Griechenland Regierung
3. Januar 2012Gerade erst sechs Wochen ist Papademos im Amt und schon läuft ihm die Zeit davon. Der Grund: Im März 2012 soll Griechenland Anleihen von insgesamt vierzehn Milliarden Euro zurückzahlen. Bis dahin müssen laut Regierungsplanung die Verhandlungen über den freiwilligen Teilschuldenerlass sowie über ein zweites Rettungspaket für das Mittelmeerland abgeschlossen worden sein. Das setzt allerdings voraus, dass die mit den Geldgebern vereinbarten Strukturreformen im Eiltempo verabschiedet werden. Doch genau daran hapert es im Moment.
Reformstau
Der Ökonom und Wirtschaftsjournalist Panagiotis Bousbourelis bescheinigt der griechischen Mehrparteienregierung eine durchwachsene Bilanz. Er gibt aber auch zu bedenken, dass der neue Premier einfach mehr Zeit braucht. "Die Verhandlungen über einen freiwilligen Tausch alter gegen neue Griechenland-Anleihen mit längeren Laufzeiten sind auf einem guten Weg", meint Bousbourelis.
Ein niedriger Zinssatz von vier Prozent für die neuen Anleihen sei durchaus realistisch und wäre ein beachtlicher Erfolg für Papademos, wenn er tatsächlich diese Vereinbarung unter Dach und Fach brächte. Auch die Verabschiedung des Sparhaushalts für 2012 sei ein Erfolg gewesen für den Übergangspremier. Andererseits müsse man feststellen, dass wichtige Reformvorhaben ins Stocken geraten, so etwa die Privatisierung von Staatsvermögen oder die Entlassung von Staatsbediensteten.
Wahlen oder Regierungsumbildung?
Vor allem die mitregierenden, aber tief zerstrittenen Sozialisten wollen Papademos mehr Zeit geben. Dann hätten sie nämlich auch selbst genug Zeit, um ihre Partei auf Vordermann zu bringen und einen Nachfolger für den im Zuge der Schuldenkrise zurückgetretenen Premier Giorgos Papandreou zu bestimmen. Nach einer Marathonsitzung der Sozialisten erklärte Finanzminister und Vize-Regierungschef Evangelos Venizelos am Mittwoch (28.12.2011), die für den 19. Februar geplanten Neuwahlen müssten auf die Zeit nach dem Osterfest verschoben werden, das in Griechenland auf den 15. April fällt.
Auch Panagiotis Bousbourelis glaubt, ein Festhalten am ursprünglichen Wahltermin mache keinen Sinn mehr. "Kritische Verhandlungen und Gespräche verlaufen im Moment parallel zueinander, da kann man sich doch nicht einfach verabschieden und Neuwahlen abhalten", erklärt der Athener Wirtschaftsexperte. In den nächsten Monaten würden wichtige Entscheidungen über eine sanfte Umschuldung Griechenlands anstehen, dafür bräuchte man eine gründliche Vorbereitung. Deswegen müsse die Amtszeit der Regierung Papademos bis mindestens April 2012 verlängert werden. Auch ein späterer Wahltermin oder eine Regierungsumbildung kämen in Betracht.
Streitbares Kabinett
Selbstverständlich ist das alles nicht: Anders als der Sozialist Venizelos sehen die in den Umfragen führenden Konservativen keinen Grund für eine Verschiebung des Wahltermins auf Ende April. Die ebenfalls mitregierenden Rechtspopulisten erklären dagegen, Neuwahlen müssten entweder sofort oder aber erst Ende des Jahres stattfinden.
Und auch sonst gibt es reichlich Streit am Kabinettstisch. So forderte etwa der rechtspopulistische Verkehrsminister Makis Voridis, dass Reformgesetze parteiintern ausführlich besprochen werden, bevor das Kabinett darüber entscheidet. Darauf entgegnete ihm Premier Papademos kühl, das sei gar nicht nötig, da die Parteien ja ohnehin in der Regierung vertreten sind.
Mächtige Einzelinteressen?
Auch in Zukunft ist Koalitionsstreit programmiert. Doch der wahre Feind der Reformwilligen in Griechenland ist außerhalb der Politik zu finden, erklärt Stelios Katranides, Wirtschaftsprofessor an der Universität Thessaloniki, in einem Interview mit dem TV-Sender Skai: "Es gibt mächtige Partikularinteressen in diesem Land, die die Dinge so belassen wollen, wie sie sind, weil die sich im Grunde genommen die Drachme zurückwünschen", glaubt Katranides zu wissen.
Davon würden dubiose Gestalten profitieren, die dem Staat viel Geld schulden und offenbar glauben, nach Wiedereinführung der Drachme würden sich ihre Schulden in Luft auflösen. Oder auch Finanzjongleure, die viel Geld im Ausland horten und nur darauf spekulieren würden, in einem zerstörten Land wertvolle Vermögenswerte zu Spottpreisen zu kaufen. Doch die Griechen müssten alles tun, um sicherzustellen, dass ihr Land in der Eurozone bleibt, meint Katranides.
Auch Übergangspremier Papademos hat den Verbleib Griechenlands in der Eurozone zum obersten Ziel erklärt. Dafür muss er allerdings stärker gegen die Reformverweigerer vorgehen - auch in den eigenen Reihen.
Autor: Jannis Papadimitriou
Redaktion: Mirjana Dikic