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Aufmärsche gegen Auswüchse des Kapitalismus

16. Oktober 2011

Hunderttausende Menschen haben in aller Welt gegen die Macht der Banken demonstriert. Auch in Deutschland erlebte die Protestbewegung einen überraschend großen Zulauf.

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Protestaktion vor der Börse in London (Foto: DW- Nik Martin)
Protestaktion vor der Börse in LondonBild: DW
Ein Demonstrant mit einem kaputten 'Rettungsschirm' vor dem Bundestag in Berlin (Foto: AP)
Ein Demonstrant mit einem kaputten "Rettungsschirm" vor dem Bundestag in BerlinBild: AP

In mehreren deutschen Städten folgten am Samstag (15.10.2011) einige zehntausend Menschen Demonstrationsaufrufen des globalisierungskritischen Netzwerks Attac und sogenannter Occupy-Gruppen, die sich nach US-Vorbild gebildet haben. Allein in Frankfurt am Main beteiligten sich rund 5000 Menschen an einem Marsch zum Sitz der Europäischen Zentralbank (EZB). In Berlin kamen bis zu 10.000 Menschen zusammen. Kapitalismuskritiker versammelten sich auch in Köln, München und Hamburg.

In Frankfurt kündigten die Demonstranten eine friedliche Besetzung des Platzes neben dem Eingang der EZB an. In Berlin zogen die Protestierenden vom Alexanderplatz ins Regierungsviertel. Auf Kundgebungen machten Redner die Banken für die Krise verantwortlich und forderten, die Macht der Geldinstitute einzuschränken. Auf Plakaten hieß es: "Ihr verzockt unsere Zukunft". Attac-Sprecherin Frauke Distelrath erklärte, der Funke aus den USA sei übergesprungen. "Die Bewegung ist da." Nach Polizeiangaben blieben die Proteste in Deutschland friedlich.

Demonstration (Foto: dpa)
So sah es in vielen Städten weltweit ausBild: picture-alliance/dpa

Vorbild "Occupy Wall Street!"

Vorbild für die Demonstrationen in aller Welt ist die "Occupy Wall Street!"-Bewegung in den USA. Aktivisten halten seit rund einem Monat einen Platz in der Nähe der Börse in der Wall Street besetzt. Die Bewegung erhält immer mehr Zulauf. In zahlreichen US-Städten gab es Demonstrationen gegen die politische und wirtschaftliche Macht der Banken.

Ausschreitungen in Rom

Weltweit fanden Demonstrationen in 82 Ländern statt. In Europa protestierten Kritiker des Finanzsystems unter anderem in London, Madrid, Rom und Den Haag.

Gewalt überschattete die Demonstration in Rom (Foto: dapd)
Gewalt überschattete die Demonstration in RomBild: dapd

Am Rande der größten Demonstration Europas mit mehr als 100.000 Teilnehmern in Rom kam es zu Ausschreitungen. Vermummte Demonstranten lieferten sich Straßenschlachten mit der Polizei, schlugen Schaufensterscheiben ein und setzten Fahrzeuge in Brand. Rund 70 Menschen wurden laut Medienberichten verletzt und in provisorische Lazarette und Krankenhäuser eingeliefert. Außerdem wurden Räume des Verteidigungsministeriums durch Sprengsätze und Rauchbomben beschädigt.

Auch in London kam es zu Rangeleien mit den Polizeikräften, als einige der etwa 800 Demonstranten sich in Richtung der abgesperrten Börse bewegten. Im asiatisch-pazifischen Raum fanden Kundgebungen mit meist mehreren hundert Menschen unter anderem in Hongkong, Tokio, Seoul und Sydney statt. Auch in den USA demonstrierten wieder Tausende, unter anderem in New York, Los Angeles, Chicago und Washinton. Allein in New York demonstrierten nach Angaben der Veranstalter bis zu 50.000 Menschen. Die Polizei nahm während der Proteste mehr als Personen fest.

Wohlwollen vom neuen EZB-Chef

Der künftige EZB-Präsident Mario Draghi (Foto: AP)
Der künftige EZB-Präsident Mario DraghiBild: dapd

Überraschenden Beistand erhielten die Demonstranten vom künftigen EZB-Chef Mario Draghi. Laut italienischen Medienberichten sagte Draghi am Rande des G20-Finanzministertreffens in Paris, die jungen Leute hätten ein Recht darauf, empört zu sein. "Sie sind wütend auf die Finanzwelt. Ich verstehe sie." Zugleich forderte er, dass die Demonstrationen nicht ausarten dürften.

Unterstützung kam auch von etablierten Organisationen wie dem Deutschen Gewerkschaftsbund und linken Parteien. "Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten kämpfen für eine stärkere Kontrolle der Finanzwirtschaft", erklärte SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles. Die Partei "Die Linke" erklärte, die Proteste seien "dringend geboten". Mit der derzeitigen Politik der europäischen Regierungen gegen die Schuldenkrise würden nur "die Verursacher der Finanzkrise, die internationalen Finanzspekulanten, die Großbanken und Finanzfonds, belohnt".

"Dieser weltweite Protest vieler Tausender vorwiegend junger Menschen ist ein Alarmsignal", warnte der Chef des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Michael Sommer. Man müsse der Spekulation das Handwerk legen und die Finanzmärkte stark regulieren, forderte er. Es gehe um nichts Geringeres als die Zukunft der demokratischen Gesellschaften.

Autorin: Pia Gram (dpa, dapd, afp, rtr)

Redaktion: Michael Wehling