Junge Fotografie aus China
13. Juni 2020In Bayern mit seinen vergleichsweise strengen Corona-Regeln durften als erste Kultureinrichtungen ab Mitte Mai Museen wieder öffnen. In der Alexander Tutsek Stiftung ist jetzt mit "About Us" junge Fotografie aus China zu sehen, mit Werken international bekannter Künstler wie Chen Wei, Ren Hang oder Yang Fudong und außerhalb Chinas noch weitgehend unbekannten Arbeiten wie die von Gao Mingxi oder Liang Xiu.
Siebzig Fotografien aus den letzten zwanzig Jahren von vierzehn chinesischen Künstlerinnen und Künstlern präsentiert die Schau, Fotografie, mit denen sie auf den radikalen Wandel der chinesischen Gesellschaft reagieren. Die Themen dieser neuen Generation von Künstlerinnen und Künstlern kreisen um Selbstwahrnehmung, subjektive Erfahrungen und alltägliche Lebensformen. Es geht um Erinnerung und Geschichte, Melancholie und Widerstand, Traum und Vision, Körper und Individualität - und der allen gemeinsame Nenner ist die Suche nach der eigenen Identität. Wie kann man in einem Land, das sich so rasant verändert wie China, sich selbst verankern?
Selbstinszenierung zwischen Depression und Coolness
Die Fotos zeigen Wunschvorstellungen und Ängste, Isolation und Lebenslust, Neugierde und Depression, sie zeugen von Coolness und Konfusion ihrer Autoren. Die Kunsthistorikerin Aysegül Cihangir, die an der von der von Dr. Eva-Maria Fahrner-Tutsek, der Vorstandsvorsitzenden der Stiftung, kuratierten Ausstellung mitgewirkt hat, betont die nicht-dokumentarische Selbstinszenierung, die in vielen Bildern zu beobachten ist. "Menschen werden arrangiert, mal in der Natur, mal im Stadtraum, dann in Innenräumen und dann gibt es auch einzelne Portraits wie in einer Studiosituation." Auch das Titelbild zeige einen jungen Mann, der sich selbst inszeniert, in einem Kostüm mit Perücke und einem schönen Ring am Finger.
Geradezu körperlich spiegeln sich die komplexen Gefühls- und Erfahrungswelten einer jüngeren Generation in den Fotografien des Künstlers und Lyrikers Ren Hang, der seine Landsleute mit Aktbildern provozierte. Er war schon ein international etablierter Künstler, als er sich 2017 in Peking mit nur 29 Jahren das Leben nahm. Aktuell widmet ihm auch das italienische Centro Pecci in der Nähe von Florenz eine Ausstellung. Seine extrem durchkomponierten Bilder von meist nackten Menschen in akrobatischen und verrenkten Posen wurden oft zensiert. Sie zeigen rebellische Jugendliche, die sich mit ihren Körpern und ihrer Sexualität den Normen und Kontrollzwängen der chinesischen Gesellschaft verweigern.
Erinnerungen dokumentieren
Andere Künstler erzählen stiller vom sozialen Wandel, indem sie wie beispielsweise Zhang Xiao versuchen, persönliche Erinnerungen festzuhalten und so das verschwindende kulturelle Erbe zu dokumentieren. Ob aber in dokumentarisch anmutender Schwarz-Weiß-Ästhetik oder als dramatische Inszenierung in Farbe, aus allen Bildern sprechen die Lebenserfahrungen der Kunstschaffenden selbst.
Die Ausstellung in der Alexander Tutsek-Stiftung München ist noch bis zum 29. Januar 2021 zu sehen.