Ausländische Oppositionelle
8. Februar 2012Mitten in der Nacht klopfte es an der Tür von Ferhad Ahma. Der aus Syrien stammende Menschenrechtsaktivist arbeitet als Lokalpolitiker in Berlin und ist in dieser Nacht noch wach. Natürlich fragt er, wer denn an der Tür sei. "Polizeikontrolle" heißt es. Ferhad Ahma öffnet die Tür. Plötzlich schlagen zwei Vermummte Personen wortlos minutenlang mit Knüppeln auf Ahma ein. Ein Nachbar hört seine Schreie. Als der Nachbar die Wohnung betritt, flüchten die Schläger.
Der Vorfall ereignete sich bereits Ende Dezember. Er beschäftigt die Sicherheitsbehörden aber noch heute. Ahma vermutet nämlich, dass die Täter zum syrischen Geheimdienst gehören, der in Deutschland Oppositionelle ausspionieren und bedrängen soll. Ferhad Ahma unterstützt seit den Ausschreitungen in Syrien aktiv die syrische Opposition als Mitglied im "Syrischen Nationalrat". Und: Offenbar ist Ferhad Ahma kein Einzelfall.
Seit Monaten schon beobachtete das Berliner Landesamt für Verfassungsschutz verdächtige Personen im Umfeld der syrischen Botschaft. Die Erkenntnisse müssen so schwer wiegen, dass über 70 Polizeikräfte mehrere Wohnungen durchsuchten und am Dienstag ( 07.02.2012) zwei Personen verhafteten, die für den syrischen Geheimdienst gearbeitet haben sollen.
Ausländische Geheimdienste in Deutschland sehr aktiv
Nach Erkenntnissen deutscher Sicherheitsbehörden werden politisch Andersdenkende oder Andersgläubige, die aus verschiedenen Ländern der Welt nach Deutschland kamen, immer wieder von Geheimdiensten ihrer Heimatländer ausgeforscht. Aber werden sie in Deutschland auch körperlich angegriffen? Nach Angaben deutscher Sicherheitsbehörden liegen dazu keine Erkenntnisse vor.
Ins Blickfeld gerieten aber der iranische und der türkische Nachrichtendienst. Türkische Agenten zum Beispiel sollen die Unterstützer-Szene für die terroristische Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) in Deutschland ausgespäht haben. Türkeireisende Kurden erhielten danach plötzlich keine Passverlängerungen mehr oder bekamen ein Ausreiseverbot. Bewerbern um politisches Asyl in Deutschland soll mit Unannehmlichkeiten gegen Verwandte in den Heimatländern gedroht worden sein.
Die Exil-Syrerin Sondos Sulaiman schilderte ihre Erfahrungen Amnesty International. Danach litt sie darunter, dass ihre Familie in Hama und Damaskus immer wieder von der örtlichen Sicherheitspolizei aufgesucht wurde. Es folgten dort strenge Befragungen zu den Aktivitäten von Sondos Sulaiman in Deutschland. Ihr Bruder wurde mit Gefängnis bedroht, falls er sich nicht dafür einsetzen würde, dass Sondos Suleimann ihren Einsatz gegen Syriens Machthaber Assad einstellt. Betroffen von Bedrohungen waren nach Auskunft der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte auch ägyptische Flüchtlinge, die ursprünglich Muslime waren, künftig aber als Christen in Deutschland leben wollten.
Deutschland ist um Schutz Oppositioneller bemüht
Ein spezielles Schutzprogramm für Oppositionelle oder politisch verfolgte Migranten gibt es in Deutschland nicht. Es gelten aber für jede Person, die sich auf deutschem Boden befindet, das Grundgesetz und das Strafgesetzbuch. Selbst wenn ein Verfahren auf politisches Asyl in Deutschland noch nicht abgeschlossen sein sollte, so befindet sich ein Antragsteller nicht im rechtsfreien Raum. Die Polizei hat die gesetzliche Verpflichtung, jeder Form einer Bedrohung nachzugehen. Es muss nicht zu einem konkreten Übergriff gekommen sein. Schon eine geäußerte Drohung gilt in Deutschland als Straftat und muss von den Polizeikräften verfolgt werden.
Im Fall von Bedrohungen der Familien in den Heimatländern sind deutsche Polizeibehörden bemüht, die Aussagen betroffener Dissidenten an die politische Ebene weiterzuleiten. Das Auswärtige Amt und Bundesaußenminister Guido Westerwelle haben dazu in Berlin unmissverständlich klargestellt, dass man auf keinen Fall dulden werde, dass Oppositionelle in Deutschland bedroht oder angegriffen werden. "Das gilt für alle Menschen, egal aus welcher Nation sie stammen", hieß es vom Auswärtigen Amt. Abgeordnete im deutschen Bundestag setzen sich parteiübergreifend dafür ein, dass auf Angehörige bestimmter Nationalitäten besondere Rücksicht genommen wird. Konkret wurde das Deutsch-Syrische Rückübernahmeabkommen ausgesetzt. Syrer, die in Deutschland um politisches Asyl gebeten haben, werden selbst bei negativem Bescheid nicht nach Syrien zurückgeschickt.
Der Verfassungsschutz in Deutschland allerdings wird wenig gegen konkrete Bedrohungen gegen Oppositionelle ausrichten können. Nach deutschem Gesetz beobachtet der Verfassungschutz zwar ausländische Geheimdienste in Deutschland. Doch nur im Fall von konkreten Hinweisen auf Straftaten und im Fall von "Gefahr für Leib und Leben" werden Polizei und Staatsanwaltschaft informiert. Nur diese Behörden – nicht der Verfassungschutz selbst – dürfen konkret gegen Täter einschreiten. Insofern bleibt wieder einmal nur die Hoffnung, dass Verfassungsschutz und Polizei überall gut zusammen arbeiten. In Berlin hat dies im Fall der beobachteten syrischen Oppositionellen offenbar gut funktioniert. Sie hatten sich aber im Internet bemerkbar gemacht und dort eine Liste mit Namen all der Personen veröffentlicht, die sich konkret vom syrischen Geheimdienst verfolgt fühlten.
Autor: Wolfgang Dick
Redaktion: Friedel Taube