Syriens Spione
8. Februar 2012Sie leben seit Jahren unter uns: Syrer, die ihre Landsleute ausforschen. Wer vor der syrischen Botschaft in Berlin gegen das Assad-Regime demonstriert oder etwa der oppositionellen Untergrundpartei Al Hadatha angehört, wird beobachtet. Die Berliner Polizei hat am Dienstag (07.02.2012) zwei mutmaßliche syrische Spione festgenommen - ein deutliches Zeichen dafür, dass Exilanten auch hier, im vermeintlich sicheren Deutschland, eine Menge Risiken eingehen, wenn sie politisch aktiv sind.
Betroffene berichten, dass Mitarbeiter des syrischen Geheimdienstes oder ihre Handlanger sie bei Demonstrationen auch tätlich angreifen. Oder wie im Fall des aus Syrien stammenden Grünen-Politikers Ferhad Ahma: Er wurde am zweiten Weihnachtstag 2011 in seiner Wohnung zusammengeschlagen. Häufiger kommt es aber vor, dass massiver psychischer Druck auf syrische Regimegegner im Ausland ausgeübt wird.
"Sie versuchen, die Angst in mein Herz zu bringen"
Das erlebt auch Sondos Sulaiman. Sie lebt seit vielen Jahren in Deutschland, ist Mitglied der Al Hadatha Partei und setzt sich im Exil für ein freies Syrien ein. Sie macht sich stark "für ein Land, in dem Menschenrechte respektiert werden, für ein demokratisches Land". Als Antwort auf ihr Engagement erhielt sie Emails und Facebook-Einträge, die sie aufforderten, sich politisch zurückzuhalten, anderenfalls habe sie mit Konsequenzen zu rechnen.
Vor persönlichen Konsequenzen fürchtet sich Sondos Sulaiman nicht. "Ich hatte immer das Gefühl, dass ich in Deutschland in Sicherheit lebe. Hier kann man zur Polizei gehen und Anzeige erstatten." Aber es bringe Angst in ihr Herz, weil ihre Familie bedroht, bespitzelt und belauscht werde. Ihr Bruder sei in Syrien gezwungen worden, sich von ihr und ihren politischen Aktivitäten gegen das syrische Regime zu distanzieren. Im staatlichen Fernsehen musste er sagen, dass Sondos kein Mitglied der Familie mehr sei. Ihre Glaubwürdigkeit sollte untergraben werden.
Keine Einzelfälle
Sondos Sulaiman erzählt aber auch von Landsleuten, deren Familien in der syrischen Heimat körperlich angegriffen worden sind. "Der Sicherheitsdienst geht zu Familien und attackiert einzelne Mitglieder. Wir haben in den vergangenen Monaten Eltern von Aktivisten gesehen, die geschlagen und deren Wohnung zerstört wurden."
Das sind keine Einzelfälle, weiß Kristina Schmidt, Syrienexpertin bei Amnesty International. Die Organisation hat in einer Dokumentation 30 Fälle aus acht Ländern zusammengestellt, zwei davon aus Deutschland. Darunter auch die Erfahrungen von Sondos Sulaiman und eines Syrers, der anonym bleiben will und sich "Khaled" nennt. Sein Bruder sei sogar gefoltert worden. Das seien aber nur zwei Beispiele, die für viele stehen. Es gehöre viel Mut dazu, diese Erfahrungen öffentlich zu machen, da weitere Übergriffe nicht auszuschließen seien, meint Kristina Schmidt.
Stellungnahme nicht erfolgt
Nach der Veröffentlichung der Dokumentation forderte Amnesty International die syrische Botschaft in Berlin auf, eine Stellungnahme abzugeben. Daraufhin folgte im vergangenen Oktober eine Presseerklärung, "in der die Botschaft darauf hinweist, dass sich die syrischen Diplomaten und die übrigen Mitarbeiter der Botschaft strikt an den Bestimmungen des Gastlandes orientieren", fasst Kristina Schmidt zusammen. Auf den Vorwurf, Exilsyrer überwacht oder bedroht zu haben, sei die Botschaft gar nicht eingegangen.
Sollte nun im Fall der beiden in Berlin festgenommen mutmaßlichen Spione nachgewiesen werden, dass sie tatsächlich für den Geheimdienstlich aktiv geworden sind, drohen ihnen Gefängnisstrafen, unterstreicht ein Sprecher des Bundesamts für Verfassungsschutz.
Sondos Suleiman setzt sich unterdessen weiter für ihre Landsleute in Syrien ein. Momentan unterstützt sie Hilfstransporte, die Kleidung, Decken und Medikamente über die Türkei, Jordanien und den Libanon nach Syrien bringen. Sobald das jetzige Regime gestürzt ist, will sie wieder nach Syrien gehen: "Gemeinsam versuchen wir dann, ein demokratisches System aufzubauen".
Autorin: Beatrix Beuthner
Redaktion: Beate Hinrichs