Asterix-Jubiläumsband "Die weiße Iris" erscheint
26. Oktober 2023Sie streiten und sie prügeln sich, sie jagen Wildschweine, sie kaufen vergammelte Fische und verkloppen Römer - so kennen wir unsere Gallier, die in einem kleinen bretonischen Dorf leben und sich erfolgreich gegen die römische Besatzungsmacht durchsetzen. Ein Dorn im Auge des Imperators Julius Cäsar, der immer wieder versucht, das Dorf zu unterwerfen. Ein Zaubertrank, der den Bewohnern übermenschliche Kräfte verleiht, lässt die römischen Soldaten allerdings regelmäßig scheitern. So greift Cäsar auch schonmal zu perfideren Methoden und schickt Typen ins Dorf, die - in welcher Form auch immer - die Dorfgemeinschaft zersetzen wollen.
Was in früheren Bänden ein Gift und Galle spuckender Widerling oder ein zwielichtiger Seher nicht geschafft haben, das soll nun der Medicus Visusversus regeln. Der Plan ist, die renitenten Gallier mit Liebe, gesundem Essen und positiver Energie einzulullen und damit kampfunfähig zu machen.
Natürlich gelingt es Visusversus zunächst, die Dorfbewohner - Männer wie Frauen - mit seinen Sprüchen zu manipulieren, was sogar dazu führt, dass die Gattin des Dorfhäuptlings Majestix ihren Mann verlässt und diesen in tiefe Depressionen stürzt. Mit Verve und guter Laune machen sich Asterix und Obelix daran, die Dinge wieder in Ordnung zu bringen.
Kontakt verloren
Es ist eine Gratwanderung: Auch Asterix-Bände sollen mit der Zeit gehen, aber eigentlich sollen die Protagonisten bleiben, wie sie sind. Um über sechs Jahrzehnte am Ball zu bleiben, bedarf es einiges an Fingerspitzengefühl.
In den letzten Bänden haben die Leserinnen und Leser jedoch ein wenig den Kontakt zu den ihnen so lieb gewonnenen Charakteren verloren. Als René Goscinny 1977 starb, übernahm sein langjähriger Partner, der Zeichner Albert Uderzo, dessen Job als Texter - was ihm nur bedingt gelang - denn Goscinnys feiner, sprühender Witz musste doch eher plumpen Schenkelklopfern weichen.
2013 übernahm ein gänzlich neues Autorenteam, mit Didier Conrad als Zeichner und Jean-Yves Ferri als Texter. Conrad kopierte meisterhaft den liebevollen Zeichenstil Uderzos und Ferri textete mit Humor und Wortwitz. Der erste Band ("Asterix bei den Pikten") holte viele der von den letzten Bänden enttäuschten Fans zurück. Fünf Hefte lang reisten die Gallier nach Schottland, Italien und weit in den Osten, dazwischen mussten sie sich mit einem Geheimdokument und einem widerspenstigen Teenager herumschlagen - und mit der Zeit verloren die Charaktere erneut an Intensität.
Wiedersehen mit den "alten" Galliern
Nach Goscinny, Uderzo und Ferri ist nun der Südfranzose Fabrice Caro alias Fabcaro der vierte Autor, der den Figuren Worte in den Mund legen darf. Während Conrads Zeichnungen eine sichere Bank sind, ist nun die Frage: Kann der "Neue" den Ton der klassischen Geschichten treffen - oder driften die Asterix-Geschichten nun endgültig ab?
Kein Grund zur Beunruhigung: Erstens schickt das neue Autorenteam die Protagonisten nicht auf eine Reise in ein fernes Land, sondern belässt sie bis auf einen Ausflug in die Hauptstadt in ihrem Dorf. Denn es geht um sie und um ihre Gemeinschaft.
Und zweitens lassen die beiden Autoren den Figuren in diesem Heft wieder mehr Raum. Etwa, wenn Asterix und Obelix über das ungewöhnliche Verhalten der Wildschweine im Wald sinnieren. Wenn der unbeliebte Barde Troubadix (wie früher auch schonmal) zur Geheimwaffe erklärt wird und den Auftritt seines Lebens wittert. Wenn der depressive Majestix teilnahmslos zuschaut, wie Obelix versucht, einen Tretroller zu besteigen.
Stichwort Tretroller: Natürlich werden aktuelle gesellschaftliche Themen in die Geschichte eingebaut - ohne allzu aufdringlich zu wirken. E-Scooter, Klimaproteste, Stadtflucht, Fremdenfeindlichkeit und Selbstoptimierung werden quasi nebenbei thematisiert - das konnten die Asterix-Bände schon immer, seit 1959 die erste Geschichte erschienen ist.
Sogar eine erfolgreiche aktuelle TV-Serie findet Erwähnung in Form eines In-Restaurants in Lutetia, dem heutigen Paris: Man geht beim Griechen Mokaeftis essen - in der deutschen Erfolgsserie "Babylon Berlin" heißt das Lokal "Moka Efti".
Schwafeln, bis die Sprechblase platzt
Die Dialoge sind flott und nicht ohne herrlich trockenen Witz, auch ein paar plumpere "Klopper" fehlen nicht. Dagegen lässt Fabcaro seinen Visusversus erst einmal unermüdlich schwafeln, bis die Sprechblase platzt. Der aber bekommt auch immer wieder Kontra. Wenn er etwa säuselt: "Einen wunderschönen Tag, Asterix! Du nahst wie eine sanfte Morgenbrise!", und Asterix daraufhin erwidert: "Für dich gibt's Sturmwarnung!", dann muss man einfach grinsen.
Auch, wenn Cäsar auf der Suche nach einer Idee nachdenklich murmelt: "Jemanden aus dem Dorf zu entführen, hat bislang noch jeder bereut", wissen Asterix-Kennerinnen und -kenner, dass es bereits mehrmals solche Versuche gab. Auch in anderen Szenen finden sich liebevolle Reminiszenzen an alte Asterix-Hefte - das generiert ein wohliges Gefühl beim Lesen.
"Die weiße Iris" ist ein vorsichtiger Jubiläumsband - er möchte seine alten Fans zurückholen, Noch-Fans nicht weiter verprellen und vielleicht sogar neue hinzugewinnen. Die Enkel derjenigen also, die vor über 50 Jahren herzlich über den Witz und die Zeichnungen gelacht und dies ihren Kindern weiter gegeben haben.
Ob der Stabwechsel beim 40. Asterixband den Zauber der alten Figuren und Geschichten wieder aufleben lassen kann - das zeigt sich ab Donnerstag, dem 26. Oktober. Dann erscheint "Die weiße Iris" weltweit.