dahinter kann das Neugeborene in ein beheiztes Bettchen gelegt werden. Wird die Klappe wieder verschlossen, löst dies einen Alarm aus, der medizinische Hilfe für das Baby holt. Anschließend kommt es in eine Pflegefamilie. Die Mutter hat jedoch in den ersten Wochen das Recht, ihr Kind wieder zurückzuholen. Nach einer Studie des Deutschen Jugendinstituts (DJI) wurden zwischen 1999 und 2010 fast tausend Kinder auf diese Art abgegeben.

Für Terre des Hommes blieb die Babyklappe dennoch wirkungs- und damit nutzlos. "Es hat sich in den vergangenen zwölf Jahren gezeigt, dass das Ziel der Babyklappen und anonymen Geburten - nämlich die Zahl der getöteten oder ausgesetzten Kinder nach der Geburt zu senken - , nicht erreicht worden ist", betont Wacker. Trotz der Angebote werden noch immer jährlich etwa 35 Babys getötet oder ausgesetzt. Die Dunkelziffer dürfte höher liegen, denn immer wieder werden verscharrte Babys in Mülltonnen, Blumenkübeln oder im Wald gefunden.

Eine Hebamme tastet den Bauch einer schwangeren Frau ab (Foto:Fotolia/auremar)
"Viele Frauen erreichen die Hilfsangebote nicht": Deutscher HebammenverbandBild: Fotolia/auremar

Hebammenverband kritisiert hohe Hürden

Es sind genau diese Fälle, die von Befürwortern der vertraulichen Geburt zitiert werden. Vielleicht lässt sich mit dem neuen Gesetz ja doch mehr Leben retten? Doch für den Deutschen Hebammenverband greift auch die neue Regelung viel zu kurz. "Es wird nur eine kleine Gruppe erreicht, nämlich jene, die willig sind, wenn sie vertraulich gebären - also ihre Anonymität bewahren wollen -, auch ihr Kind freizugeben", sagt Katharina Jeschke, Präsidiumsmitglied im Deutschen Hebammenverband im Interview mit dem Deutschlandradio. Damit werde die Chance vertan, den Frauen zu helfen, die zwar anonym ihr Kind zur Welt bringen, es aber nicht zwingend zur Adoption freigeben wollen.

Vor allem bei Müttern, die aus gewalttätigen Familien kommen oder zwangsweise als Prostituierte arbeiten, erlebe sie immer wieder, dass sie sich doch für ihr Kind entschieden. "Wir fordern, dass man dieses Thema konsequent angeht und dass man sagt, Kinderschutz ist uns wirklich wichtig, und wir nehmen alle Kinder aus allen möglichen Konfliktsituationen in diesen Schutz mit hinein." Katharina Jeschke fordert: Die vertrauliche Geburt soll allen Frauen freistehen, unabhängig davon, wie sie sich nach der Entbindung entscheiden.