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"Das IOC steht an einem Tiefpunkt"

21. Februar 2022

Die Interessenvertretung "Athleten Deutschland" zieht ein negatives sportpolitisches Fazit der Olympischen Winterspiele in Peking, sieht aber für das IOC auch die Chance für eine Wende.

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IOC-Präsident Thomas Bach und Chinas Präsident Xi Jingping bei der Abschlussfeier der Spiele in Peking
IOC-Präsident Thomas Bach (l.) hielt sich gegenüber Gastgeber Xi Jinping (r.) mit Kritik an der Menschenrechtslage in China zurückBild: picture alliance / ASSOCIATED PRESS

Die Olympischen Spiele in Peking sind beendet. Doch die Kritik am Gastgeberland und dem Internationalen Olympischen Komitee IOC verstummt damit keineswegs - auch nicht aus Sicht der Aktiven. Die Interessenvertretung "Athleten Deutschland" zog in seiner Pressemitteilung aus sportpolitischer Sicht ein bitteres Fazit.

Mehrere Vorfälle bei den Winterspielen hätten gezeigt, dass die "Kultur des Schweigens" beim IOC dringend beendet werden müsse: "Sie ist nach wie vor ungeeignet, gar kontraproduktiv, um die für den Sport schwierige Gratwanderung zu meistern, sich politisch nicht vereinnahmen zu lassen, völkerverständigend zu wirken und dabei seine Werte nicht zu verraten." Gegenüber der DW konkretisierte Geschäftsführer Johannes Herber: "Das IOC steht unserer Wahrnehmung nach an einem Tiefpunkt. Seine Integrität und Glaubwürdigkeit sind stark beschädigt."

Werte und Handeln in Übereinstimmung bringen

Dem IOC lägen seit zwei Jahren Empfehlungen für eine Menschenrechtsstrategie vor, diese müssten dringend umgesetzt werden. "Es hat jetzt die Möglichkeit, durch konsequentes Handeln, insbesondere im Bereich seiner menschenrechtlichen Verantwortung, eine Wende herbeizuführen. Die IOC-"Agenda 2020+5" [für mehr Glaubwürdigkeit und Nachhaltigkeit Olympischer Spiele - Anm. d. Red.] enthält außerdem einige Anknüpfungspunkte, die dringend verfolgt werden müssen, um die Kohärenz zwischen den Werten des IOC und seinem Handeln wieder herzustellen." Es werde künftig "rote Linien" bei Vergabeentscheidungen geben müssen, deren Entscheidungskriterien auf Menschenrechtsstrategien fußten. 

"Athleten Deutschland" macht sich für tiefgreifende Reformen im Weltsport stark. Es müsse eine "echte Gewaltenteilung einkehren, mit einer unabhängigen Schiedsgerichtsbarkeit und unabhängigen Aufsichtsorganisationen, die konsequent gegen Doping, Korruption und Missstände vorgehen und für den Schutz und die Rechte von Athleten und Athletinnen eintreten". 

Debatte um Mindestalter zu Recht eröffnet

Dass das IOC den Walijewa-Skandal genutzt hat, um die Mindestalter-Diskussion wieder aufzumachen, befürwortet Herber: "Das IOC hat diese Debatte zu Recht eröffnet." Eine Altersgrenze könne gerade in Sportarten wie Eiskunstlaufen oder Turnen, in denen von Minderjährigen Höchstleistungen erwartet würden, die Kinder vor gnadenlosem Drill und exzessivem Leistungsdruck schützen.

Die russische Eiskunstläuferin Kamila Walijewa stürzt bei der Einzelkür in Peking
Die 15 Jahre alte Russin Kamila Walijewa scheiterte in Peking am Wirbel um ihre PersonBild: Kyodo/picture alliance

Die russische Eiskunstläuferin Kamila Walijewa ist erst 15 Jahre alt und stand kurz nach dem Gewinn der Goldmedaille mit dem Team des Russischen Olympischen Komitees im Mittelpunkt des Interesses: Nach einer positiven Dopingprobe gab es eine juristische Eilentscheidung, ob sie an der Einzelentscheidung der Damen teilnehmen dürfe. Nachdem der Internationale Sportgerichtshof grünes Licht gegeben hatte, zeigte die junge Eiskunstläuferin Nerven und stürzte mehrfach während der Kür. So wurde Walijewa in vielerlei Hinsicht zum Opfer.

"Inkonsequente Haltung des IOC gegenüber Russland"

Das solle in Zukunft mit Minderjährigen bei Olympischen Spielen nicht mehr passieren, findet "Athleten Deutschland": "Als oberster Regelgeber des Weltsports steht das IOC in der Verantwortung, diese Debatte nun glaubhaft zu führen und die Rechte der minderjährigen Athleten und Athletinnen dabei in den Mittelpunkt zu stellen."

Über Altersgrenzen im Spitzensport lässt das IOC bisher die internationalen Fachverbände selbstständig entscheiden. Russland zum Beispiel geht seit Jahren mit sehr jungen Eiskunstläuferinnen auf Medaillenjagd, da diese im vorpubertären Alter aus körperlicher Sicht bessere Chancen haben, schwierige Elemente wie Vierfachsprünge zu beherrschen.

IOC-Präsident Thomas Bach, der auf einer Pressekonferenz sein Mitgefühl für die junge Sportlerin ausgedrückt und die emotionale Kälte der Trainerin treffend beschrieben hatte, müsse nun diese Analyse glaubhaft untermauern, findet Herber - mit einer Diskussion über das Mindestalter und weiteren Maßnahmen zum Schutz von minderjährigen Athletinnen und Athleten: "Da auch die inkonsequente Haltung des IOC gegenüber Russland in der Folge des Dopingskandals von Sotschi zu diesem Fall beigetragen haben könnte, muss das IOC nun umso mehr tun, um ähnliche Schicksale zu verhindern."